Das ungewollte Geschenk

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Die Tage im Schloss vergingen, und Yuka versuchte, sich mit der neuen Normalität zu arrangieren. Aoi blieb stets an seiner Seite, so als wäre sie ein fester Teil seines Lebens geworden. Ihre Hingabe und Fürsorge waren offensichtlich, doch es gab etwas, das Yuka zunehmend belastete: Aois unermüdliches Angebot, ihm ihr Blut zu geben.

Es begann an einem Abend, als sie zusammen in der Bibliothek saßen. Die flackernden Kerzen warfen tanzende Schatten an die Wände, während Yuka ein altes Buch über die Geschichte seines Volkes las. Aoi saß ihm gegenüber, ihre Augen voller Zuneigung auf ihn gerichtet. Sie wartete geduldig, bis er das Kapitel beendet hatte, bevor sie sanft seine Hand berührte.

„Yuka," begann sie, ihre Stimme zärtlich und zugleich fest. „Du hast in letzter Zeit so oft nach Blut verlangt, und ich sehe, wie es dich quält. Warum nimmst du nicht einfach meins? Es würde mir nichts ausmachen, wirklich nicht."

Yuka sah von seinem Buch auf und erwiderte ihren Blick. Es war nicht das erste Mal, dass sie ihm dieses Angebot machte, aber jedes Mal fühlte es sich für ihn falsch an. „Aoi," sagte er mit einem Seufzen, „ich weiß deine Großzügigkeit zu schätzen, aber es... es fühlt sich einfach nicht richtig an."

Aoi runzelte die Stirn und zog ihre Hand zurück. „Warum? Ich möchte dir helfen, Yuka. Wenn es dir besser geht, wenn du mein Blut trinkst, warum sollte das dann falsch sein?"

Yuka schloss das Buch und legte es zur Seite. Er stand auf und ging langsam zur Fensterbank, wo er hinaus in die dunkle Nacht blickte. Die Sterne funkelten am Himmel, doch er fühlte sich von ihnen weit entfernt, als ob sie in einer anderen Welt existierten. „Es geht nicht darum, dass ich es nicht will. Es geht darum, was es bedeutet."

„Was meinst du damit?" Aoi stand ebenfalls auf und trat zu ihm, ihre Augen suchten nach einer Antwort in seinem Gesicht.

Yuka zögerte, bevor er antwortete. „Blut ist... mehr als nur Nahrung für uns Vampire. Es ist ein tiefes Band, ein Ausdruck von Vertrauen und... Intimität. Wenn ich dein Blut trinke, binde ich mich auf eine Weise an dich, die mehr ist als nur körperlich."

Aoi trat einen Schritt näher, und ihre Stimme war nun sanfter, fast flehend. „Aber Yuka, ich vertraue dir. Ich will dieses Band mit dir, ich will dir so nah sein, wie es nur geht."

Yuka wandte den Blick ab und starrte wieder in die Dunkelheit hinaus. „Und genau das ist das Problem, Aoi. Du verdienst jemanden, der diese Gefühle erwidert, der genauso empfindet wie du. Ich..." Er hielt inne, unsicher, wie er seine Gedanken in Worte fassen sollte. „Ich empfinde nicht dasselbe. Nicht auf diese Weise."

Aois Gesicht zeigte einen Anflug von Schmerz, aber sie verbarg es schnell hinter einem sanften Lächeln. „Es ist in Ordnung, Yuka. Ich erwarte nichts von dir. Es reicht mir, dir helfen zu können, wenn du es brauchst."

Yuka spürte den Knoten in seinem Magen, der sich bei ihren Worten zusammenzog. „Aber das ist es ja, Aoi. Ich möchte nicht, dass du dich selbst aufopferst, nur um mir zu helfen. Es wäre falsch von mir, das anzunehmen, wenn ich weiß, dass ich dir nicht das Gleiche zurückgeben kann."

Aoi schwieg einen Moment, bevor sie leise fragte: „Würdest du mich denn verletzen, wenn du mein Blut trinkst?"

Yuka schüttelte den Kopf. „Nicht körperlich. Aber es könnte dich emotional verletzen. Du würdest hoffen, dass ich meine Gefühle ändere, doch das ist nicht fair."

Aoi seufzte und trat einen Schritt zurück. „Ich verstehe," sagte sie leise. „Aber ich werde mein Angebot nicht zurückziehen, Yuka. Falls du dich jemals anders entscheidest, ich werde da sein."

Yuka drehte sich zu ihr um und sah sie an, seine Augen voller Ernsthaftigkeit. „Ich schätze dein Vertrauen, Aoi. Aber ich bitte dich, verstehe meine Zurückhaltung. Es ist nicht gegen dich gerichtet. Es ist etwas, das in mir selbst liegt."

Aoi nickte langsam, obwohl ihre Augen einen Anflug von Traurigkeit zeigten. „Ich verstehe. Du bist ehrlich zu mir, und das respektiere ich. Aber Yuka, bitte vergiss nicht, dass ich hier bin, wenn du mich brauchst. Ich werde immer an deiner Seite sein."

Yuka legte ihr sanft eine Hand auf die Schulter und lächelte schwach. „Danke, Aoi. Deine Unterstützung bedeutet mir viel, mehr als du vielleicht ahnst. Aber bitte, gib dir selbst auch Raum. Du musst nicht alles für mich opfern."

Aoi lächelte tapfer zurück, doch es war offensichtlich, dass sie die Distanz, die Yuka zwischen ihnen hielt, schmerzte. „Ich werde es versuchen," sagte sie schließlich. „Aber es fällt mir schwer, Yuka. Du bedeutest mir so viel."

Yuka seufzte leise und ließ seine Hand von ihrer Schulter gleiten. „Ich weiß, Aoi. Und genau deshalb will ich nicht, dass du deinetwegen leidest."

Sie nickte erneut, dann drehte sie sich um und verließ den Raum, ohne ein weiteres Wort zu sagen. Yuka blieb allein zurück, seine Gedanken wirr und sein Herz schwer. Er wusste, dass er Aoi nicht so nah an sich heranlassen konnte, wie sie es sich wünschte, aber es tat ihm weh zu sehen, wie sie darunter litt.

Mit einem tiefen Atemzug setzte sich Yuka auf die Fensterbank und blickte erneut hinaus in die dunkle Nacht. Er wusste, dass die kommenden Tage nicht einfacher werden würden, doch er war entschlossen, seine Entscheidungen nicht leichtfertig zu treffen. Aoi war jemand Besonderes, aber er konnte ihr nicht das geben, wonach sie sich sehnte. Und das war eine Wahrheit, die schwerer wog als alles andere.

Er blieb noch eine Weile dort sitzen, die Sterne beobachtend, die langsam über den Himmel zogen. In dieser stillen Einsamkeit fühlte er das Gewicht der Verantwortung, das auf seinen Schultern lastete, und wusste, dass die richtigen Entscheidungen oft die schwersten waren. Aber er war bereit, diese Last zu tragen – für Aoi und für sich selbst.

4o

Der Vampirprinz, der EntführerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt