Kapitel 23

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Weitere zwei Wochen später, Juli 2027

„Ich freu mich so, dich zu sehen!"
Kim und ich lösen uns aus der Umarmung und strahlen uns an. Ihr Blick fällt auf die kleine Reisetasche in meiner Hand und die Träger meines Rucksacks. „Soll ich dir irgendwas abnehmen?"
Lachend schüttele ich den Kopf und setze mich in Bewegung. „Einen Teufel wirst du tun. Du bist die Schwangere von uns beiden, nicht ich!"
Kim lacht und gibt sich Mühe, beim Laufen mit mir Schritt zu halten. Da ich durch mein Gepäck ohnehin automatisch langsamer laufe, gleicht sich das ganz gut aus. „Ich bin schwanger, nicht krank!"
Wir müssen beide lachen, während wir durch den Kölner Hauptbahnhof laufen und uns auf den Weg zur Bahnstation machen.
„Oh Mann, ich bin so happy, dass du's einrichten konntest", sagt sie mit einem Hauch Erleichterung in der Stimme und grinst mich von der Seite an.
„Wir haben uns viel zu lange nicht mehr gesehen."
Sie macht eine kurze Pause. „Schade, dass Felix nicht mitkommen konnte."
Sofort spüre ich, wie sich ein Kloß in meinem Hals breitmacht, aber ich ignoriere ihn und versuche, mir nichts anmerken zu lassen. „Ja, finde ich auch", pflichte ich ihr bei und meine es auch so. Es ist wirklich schade. Denn wenn er mitgekommen wäre, hätten wir mit dem Auto fahren und die ganze Zeit über laut und schief singen können, so wie früher. Aber er hat zu tun und alleine habe ich mir nicht zugetraut, die weite Strecke mit dem Auto auf mich zu nehmen, weshalb meine Wahl auf die Bahn gefallen war.
Wenigstens hatte ich so mehr als genug Zeit, zu lesen, Musik zu hören und theatralisch aus dem Fenster zu starren.
„Nächstes Mal vielleicht." Wir bleiben stehen und Kim wirft mir ein beruhigendes Lächeln zu. „Wenn das Baby dann da ist."
Mein Blick fällt sofort auf ihren Bauch. Bei unserer Begrüßung vorhin habe ich mich noch angestrengt, sie nicht sofort zu auffällig anzustarren, aber jetzt kann ich nicht mehr an mich halten. „Wow, der ist ja richtig gewachsen!", sage ich und grinse sie breit an. „Darf ich nachher mal fühlen?"
Kim lacht, doch sie nickt sofort. „Nachher, wenn wir zuhause sind."
Wir steigen in die S-Bahn und fahren ein paar Stationen, doch als ich an kurz vor der bekannten Station Anstalten machen will, aufzustehen, hält Kim mich am Arm fest und schüttelt lächelnd den Kopf. „Noch nicht."
„Hä?" Ich bin verwirrt. Die Strecke vom Bahnhof zu ihrer Wohnung würde ich im Schlaf finden. Wir hätten gerade aussteigen müssen, da bin ich mir ganz sicher. Es sei denn...
Plötzlich reiße ich vor Erstaunen den Mund auf und boxe ihr spielerisch gegen den Arm. Nicht zu fest, aber es erfüllt seinen Zweck. Kim grinst mich ein wenig schuldbewusst an und ich muss mich zusammenreißen, nicht den ganzen Zug voll zu quietschen. „Sag bloß, ihr habt endlich eine größere Wohnung gefunden???"
Meine Stimmlage ist um ein paar Oktaven gestiegen, was dafür sorgt, dass sich jetzt doch der ein oder andere nach uns umdreht, aber ich lasse mich davon nicht beeindrucken.
Kim nickt, dann bricht ein helles Lachen aus ihr heraus. „Ich hab's dir nicht gesagt, weil ich darauf spekuliert habe, dass du vor der Geburt nochmal vorbeikommst und es dann mit eigenen Augen sehen wirst. Überraschung!"
Die ganze Bahnfahrt über kommen wir beide aus dem Grinsen - und ich aus dem Staunen - nicht mehr heraus.

