Kapitel 24

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Mit Kim Zeit zu verbringen und bei ihr übernachten zu können, fühlt sich so an, als würden wir in der Zeit reisen.
So, als wären wir auf einen Schlag beide wieder 24 und frischgebackene Mitbewohnerinnen. Was ursprünglich eher als eine Art Zweckgemeinschaft gestartet ist, hat sich schließlich zur engsten Freundschaft meines Lebens entwickelt.
Kaum zu glauben, dass das schon fast zehn Jahre her ist.
Kims Gegenwart fühlt sich so leicht an, so unbeschwert, so frei. Mit jeder Stunde, die wir zusammen verbringen, bin ich umso glücklicher, dass ich mich dazu entschieden habe, nach Köln zu fahren, auch, wenn Felix nicht mitkommen konnte.
Wir flanieren durch die Schildergasse, machen es uns auf der Domplatte bequem oder trinken überteuerte Latte Macchiatos in ein bisschen zu schick eingerichteten Cafés, obwohl ich das in Berlin genauso gut machen könnte.
Irgendwie genieße ich es, in meiner ehemaligen Heimatstadt ein bisschen Touristin zu spielen. Aber so sehr ich die Zeit mit Kim (und, wenn er zuhause ist, auch mit Jonas) genieße, muss ich trotzdem zugeben, dass ich Felix sehr vermisse.
Am dritten Abend lag ich spätabends in meinem Gästebett und konnte nicht einschlafen. Es muss schon fast drei Uhr gewesen sein, als ich schließlich impulsiv beschlossen habe, ihn einfach per FaceTime anzurufen. Es hat ein bisschen gedauert, bis er rangegangen ist, aber schließlich ist er doch aufgewacht und als ich sein zerknautschtes Gesicht in der Dunkelheit unseres Schlafzimmers gesehen habe, das nur vom Gegenlicht seines Handydisplays beleuchtet wurde, hätte ich vor Sehnsucht beinahe angefangen, zu heulen. Aber ich konnte mich gerade noch so beherrschen.
Und eigentlich bin ich jetzt im Nachhinein doch ganz froh darüber, dass er nicht mitgekommen ist. Nicht, weil ich ihn nicht dabei haben wollen würde, aber unter Freundinnen kann man sich einfach ganz anders unterhalten, wenn die Partner nicht dabei sind.

Heute ist der vierte und letzte Abend, den Kim und ich - diesmal wieder ohne Jonas - gemeinsam haben, bevor es für mich morgen früh wieder zurück geht.
Ganze sechs Stunden mit dem Zug.
Kaum zu glauben, dass Felix und ich die Strecke früher regelmäßig auf uns genommen haben, bevor ich zu ihm nach Berlin gezogen bin.
Was man nicht alles aus Liebe macht... und eigentlich war es ja auch aufregend. Diese kribbelige Anfangszeit, als wir uns zum ersten Mal getroffen haben.
Unser erster Kuss, unser erster Sex, unsere ersten Abenteuer. Wie wir in unseren ersten gemeinsamen Urlaub gefahren sind, ohne vorher geklärt zu haben, ob wir jetzt eigentlich zusammen sind und dann als Paar wieder zurückgekommen sind.
Felix' Geburtstagsgeschenk an mich mit einer Überraschungsreise nach Amsterdam. Die öffentliche Bekanntgabe unserer Beziehung bei „99 Problems".
Damals waren unsere hochdramatische Trennung, der darauffolgende Versöhnungssex, unsere Verlobung, die Hochzeit und vor allem die Sache mit Alyssa noch meilenweit entfernt.
Ich nehme einen Schluck Orangenlimonade aus meinem Glas, nur, um mich eine Sekunde später daran zu verschlucken und in brüllendes Gelächter auszubrechen, weil Kim es auf einmal für eine gute Idee zu halten scheint, mir etwas zu detailliert von ihrem Sexleben in der Schwangerschaft zu erzählen.
Ich schaffe es gerade noch so, das Getränk herunterzuschlucken und nicht alles auszuspucken, werde aber dafür von einem ordentlichen Hustenanfall geschüttelt.
Kim springt sofort auf und kommt mit einem Stapel Servietten in der Hand wieder zu mir zurück. Sie hält sie mir alle hin und grinst mich dabei diabolisch an.
Schnell halte ich mir eine davon vor den Mund, bis der Husten sich einigermaßen beruhigt hat, dann tupfe ich mir mit einer Ecke der Serviette die Lachtränen aus den Augen.
„Oh Mann, ich werde dich so vermissen!", sage ich ein wenig erschöpft und lächele sie dabei an. „Mein Leben wäre so viel lustiger, wenn wir wieder in der selben Stadt wohnen würden. Jetzt weiß ich endlich, wie es Felix immer mit Tommi geht."
Kim lacht und schüttelt den Kopf. „Bis auf den klitzekleinen Unterschied, dass man uns beiden definitiv keine Mikrofone in die Hand drücken sollte."
Grinsend nicke ich. „Stimmt, das will wirklich keiner hören."
Wir brauchen einen kurzen Augenblick, um uns wieder zu beruhigen und schweigen uns für ein paar Sekunden an. Gerade kann ich sie noch nicht einmal anschauen, weil mich sonst der nächste Lachanfall überkommen würde. Im Grunde genommen sind es genau diese Momente, die ich am meisten liebe.
Die, die unsere Freundschaft so wertvoll und besonders machen.

Happily (Heavenly #3) (Felix Lobrecht)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt