Kapitel 6

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Der Hof verstummt, als ob die Welt selbst den Atem anhielte. Das Zwitschern der Vögel verstummt, und selbst der Wind scheint verschwunden zu sein. Die Spannung ist greifbar, eine unsichtbare Mauer zwischen uns, die durch die Intensität seines Blicks durchbrochen wird. Niemand wagt es, ein Wort zu sprechen, während der Prinz und ich in diesem stummen Duell der Blicke verharren.

Langsam hebt er seine Hand, als wolle er mich zu sich heraufziehen. In seinen Augen liegt eine unausgesprochene Frage, eine Bitte vielleicht. Mein Herz schlägt schneller, während ich versuche, in diesem Moment Klarheit zu finden. 

Dann löst sich der Prinz von der Brüstung, dreht sich abrupt um und verschwindet.

Mein Onkel kommt plötzlich angelaufen, seine Schritte hastig und entschlossen. "Was hast du getan?" zischt er und packt mich am Arm, zieht mich aus meiner Starre. Ohne ein weiteres Wort zerrt er mich von der Turnierarena weg, seine Finger fest um mein Handgelenk geklammert.

"Onkel, warte!" versuche ich ihn zu beruhigen, während wir uns durch die Menge drängen. "Niemand hat etwas bemerkt, ich schwöre es. Ich habe den Pfeil nur für mich verlangsamt, es hat sonst niemand gesehen."

Er bleibt abrupt stehen und dreht sich zu mir um, seine Augen funkeln vor Wut. "Du hast deine Magie benutzt, um den Prinzen zu retten! Weißt du, was das bedeutet, wenn jemand davon erfährt?" Seine Stimme ist ein gefährliches Flüstern, das nur ich hören kann, aber es trägt die Schwere eines Donnerschlags.

"Onkel, bitte. Ich musste es tun. Der Pfeil hätte ihn getötet, und ich konnte nicht einfach zusehen." Meine Stimme zittert, doch ich versuche, ruhig zu bleiben. "Es war zu schnell, niemand konnte es bemerken. Wir sind sicher."

Sein Griff lockert sich ein wenig, doch die Wut in seinen Augen bleibt. "Du spielst mit dem Feuer, Valerie. Deine Kräfte sind ein Geheimnis, das nie ans Licht kommen darf. Wenn der König oder seine Spione davon erfahren, wird das Konsequenzen haben, die du dir nicht vorstellen kannst."

"Ich verstehe das, aber es war der Prinz! Hättest du zugesehen, wie er stirbt?" Meine Stimme erhebt sich, die aufgestaute Frustration und Angst brechen hervor. "Ich konnte nicht einfach nichts tun!"

"Das ist nicht der Punkt, Valerie!" Seine Stimme wird ebenfalls lauter, und einige neugierige Blicke richten sich auf uns. "Es geht nicht darum, ob es richtig oder falsch war. Es geht darum, dass du unsere gesamte Familie in Gefahr bringst. Deine Magie ist ein Risiko, ein Risiko, das wir uns nicht leisten können."

"Ich bin kein Risiko!" schreie ich zurück, meine Wut über seine Ungerechtigkeit kocht über. "Ich habe Kontrolle über meine Kräfte, und ich habe sie benutzt, um jemanden zu retten. Das war keine Gefahr, das war ein Akt der Gnade!"

"Ein Akt der Gnade kann uns alle ins Grab bringen!" faucht er, seine Hände ballen sich zu Fäusten. "Du denkst, weil du stark bist, kannst du die Regeln ignorieren? Die Welt funktioniert nicht so, Valerie. Es gibt Konsequenzen für jedes Handeln, und du bist noch zu naiv, um das zu verstehen."

"Naiv?" Ich spüre, wie Tränen der Wut in meinen Augen brennen. "Ich verstehe mehr, als du glaubst. Ich verstehe, dass ich etwas Besonderes bin, und ich werde nicht zulassen, dass du oder irgendjemand anderes mich klein hält. Ich habe das Richtige getan, und das weißt du tief in deinem Herzen."

Er starrt mich an, seine Atmung schwer. Dann dreht er sich abrupt um und marschiert davon, mich stehen lassend, meine Hände zittern vor aufgestauter Emotion.

"Das ist noch nicht vorbei," murmle ich leise, mehr zu mir selbst als zu ihm. "Das ist erst der Anfang."

Die letzten Worte hallen in meiner Kehle nach, während ich dort stehe, von gemischten Gefühlen überwältigt. Die Szene auf der Turnierarena spielt sich immer wieder in meinem Kopf ab – der Pfeil, der unerbittlich auf den Prinzen zusteuerte, mein Instinkt, der mich zwang zu handeln. Aber jetzt ist da auch die bittere Realität, dass meine Handlung nicht nur Lob, sondern auch Gefahr mit sich bringt.

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