Kapitel 5

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Am nächsten Morgen weckt mich ein leises Gespräch aus dem angrenzenden Zimmer. Ein Wächter der königlichen Garde ist zu Besuch im Arztzimmer meines Onkels. Ich erkenne ihn sofort an seiner klaren, autoritären Aussprache und den schweren, gleichmäßigen Schritten, die den Raum durchmessen.

Ich setze mich auf, die Müdigkeit der vergangenen Nacht noch in meinen Gliedern spürend, und krieche aus dem Bett. Schnell ziehe ich mir etwas Überworfenenes über und öffne leise die Tür meines Zimmers. Kaum hörbar schlüpfe ich hinaus und lausche den Gesprächsfetzen, die zu mir durchdringen.

"... der Vorfall gestern Abend ..." höre ich den Wächter sagen, seine Stimme gedämpft, aber deutlich. "... der Mann wurde festgenommen ..."

Mein Herz schlägt schneller, als ich das höre. Die Erinnerungen an den Kampf und Nathans plötzlichen Auftritt fluten zurück. Ich lehne mich näher an die Wand, um besser zuhören zu können.

"... ein Brief für Sie, Herr Doktor," sagt der Gardist und überreicht meinem Onkel etwas. "Es ist eine Einladung.", sagt der Wächter.

Eine Einladung? Ich runzele die Stirn und schiebe mich noch ein Stück näher, bis ich schließlich genug Mut gefasst habe, aus meinem Versteck zu treten. "Was ist hier los?" frage ich, meine Stimme zittert leicht vor Aufregung und Nervosität.

Der Gardist dreht sich um und mustert mich mit einem abschätzenden Blick. "Sie müssen Valerie sein," stellt er fest, seine Augen ruhen auf mir. Ich nicke stumm, während mein Onkel mir den Brief reicht. Das schwere, süßlich riechende Papier fühlt sich ungewöhnlich an in meinen Händen, fast feierlich.

Leise flüsternd lese ich die Zeilen, meine Augen rasen über die Worte. Es ist tatsächlich eine Einladung, doch nicht nur irgendeine. Man will, dass ich als Zuschauerin an einem Turnier des Königreiches teilnehme, und das schon heute Nachmittag.

Mein Kopf hebt sich, und ich sehe den Gardisten an. "Warum soll ich dabei sein?" frage ich, die Verwirrung in meiner Stimme nicht verbergend. Der Gardist lächelt schwach.

"Seine Hoheit, der Kronprinz, hat Ihre Tapferkeit bemerkt und wünscht, dass Sie dem Turnier beiwohnen," erklärt er. "Es ist eine große Ehre, und er hofft, dass Sie annehmen."

Mein Onkel legt eine Hand auf meine Schulter, seine Augen spiegeln sowohl Stolz als auch Besorgnis wider. "Es scheint, dass deine Taten gestern Nacht nicht unbemerkt geblieben sind," sagt er sanft.

Ich nicke langsam.. Der Brief in meiner Hand fühlt sich plötzlich schwerer an, die Bedeutung dahinter sinkt ein. "Das Turnier ist schon heute Nachmittag," murmle ich und sehe meinen Onkel an, der mir beruhigend zunickt.

Der Gardist verneigt sich leicht. "Wir erwarten Ihre Antwort, Valerie," sagt er und macht Anstalten zu gehen. "Es wäre eine Ehre, Sie dort zu sehen."

Ich beobachte, wie er den Raum verlässt, sein Gang stolz und sicher. Die Tür schließt sich hinter ihm, und eine stille Anspannung bleibt im Raum zurück. Mein Onkel und ich stehen noch einen Moment schweigend da, bevor ich mich setze und den Brief erneut lese, die Worte tief in mein Gedächtnis einbrennend.

"Was wirst du tun?" fragt mein Onkel schließlich, seine Stimme voller Sorge und Fürsorge.

Ich schaue auf das Papier, das so viel mehr als nur eine Einladung ist. "Ich weiß es nicht," antworte ich ehrlich. "Aber ich werde eine Entscheidung treffen müssen. Und zwar bald."

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Es sind ein paar Stunden vergangen. Ich habe mich entschieden. Der Gardist war noch einmal da und hatte sich nach meiner Entscheidung erkundigt. Jetzt stehe ich vor meinem Kleiderschrank, die Türen weit geöffnet, und starre auf die wenigen Kleidungsstücke, die ich besitze.

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