Schlager und Versager

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Rosalin saß in einer Ecke des großzügigen Wohnzimmers und beobachtete die Menge der Gäste, die sich im Raum verteilten. Die Luft war erfüllt von einer Mischung aus schalem, Biergeruch und der schwer erträglichen Musik, die Sven, der Gastgeber, so leidenschaftlich liebte. Schlager. Sie war eigentlich nur hier, weil ihre beste Freundin Mia sie dazu überredet hatte. „Es wird sicher lustig!", hatte Mia versprochen, ohne zu ahnen, dass Sven ein Faible für eine Musikrichtung hatte, die die meisten der anwesenden Gäste eher als Folter denn als Unterhaltung empfanden. Sven selbst tanzte ausgelassen in der Mitte des Raumes, sein Gesicht vor Begeisterung strahlend. Rosi konnte nicht anders, als ein wenig Mitleid für ihn zu empfinden. Er war offensichtlich bemüht, eine gute Zeit zu haben und seinen Gästen eine gute Zeit zu bieten, doch die gelangweilten Blicke und das gedämpfte Gemurmel um sie herum sprachen eine andere Sprache. Ihre Augen wanderten zu Mia, die verzweifelt versuchte, ein Gespräch mit einem Typen im Fußballtrikot zu führen. Anscheinend lief es nicht gut, denn auch er schielte immer wieder genervt zur Musikanlage, von der die monotonen Klänge ausgingen. „Hey, Rosi!", rief Sven plötzlich und winkte sie zu sich. Sie lächelte höflich und stand auf, schlängelte sich durch die Menge zu ihm. „Du siehst aus, als ob du dich amüsieren würdest", sagte er und hielt ihr ein Glas mit einer leuchtend roten Flüssigkeit hin. „Danke", murmelte sie und nahm das Glas, schnupperte daran. Es roch süßlich, wahrscheinlich irgendein billiger Mixdrink. „Es ist eine interessante Party." „Ich weiß, dass nicht alle meine Musik mögen, aber ich finde, sie bringt eine gewisse Stimmung mit sich", erklärte Sven mit einem breiten Grinsen. „Du bist doch auch ein Fan, oder?" Rosi schluckte schwer. Sie wollte ihn nicht enttäuschen, doch gleichzeitig konnte sie nicht lügen. „Nun, ich kenne nicht viel davon", gab sie vorsichtig zu. Svens Grinsen wurde nur breiter. „Dann wird es Zeit, dass du dich verliebst! In die Musik, meine ich." Er lachte, als ob er den besten Witz der Welt erzählt hätte. Rosi erwiderte das Lächeln so gut sie konnte und nahm einen Schluck von ihrem Getränk. Es brannte auf ihrer Zunge, doch sie zwang sich, es hinunterzuschlucken. Plötzlich erschien Mia an ihrer Seite, den Kerl im Fußballtrikot hinter sich lassend. „Rosi, ich glaube, ich habe meinen Traummann gefunden!", verkündete sie überschwänglich und zog sie von Sven weg, der ihnen mit einem verständnislosen Ausdruck nachsah. „Oh, wirklich?", fragte Rosi und warf einen Blick zurück zu Sven. „Ja, wirklich!", sagte Mia und kicherte. „Aber erzähl du mir erst mal, wie es dir hier geht. Siehst du, Sven hat dich ja total eingewickelt!" Rosi seufzte. „Ich weiß nicht, Mia. Diese Musik..." „Ach, komm schon", Mia legte einen Arm um ihre Schultern. "Es ist nur eine Nacht. Vielleicht gibt es ja noch eine Überraschung." Rosi konnte nur hoffen, dass Mia recht hatte. Die Nacht war noch jung, und vielleicht würde sie ja tatsächlich etwas Aufregendes oder Romantisches erleben – etwas, das diese Schlagerparty in ein unvergessliches Abenteuer verwandelte. Die Stimmung im Raum wird mit jeder Minute angespannter. Die Gäste werden zunehmend unruhig, und Rosi bemerkt, wie einige verstohlene Blicke zur Tür geworfen werden, als ob sie eine Flucht planen. Da betritt Noah den Raum. Noah ist bekannt dafür, ein furchteinflößender Typ zu sein. Groß, muskulös und mit einem Gesichtsausdruck, der selten etwas anderes als Ärger zeigt. Er bahnt sich seinen Weg durch die Menge direkt zu Sven, der gerade versucht, zwei Mädchen zum Tanzen zu animieren. „Jo, Sven", raunt Noah, seine Stimme tief und fest. Sven hält in seiner Bewegung inne und dreht sich um. „Hey, Noah! Was geht?" „Die Musik", beginnt