Jonas ist nicht zuhause, weshalb wir mehr als genug Zeit haben, jedes einzelne Zimmer genau zu inspizieren. Die Wohnung ist wirklich ein Traum.
Während Kim mich durch jeden Raum führt und mir alles erklärt, bekomme ich den Mund fast nicht mehr zu.
Nachdem ich alles wichtige gesehen habe und ihr kleines Gästebadezimmer eingeweiht habe, lassen wir uns beide nebeneinander auf ihre Couch plumpsen.
Behutsam streiche ich über den Stoff. „Die habt ihr mitgenommen, oder?"
Kim nickt. „Die meisten Möbel sind mit uns umgezogen, soweit es eben möglich war. Bis auf zwei, drei Stücke, die einfach zu schwer waren, um sie noch zu transportieren. Die haben unsere Nachmieter dankend übernommen."
Langsam nicke ich, dann grinse ich sie vielsagend an. „Und, darf ich jetzt mal deinen Bauch anfassen?"
Sie nickt lachend, dann schiebt sie mit einer Hand ihr Oberteil nach oben und greift mit der anderen nach meiner Hand. Sie führt sie bis zu ihrem Bauch und lässt sie erst los, als meine Handinnenfläche den höchsten Punkt ihrer Bauchdecke berührt. Vorsichtig streiche ich über ihre Haut, als hätte ich Angst davor, etwas kaputtzumachen.
Wahrscheinlich ist es nur Einbildung oder eine Art Wunschdenken, aber es dauert nicht lang, bis ich die ersten Bewegungen unter meiner Hand spüre.
„Wow", flüstere ich und sehe meine Freundin mit großen Augen an. Sie erwidert meinen Blick mit einem Lächeln.
„Zu wissen, dass da ein Mensch in dir heranwächst... ich meine, ich weiß es ja schon länger, aber es jetzt auch so zu spüren... das ist unglaublich."
Kurz muss ich schlucken und Kim wischt sich hastig eine Träne aus dem Augenwinkel, ohne den Blick von meiner Hand zu nehmen.
Im nächsten Moment lacht sie hell auf. „Mann, hör auf damit. Die Schwangerschaftshormone treiben mich sowieso schon in den Wahnsinn!"
Wir müssen beide lachen und ich hebe beide Hände abwehrend in die Luft. „Ist ja gut, ich hör schon auf."
Kim zieht sich ihr Oberteil wieder runter, dann steht sie auf. „Was möchtest du trinken?"
„Was du da hast", erwidere ich. „Hauptsache was erfrischendes."
Sie verschwindet kurz in Richtung Küche und ich nutze die Gelegenheit, um mich nochmal ganz in Ruhe in ihrem neuen Wohnzimmer umzusehen.
Wenn Kim eines hat, dann ist es ein Händchen für Deko. Überall hängen Bilder an den Wänden, auf den Sideboards stehen Vasen und sogar die ein oder andere Pflanze hat Einzug in ihr neues Heim gefunden.
Kims Sinn für Inneneinrichtung ist etwas, das ich nur beneiden kann. Als sie damals aus unserer gemeinsamen WG ausgezogen ist, hatte ich das Gefühl, dass die Wohnung nach und nach verblasst ist. Als sei ihr ganzer Spirit mit ihr gegangen. Doch ihr Auszug hatte mich gewissermaßen auch Felix näher gebracht und so hatte ich schon bald keine Zeit mehr, um über ihre Abwesenheit traurig zu sein.
Felix... mir entfährt ein leises Seufzen. Ich schlage mir die Hand vor den Mund und schaue mich um, aber Kim scheint zu beschäftigt zu sein, als dass sie das gerade hätte hören können. Nach meiner Ankunft habe ich ihm geschrieben, doch ich weiß nicht, ob er mir schon geantwortet hat.
Ein kurzer Griff in meine Hosentasche und ein schneller Blick auf mein Handy sagen mir, dass er geantwortet hat, aber ich kann seine Nachricht nur grob aus dem Augenwinkel erkennen, weil genau in diesem Moment Kim zurückkommt. Sie hält in jeder Hand ein großes Glas, das randvoll mit einem gelb-orangenen Getränk gefüllt und mit einem Strohhalm und einem kleinen Pappschirm verziert ist.
Sie bleibt vor dem Sofa stehen und reicht mir eines der Gläser, bevor sie sich wieder neben mich setzt und strahlend ihres in die Luft hebt.
„Auf uns. Nein, warte, eher auf dich, dass du dir extra die Zeit genommen hast, um vorbeizukommen!"
Lächelnd prosten wir uns zu und ich nehme einen tiefen Schluck durch den Strohhalm. Das kühle Prickeln des Getränks benetzt meine Kehle und ich sehe sie beeindruckt an. „Hast du das selbst gemacht?"
Sie nickt. „Orangenlimonade. Kam mir gesünder vor als das ganze Zeug, was man so kaufen kann. Du weißt schon, Fanta, Sinalco und so."
Lachend verdreht sie die Augen. „Das Rezept habe ich beim Scrollen auf Instagram entdeckt und musste es sofort ausprobieren. Du kennst mich doch."
Ich stoße ein helles Lachen aus und nicke, dann nehme ich direkt noch einen Schluck von dem köstlichen Getränk.
Kim war schon immer die Küchenmeisterin unserer WG. Alles, was mit kochen, backen oder sonstigem zu tun hatte, wofür man mehr als zwei Zutaten braucht, brachte sie in ihr Element. Und ich habe immer davon profitiert.

Happily (Heavenly #3) (Felix Lobrecht)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt