Stürmische Zeiten

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Rosi erreicht zu Hause kaum die Türschwelle, als ihre Mutter, mit hochrotem Gesicht und wilden Gesten, auf sie zueilt. „Was hast du dir nur dabei gedacht?", ruft sie hysterisch. „Der Direktor hat mich angerufen! Eine Prügelei in der Schule? Das ist doch nicht dein Ernst!" Das Mädchen seufzt tief. „Es ist nicht so, wie du denkst, Mama..." „Ach ja? Wie war es denn?", unterbricht ihre Mutter scharf. Rosi weiß nicht mehr, was sie sagen soll. „Du hast Hausarrest. Kein Handy, kein Computer, nichts!" Mit hängendem Kopf schleppt sich das Mädchen in ihr Zimmer. Ihre Mutter folgt ihr und nimmt ihr sofort das Handy ab. „Du bleibst hier und überlegst dir, was du falsch gemacht hast", und schmeißt hinter sich die Tür zu. Rosi lässt sich aufs Bett fallen und starrt an die Decke. Ohne ihr Handy, ohne die Möglichkeit, rauszugehen, fühlt sie sich wie im Gefängnis; fehlt nur noch, dass sie kein Bier mehr trinken darf. Minuten vergehen quälend langsam. (Na ja... Wenigstens habe ich noch meinen Laptop) Denk sie und öffnet ihn. "Was? Ein Passwort!" Ihre Mutter hat anscheinend ein Passwort hinterlegt, jetzt kann sie nicht mal mehr mit Mia chatten. "So ein Scheiß!" Brummt sie laut, knallt den Deckel zu und schiebt das unnütze Ding unter ihr Bett. Rosi überlegt fieberhaft, wie sie Kontakt zur Außenwelt aufnehmen kann. Plötzlich erinnert sie sich an das Notfallhandy, das ihre Mutter immer in der Küche liegen hat. Leise öffnet sie ihre Zimmertür und späht den Flur entlang. Alles ist still, bis auf das leise Lachen ihrer Mutter, das aus dem Wohnzimmer dringt. Mit klopfendem Herzen schleicht sie sich hinaus. Jeder Schritt auf dem Holzfußboden scheint in der Stille viel zu laut. Sie nähert sich vorsichtig dem Wohnzimmer und wirft einen Blick hinein. Ihre Mutter sitzt auf dem Sofa, den Blick fest auf den Fernseher gerichtet, wo gerade eine Folge von „Model sucht Superman" läuft. Ihr Lachen erfüllt den Raum, und Rosi weiß, dass sie jetzt ihre Chance nutzen muss. Sie gleitet durch den Flur und erreicht die Küche. Das Notfallhandy liegt, wie erwartet, in der Schublade zwischen Küchengummis und Schere. Mit zitternden Händen greift sie danach und eilt so leise wie möglich zurück in ihr Zimmer. Die Tür schließt sie nur sehr langsam und achtsam hinter sich zu, jetzt atmet sie erleichtert auf. Schnell schaltet Rosi das Handy ein. (Hoffentlich hat es kein Passwort!) denkt sie sich. "Ja, Nice!" jubelt sie, während das Handy startet. "Kein Passwort, kein Problem", flüstert sie gespannt auf dem Homescreen und tippt eine Nachricht an Mia: „Hab ein Notfallhandy. Bist du wach?" Mia antwortet sofort: „Ja, was geht?" „Langweile und eingesperrt", schreibt Rosi zurück. „Meine Mutter hat mir alles weggenommen. Hast du etwas von Noah gehört?" „Nein, aber das ist auch gut so", tippt Mia. „Ich habe die Schnauze voll, habe auch Hausarrest, meine Eltern sind total ausgerastet."„Lass uns skypen", schlägt Rosi vor, und bald darauf erscheinen sie auf dem Bildschirm. „Wie fühlst du dich?", fragt sie mit besorgtem Blick. „Eingesperrt. Wütend", antwortet Mia ehrlich. „Wir müssen einen Weg finden, uns abzulenken“, erwidert Rosi. "Bald steht die Abschlussfeier bevor." "Ja, nur noch eine Woche Hausarrest und wir können entspannt feiern" kichert Mia.

In der Schule scheint das peinliche Video von Rosi, Mia und Noah längst vergessen zu sein. Nur vereinzelte Schüler kichern immer noch ab und zu hinter vorgehaltener Hand. Der Grund für neues Gelächter ist ein anderes Video, das die Runde macht. In dem neuen Video sieht man Noah, wie er wagemutig mit einem Skateboard über ein Polizeiauto fährt. Die Szene ist dramatisch und fesselnd. Die Polizei setzt sofort zur Verfolgung an, und es folgt eine wilde Jagd durch die Straßen, die schließlich an einem Brunnen endet. Noah stürzt hinein und man kann sehen, wie die Polizisten ihn herausziehen - nackt, nass und völlig neben der Spur. Seine Kleidung ist überall verteilt, was die Situation noch skurriler und komischer macht. Die Schüler können nicht aufhören, darüber zu reden. „Hast du das Video von Noah gesehen?", fragt einer lachend. „Wie konnte er nur so dumm sein?“ Selbst diejenigen, die Noah normalerweise fürchten, können sich ein Lachen nicht verkneifen. Für die drei Freunde ist es eine Erleichterung, dass die Aufmerksamkeit sich von ihnen wegbewegt hat. Doch Rosi kann nicht umhin, sich zu fragen, ob es Noah gut geht; ist er ihr etwa doch sympathisch?