Noah und verschränkt die Arme vor der Brust. „Niemand hier kann den Scheiß ertragen. Mach mal Techno an." Svens Gesicht verdüstert sich. „Aber... ich mag Schlager." „Interessiert niemanden", erwidert Noah schroff. „Du willst doch, dass deine Party ein Erfolg wird, oder? Dann wechsel die Musik, du Memme." Die Anspannung im Raum ist greifbar, als Sven zögert. Rosi kann nicht anders, als gespannt zuzusehen. Wird Sven nachgeben? Oder wird es zu einer Konfrontation kommen? Sven tritt einen Schritt zurück, sein Gesicht rot vor Wut. „Du hast echt keine Manieren, Noah!" „Und du keine Eier", kontert Noah lachend. Der Raum beginnt vor Spannung zu knistern, die Musik verstummt. Rosi spürt, wie sich die Atmosphäre zu einem explosiven Moment auflädt. Die anderen Gäste murmeln besorgt und ziehen sich zurück, als ob sie ein bevorstehendes Unheil ahnen. Plötzlich taucht Ben, Rosis bester Freund, aus dem Gedränge auf. Er hat die Situation sofort erfasst und greift entschlossen ein. Mit einem energischen Schritt stellt er sich zwischen Sven und Noah. „Hey, Leute, chillt doch jetzt!" Ben spricht mit einer Autorität, die seine Freunde nur zu gut kennen. Er hält seine Hände schützend vor Sven und Noah und lässt keinen Zweifel daran, dass er die Situation ernst nimmt. „Ben, das ist nicht dein Problem!", schnaubt Noah. „Doch, ist es", entgegnet Ben ruhig. „Es ist mein Problem, weil du die ganze Party ruinierst." Noah blickt Ben mit finsteren Augen an. „Das macht Sven von ganz allein." Ben ignoriert das protzige Getue des Draufgängers und wendet sich an Sven. „Sven, ich verstehe, dass das deine Party ist und du Schlager liebst, aber wir müssen einen Mittelweg finden. Du willst doch, dass alle Spaß haben, oder?" Sven nickt zögerlich. Ben dreht sich zu Noah. „Und du? Ist das deine Party?" Noah verschränkt die Arme und zieht eine skeptische Miene. „Was schlägst du vor?" Ben lächelt und schlägt vor: „Es lief die halbe Nacht Schlager, jetzt können wir die andere Hälfte doch Techno spielen, oder?" Er greift in die Menschenmasse, zieht eine Flasche Wodka hervor, die gerade noch wohlbehütet in den Armen einer Blondine lag, und hält diese beiden entgegen. Sven und Noah blicken sich an, die Zornesfalten auf ihren Stirnen beginnen sich zu glätten. Sven zuckt mit den Schultern. „Okay, das klingt fair. Ein paar Techno-Songs schaden nicht." Ben lächelt. „Köpfe nach hinten!" Der Techno beginnt durch die Boxen zu schallen, Noah und Sven recken die Köpfe zur Decke und öffnen die Münder, während Ben ihnen fleißig Wodka in die Kehlen kippt. Zufrieden klopfen sich die zwei Streitwütigen gegenseitig auf die Schultern. „Jetzt kann die Party richtig losgehen!" brüllt Noah in die Menge, die wie wild anfängt, die Hüften zum Beat zu schwingen. Ben tritt neben Rosi und grinst. „Siehst du, geht doch!" Rosi lächelt dankbar. „Du hast wie immer, Schlimmeres verhindert." Ben hebt sein Glas und prostet Rosi zu. „Auf eine gerettete Party! "Rosi lächelt und stößt mit ihm an. „Ohne dich wäre es eine Katastrophe geworden."Ihr Blick wandert zu Mia, die sich verzweifelt, angetrunken bemüht, den Typen im Fußballtrikot zu beeindrucken. Sie erzählt ihm mit großem Enthusiasmus von den neuesten Trends in der Techno-Szene, während er geduldig, aber offensichtlich genervt, zuhört. Seine Blicke verraten, dass er kaum interessiert ist, und ab und zu schweifen sie auch ab, auf den Po von anderen Mädels. „Schau dir Mia an", sagt Ben lachend. „Ich glaube nicht, dass der Typ besonders begeistert ist."Rosi kichert leise. „Ja, das sieht nicht gerade vielversprechend aus. Mia hat einfach eine unerschütterliche Entschlossenheit, wenn es um ihre ‚Eroberungen' geht."„Nun, manchmal braucht man einfach eine gesunde Portion Entschlossenheit", sagt Ben, als er Rosi einen lang anhaltenden Blick zuwirft.

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