Kammer des Schreckens

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Rosi wird von der brutalen Kraft des Mannes mit den großen Händen an ihren Armfesseln durch finstere Gänge gezerrt. Die Dunkelheit ihrer Augenbinde verstärkt die Panik, die in ihrem Inneren tobt. Der Boden unter ihren Füßen ist hart und kalt, und sie stolpert immer wieder, während sie sich vorwärtsschleppen muss. Der Mann schweigt, seine Schritte sind schwer und entschlossen. Die einzige Orientierung, die sie hat, sind die Geräusche der hallenden Schritte. Plötzlich wird sie gestoppt und grob auf einen harten Gegenstand gesetzt. Die Kälte kriecht durch ihre dünne Kleidung und sie zittert unkontrolliert. "Ist dir kalt? Ich hole dir gleich eine Decke, OK?" Sie nickt. In einer groben Bewegung schneidet der Type die Fesseln um ihre Handgelenke ab. Die Seile fallen schlaff zu Boden, und der Schmerz in ihren Händen wird durch die plötzliche Freiheit noch intensiver. Bevor sie reagieren kann, hört sie, wie der Mann sich entfernt und eine schwere Tür hinter ihm ins Schloss fällt. Rosi reißt sich die Augenbinde ab, die mit viel Klebeband befestigt wurde und blinzelt in das grelle Licht. Sie befindet sich in einem komplett weißen Raum, der eine gespenstische Reinheit ausstrahlt. Die Wände, der Boden und sogar die Möbel sind in klinischem Weiß gehalten. Vor ihr steht ein schlichter weißer Tisch, daneben ein ebenso weißes Bett. Die Einöde des Raumes ist erschreckend, als ob sie in eine unendliche Leere gestarrt hätte. Auf dem Bett liegt ein ordentlich zusammengefalteter OP-Kittel, dessen türkise Farbe im blendenden Licht hervorsticht. Rosi schluckt schwer, der Anblick dieses Kittels ist gespenstisch. Sie wendet sich dem Tisch zu, auf dem ein Tablett mit saftigen Hühnerschenkeln, Kartoffeln, Soße und Brokkoli steht und eine Kanne Wasser mit einer Zitrone und einem Glas daneben. Der Geruch von warmem Essen erreicht ihre Nase, und ihr Magen knurrt laut, doch die Furcht, dass das Essen vergiftet sein könnte, hält Rosi davon ab, es anzurühren. An einer der Wände hängt ein großer Spiegel, der fast die gesamte Fläche der Wand einnimmt. Das Mädchen erkennt schnell, dass es sich um einen einseitigen Spiegel handelt, hinter dem sich vermutlich der Type verbirgt und sie beobachtet. Über dem Spiegel hängt ein Lautsprecher und eine Kamera an der Decke. Plötzlich knistert der Lautsprecher und die dunkle, raue Stimme des Mannes dringt in den Raum. „Iss was, dann wird es dir besser gehen“. Rosi erstarrt, ihre Wut und Verzweiflung steigen in ihr auf. „Ich werde gar nichts davon anfassen!“ ruft sie trotzig. Ihr Magen knurrt erneut, aber sie bleibt standhaft. Die Vorstellung, vergiftet oder wie eine Laborratte gehalten zu werden, ist unerträglich. In einem Anfall von Zorn greift sie den Teller und schleudert ihn gegen den großen Spiegel. Das Porzellan zersplittert mit einem lauten Knall, und Scherben prasseln zu Boden. Das Hühnchen samt der Soße bleibt am Spiegel fest kleben und rutschen langsam mit einer fettigen Schlieren runter. Der Lautsprecher knistert erneut, mit einem höhnischen Unterton lacht er. „Dann verhungere halt. Das hier ist vorerst dein Zimmer. Gewöhn dich dran.“ Rosi sinkt auf den Stuhl zurück, sie starrt auf die Scherben des Tellers, ihre Tränen fließen ungehindert. Was will dieser Mann von ihr? Wo sind Ben und Mia? Die Ungewissheit zermürbt sie, und sie fühlt sich völlig hilflos. Stunden vergehen, und Rosi sitzt zusammengesunken auf dem Stuhl, unfähig, ihre Lage zu begreifen. Die unheimliche Stille des Raumes wird nur durch das gelegentliche Knarren der Wände und das Summen der Kamera unterbrochen. Sie kämpft gegen die körperliche Erschöpfung an. Die Zeit verliert ihre Bedeutung, und sie kann nicht sagen, wie lange sie dort gesessen hat, als sie plötzlich ein leises Klopfen an der Tür hört. Ihr Herz schlägt schneller und sie richtet sich auf, in der Hoffnung, dass es eine Rettung sein könnte. Doch die Tür bleibt verschlossen, und das Klopfen verstummt. Die Hoffnung schwindet erneut, und sie sinkt in sich zusammen, unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen. Plötzlich hört sie wieder die Stimme des Mannes aus dem Lautsprecher. „Das Bett gehört dir“, sagt er friedlich, "bist du nicht müde?“. Rosi schüttelt den Kopf, sie schließt die Augen und versucht, an etwas Positives zu denken, doch die Angst lässt sie nicht los. Ihre Gedanken kehren immer wieder zu Ben und Mia zurück. Lebe sie noch? Sind sie auch gefangen? Die Ungewissheit ist unerträglich, und die Einsamkeit drückt schwer auf ihre Seele. Sie fühlt sich, als würde sie in einem endlosen Albtraum gefangen sein. Rosi liegt auf dem kalten Boden, zusammengekauert und erschöpft. Ihre Augenlider werden schwer. Das Licht geht aus und die Dunkelheit verschlingt sie. In einem Zustand zwischen Schlaf und Bewusstlosigkeit versucht ihr Verstand, dem endlosen Albtraum zu entfliehen. Doch die Kälte des Bodens und die Erschöpfung ihrer Glieder ziehen sie immer tiefer in den Abgrund. Als sie schließlich die Augen öffnet, findet sie sich im Bett wieder; ihre Hände und Füße sind festgebunden. Der Schock durchzuckt sie wie ein elektrischer Schlag. Ihr Herz pocht wild und ihre Atmung wird schnell und flach. Plötzlich ertönt der Lautsprecher. „Ah, du bist wach" flüstert die unheimliche Stimme des Typen "Gut geschlafen?“, bevor der Lautsprecher wieder verstummt. Rosi schreit aus voller Kehle, ein Schrei, der von den weißen Wänden ihres Gefängnisses zurückgeworfen wird und in der Stille verhallt. "Tut mir leid, dich kann keiner hören, kleines Mäuschen" Die Tür öffnet sich und der Mann tritt ein. Sein Gesicht bleibt verborgen hinter einer Maske, doch seine Augen schimmern in einem Smaragden-Grün, gepaart mit vereinzelt goldenen Tupfern. Er tritt ans Bett und zieht eine Spritze hervor, die mit einer durchsichtigen Flüssigkeit gefüllt ist. „Gegen die Angst“, murmelt er und injiziert die Flüssigkeit in Rosis Vene. Ein benebelndes Gefühl überkommt sie. Ihre Glieder werden schwer und ihre Gedanken beginnen zu verschwimmen. Die Welt um sie herum bewegt sich in Zeitlupe. Der Mann löst die Fesseln und hebt sie mühelos auf seine Schulter. Sie versucht, sich zu wehren, doch ihr Körper gehorcht ihr nicht mehr. Die Wirkung des Medikaments ist zu stark. Er trägt sie zum Tisch und setzt sie auf einen Stuhl. Vor ihr steht wieder ein Tablett mit Essen, diesmal ist es Milchreis mit frischen Himbeeren und einem Glas Kakao. Sie schaut zum Spiegel, dieser ist ordentlich und makellos, als wäre der zerstörte Teller nie dagewesen. „Iss jetzt, dein Körper braucht das“ befiehlt der Mann und setzt sich ihr gegenüber, "Wenn ich wollte, dass du stirbst, dann wärst du doch schon tot." Sein Blick ist durchdringend. Rosi gefallen seine Augen, sie sehen sehr freundlich und nett aus, den Rest kann sie nicht sehen. Sie starrt ihn an und weigert sich zu essen. Trotz ihrer Schwäche und der lähmenden Angst in ihrem Inneren sammelt sie all ihren Mut und spuckt ihm ins Gesicht. Die Flüssigkeit trifft ihn und läuft über seine Maske. Einen Moment lang herrscht absolute Stille. Dann wischt er langsam das Gesicht mit seinem Ärmel ab, seine Augen verengen sich. „Ich kann verstehen, dass du sauer bist“, zischt er und steht auf. Er greift nach Rosis Arm und zieht sie grob vom Stuhl. Ihre Beine geben unter ihr nach, und sie stürzt auf den Boden. Doch der Mann hebt sie wieder hoch und schleppt sie zurück zum Bett. Ihre Gedanken wirbeln chaotisch durcheinander, während sie gegen das Gefühl der Ohnmacht ankämpft. Er schnallt sie wieder an das Bett fest, diesmal noch fester als zuvor. „Ich habe Geduld“, sagt er leise, „aber auch meine Geduld hat Grenzen. Du wirst essen, und du wirst gehorchen.“ Mit diesen Worten verlässt er den Raum und schließt die Tür hinter sich. Rosalin bleibt allein zurück, die Tränen der Verzweiflung laufen unaufhörlich. Ihr Körper fühlt sich an, als wäre er aus Blei, und ihre Gedanken sind von der Droge benebelt. Sie starrt zur Decke, unfähig zu glauben, dass dies ihre neue Realität ist. Der Schmerz in ihren Handgelenken und Knöcheln wird immer intensiver, je mehr sie sich gegen die Fesseln wehrt.

Shut UpWo Geschichten leben. Entdecke jetzt