Kapitel 2

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Der Morgen bricht an, doch die Sonne bringt mir keine Wärme. Ich habe kaum geschlafen, die Gedanken an Jason und den schwarzen Brief haben mich die ganze Nacht wachgehalten. Das Essen gestern Abend habe ich kaum angerührt, der Geschmack von Verzweiflung und Angst lag schwer auf meiner Zunge.

Mein Blick fällt auf das Tablett aus Holz, das meine Mutter in meine Kammer trägt. Ein typisches Bauernfrühstück breitet sich darauf aus, liebevoll arrangiert und doch kann ich keinen Appetit verspüren. Ich sehe das knusprige Brot, den herzhaften Käse, das frische Obst und das dampfende Ei, aber alles erscheint mir so fern und unwirklich, als ob ich in einem Traum gefangen bin.

Meine Gedanken wandern zurück zu Jason, zu seinem Kuss, der die Barrieren zwischen uns für einen flüchtigen Moment niedergerissen hat. Doch jetzt gibt es keine Möglichkeit mehr, diese unausgesprochenen Gefühle zu erkunden, keine Möglichkeit mehr, die Worte auszusprechen, die schon so lange zwischen uns liegen.

Und dann trifft mich die Erkenntnis wie ein kalter Schlag ins Gesicht: Jason weiß von meiner Magie. Er weiß, was ich bin. Es ist, als ob eine unsichtbare Hand mein Herz umklammert, es zudrückt, bis der Schmerz kaum noch zu ertragen ist. Ich spüre die Angst in meinen Knochen, die Angst davor, was das bedeutet – für mich, für ihn, für uns. In mir brodelt die Kraft, die der König so sehr fürchtet, die Macht, die dieser Krieg zu vernichten sucht. Menschen wie ich sind der Grund, warum so viele unschuldige Leben geopfert werden. Und jetzt... jetzt ist Jason in diese Dunkelheit hineingezogen worden, einfach weil er mich liebt, weil er die Wahrheit kennt.Die Vorstellung, dass er gerade in einem Schützengraben liegt, den Dreck unter den Fingernägeln, die Kälte, die sich in seinen Körper frisst, lässt mein Herz schier zerbrechen. Mein Atem stockt bei dem Gedanken, dass er dort draußen ist, umgeben von Tod und Verzweiflung, und all das wegen mir. Ich klammere mich an die vage Hoffnung, dass seine Fähigkeiten ihn vielleicht beim Versorgungstrupp untergebracht haben, dass er wenigstens ein klein wenig sicherer ist. Doch selbst diese Hoffnung ist so dünn, so zerbrechlich, dass sie mir kaum Trost spendet.


Die Angst ist allgegenwärtig, sie sitzt wie ein schwerer Mantel auf meinen Schultern, lässt mich kaum atmen. Ich hasse es, dass er sein Leben für mich riskiert. Der Gedanke, dass er sterben könnte, weil er mich kennt, weil er mich liebt, zerreißt mich innerlich. Was, wenn ich die Ursache für sein Ende bin? Diese Möglichkeit, dieser unaussprechliche Gedanke, gräbt sich tief in mein Inneres, lässt mich nicht los. Es fühlt sich an, als würde ich langsam von innen heraus zerfallen, weil die Schuld und die Angst mich erdrücken.

Meine Mutter sieht mich mit liebevollen Augen an und drückt sanft meine Hand. "Valerie, Liebes, ich weiß, dass du im Moment viel durchmachst. Aber bitte, versuche wenigstens ein bisschen zu essen. Es wird dir helfen, gestärkt zu bleiben, während du diesen schweren Weg gehst."

Ein zögerliches Nicken ist alles, was ich ihr als Antwort geben kann, und ich nehme widerstrebend einen kleinen Bissen von dem köstlich aussehenden Essen auf dem Tablett. Der Geschmack explodiert auf meiner Zunge, aber die Freude, die ich normalerweise empfinden würde, bleibt aus. Stattdessen fühle ich mich leer, als ob das Essen meine Sorgen nicht vertreiben könnte.

Meine Mutter legt sanft ihre Hand auf meine Schulter und sieht mich mitfühlend an. "Ich weiß, Liebes, dass dein Appetit nicht der Beste ist. Aber du musst stark bleiben, für dich selbst und für Jason. Essen ist nicht nur Nahrung für deinen Körper, sondern auch für deine Seele."

Die Tränen steigen mir erneut in die Augen, und ich kann den Kummer, der in meiner Brust brodelt, kaum zurückhalten. "Es ist alles so unfair, Mutter", flüstere ich, meine Stimme kaum mehr als ein Hauch.

"Warum muss das alles passieren? Warum müssen wir uns diesem Krieg stellen, diesem Kampf, der uns auseinanderzureißen droht?"

Meine Mutter zieht mich in ihre Arme, und ich lehne mich dankbar an sie, meine Tränen in ihrem warmen Umarmung verbergend. "Das Leben ist manchmal unergründlich, Valerie", antwortet sie leise, ihr Atem sanft in meinem Haar. "Es wirft uns Prüfungen und Herausforderungen entgegen, die wir nicht verstehen können. Aber ich glaube fest daran, dass alles einen Sinn hat, dass das Universum uns auf eine Reise schickt, die uns stärker macht, die uns lehrt, wer wir wirklich sind."

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