"Heute ist der Abschlussball." Grölt Mia durch das Telefon. Die drei bereiten sich aufgeregt vor. Mia wählt ein schimmerndes, rotes Kleid, das ihre Figur betont, Ben entscheidet sich für einen eleganten Anzug, und Rosi trägt ein traumhaftes, blaues Kleid, das ihre Augen zum Leuchten bringt. Als sie fertig sind, bewundern sie sich gegenseitig im Spiegel. "Ihr seht fantastisch aus!", ruft Rosis Mutter begeistert. "Das wird ein unvergesslicher Abend, versprochen." Sie verabschiedet sich an der Tür mit einem Lächeln. "Habt viel Spaß und passt auf euch auf", bevor sie ihnen nachwinkt. Mit Bens Auto machen sich die Freunde auf den Weg zum Abschlussfest. Mia sitzt auf dem Beifahrersitz und dreht sich zu Rosi um, die auf der Rückbank Platz genommen hat. „Na, Prinzessin, bist du bereit für Noah?“, fragt Mia lachend. Rosi wird rot und verdreht die Augen. „Mia, hör auf. Ich kann den nicht leiden!" Ben, der am Steuer sitzt, lacht und wirft einen Blick in den Rückspiegel. „Klar, und deshalb hast du dich so hübsch gemacht.“ „Lass sie in Ruhe", sagt Mia, aber sie kann das Kichern nicht unterdrücken. Rosi seufzt. „Ihr seid unmöglich.“ „Ach komm, ein bisschen Spaß muss sein", meint Ben und schaltet das Radio ein. Techno erklingt, und Mia fängt sofort an, im Sitz hin und her zu wackeln. Rosi schüttelt den Kopf, kann sich aber ein Lächeln nicht verkneifen. Ben beschleunigt, und sie fahren an den leuchtenden Lichtern der Stadt vorbei. „Wer wird wohl kein Zeugnis bekommen?“, fragt Ben neugierig. „Hoffentlich Noah“, sagt Rosi sofort. "Sitzen bleiben würde seinem kindischen Kopf nicht schaden" Mia lacht. „Keine Sorge" Plötzlich überschlägt sich das Auto. Ein heftiger Schlag reißt es von der Straße, und das Fahrzeug landet mit einem ohrenbetäubenden Krachen auf dem Dach. Metall kreischt, Glas splittert, und alles dreht sich in einem Albtraum aus Chaos und Schmerz. Rosi wird heftig gegen ihren Sicherheitsgurt gedrückt und spürt den Aufprall, der ihr die Luft aus den Lungen presst. Ihr Kopf schlägt gegen die Scheibe, und für einen Moment wird alles schwarz. Als sie wieder zu sich kommt, hängt sie kopfüber in ihrem Sitz. Blut tropft von einer Wunde an ihrer Stirn und vermischt sich mit den Splittern der zerbrochenen Scheiben. „Ben? Mia?" Ihre Stimme ist schwach und zittrig, aber es kommt keine Antwort. Ben und Mia hängen bewusstlos in ihren Sitzen, bewegungslos und blass. Panik umhüllt Rosi, doch dann hört sie Schritte. Jemand nähert sich dem Auto. Durch die zersplitterten Scheiben kann sie eine verschwommene Gestalt erkennen, die sich nähert. Ihr Herz schlägt wild, als sie auf die Springerstiefel schaut. . „Wer... wer ist da?" flüstert sie, von Schmerzen geplagt, doch ihre Stimme ist kaum hörbar. Sie versucht, sich zu bewegen, aber ihr Körper tut bei jeder Anstrengung weh. Plötzlich wird ihr erneut schwarz vor Augen, und sie verliert das Bewusstsein. Als sie wieder erwacht, ist alles anders. Rosi liegt auf einem kalten, harten Boden. Dunkelheit umgibt sie, und ein eisiger Wind zieht durch den Raum. Ihre Hände sind fest hinter ihrem Rücken verbunden, und sie kann sich kaum rühren. Panik steigt auf, als sie versucht, sich zu orientieren. „Ben, Mia?", flüstert sie hektisch, ihre Stimme zittert vor Angst. Sie hört nur das Echo ihrer eigenen Worte. Kein Licht, keine Geräusche außer ihrem eigenen Atem und dem gelegentlichen Tropfen von Wasser in der Ferne. Ihr Kopf dröhnt, und die Erinnerung an den Unfall und die unheimliche Gestalt lässt ihre Gedanken rasen. Wer hat sie hierher gebracht? Und was ist mit Ben und Mia? Sie strengt ihre Augen an, doch die Dunkelheit bleibt undurchdringlich. Sie kämpft gegen die Fesseln, aber sie sind zu fest. Verzweiflung droht, sie zu überwältigen, aber sie zwingt sich, ruhig zu bleiben. „Hilfe", murmelt sie zu sich selbst. „Was ist hier los?" Sie hört Schritte in der Ferne und hält den Atem an. Wer auch immer sie entführt hat, scheint zurückzukehren.

Shut UpWo Geschichten leben. Entdecke jetzt