Kapitel 4

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Nach dem Gespräch mit Felix ging es mir zwar deutlich besser, aber der Filmabend war gelaufen. Und dafür habe ich mich an den darauffolgenden Tagen tausendmal bei ihm entschuldigt.
Eigentlich hatte ich genau gewusst, dass er einen langen Tag hinter sich hatte und danach einfach nur den Kopf ausschalten und diesen - ehrlich gesagt absolut unrealistischen, aber deswegen nicht weniger packenden - Thriller schauen wollte. Aber weil das Thema mir einfach keine Ruhe gelassen hat, musste ich darüber reden.
Felix hat meine unendlich vielen Entschuldigungen mindestens doppelt so oft abgewunken.
„Der Film ist doch scheißegal, Maddie, den kann ich irgendwann immer noch gucken. Mir ist viel wichtiger, dass wir über sowas reden. Ich will nicht, dass du irgendwas in dich reinfrisst, verstehst du?"
Ja, verstehen konnte ich das sehr gut. Es wäre schließlich nicht das erste Mal gewesen. Denn Situationen, in denen ich mich nicht getraut habe, meine Sorgen und Ängste vor Felix anzusprechen, bis sie schließlich explodiert sind, gab es am Anfang unserer Beziehung leider nicht nur einmal - und eine davon hatte dann schließlich auch dafür gesorgt, dass wir uns getrennt haben.
Zwar nur vorübergehend, aber es waren die schlimmsten drei Monate meines Lebens gewesen.
Eigentlich würde ich am liebsten gar nicht mehr daran denken. Allerdings betont meine Therapeutin immer wieder, wie wichtig es ist, sich genau mit diesen Situationen besonders intensiv auseinanderzusetzen, damit ich sowohl die Situation als auch mich selbst und mein eigenes Verhalten reflektiere, damit sowas nicht nochmal vorkommt.
Und sie hat Recht. Schließlich will ich auch nicht, dass sowas nochmal vorkommt. Ich möchte, dass Felix und ich eine lange, glückliche Ehe führen, in der wir Dinge ansprechen und aus der Welt schaffen können, bevor sie sich festsetzen und Wurzeln schlagen, wie Frau Dr. Seidlinger immer sagt.

Unweigerlich muss ich lächeln. Felix, der mir gegenüber am Frühstückstisch sitzt, erwidert mein Lächeln automatisch, ohne den Grund dafür zu kennen.
„Wie geht's dir, Baby?" Ein wenig überrascht sehe ich von meiner Müslischale auf. Meine Antwort kommt ein wenig zu schnell, das merke ich sofort.
„Mir geht's gut, warum fragst du?"
Felix zuckt mit den Schultern. „Keine Ahnung." Er grinst mich leicht an und hebt dabei verschwörerisch die rechte Augenbraue an.
„So, wie du guckst, könnte man meinen, du hättest dir vorhin ein, zwei Pillen eingeschmissen."
Ein Lachen bricht aus mir heraus und ich muss mir die Hand vor den Mund halten, um das Müsli nicht quer über den Tisch zu spucken.
„Wie kommst du nur immer auf sowas?", rufe ich lachend, während ich um mein Leben huste. Jetzt ist es soweit. Jetzt ersticke ich an Vitalis Schokomüsli.
„Ach", sagt Felix beiläufig, steht auf und kommt um den Tisch herum, um mir auf den Rücken zu klopfen. Danach bleibt er vor mir stehen und grinst mich noch breiter an als vorhin. „Ich mach das beruflich, weißt du?"
Ich tue so, als wäre ich überrascht und lege mir eine Hand an die Brust. „Echt?", frage ich gespielt verwundert. „Wusste ich gar nicht. Kennt man was von dir?"
Felix lacht, aber im nächsten Moment stößt er ein leises Seufzen aus und verdreht die Augen.
Ich merke, wie mir sofort mulmig zumute wird. „Was...?"
Doch Felix winkt nur ab und setzt sich wieder hin. „Es ist nichts. Nur... manchmal wünsch ich mir einfach, mich würde wirklich keiner kennen."

Hä? Wie kommt er denn jetzt darauf?

„Wie kommst du denn jetzt drauf?", wiederhole ich den Gedanken genau so, wie er mir in den Kopf geschossen ist.
Nochmal seufzt er leise auf und lächelt dabei, aber auf mich wirkt es kein bisschen überzeugend.
„Ach, es ist... keine Ahnung. Ich meine, du kennst mich besser als jeder andere auf der Welt. Und ich weiß auch, dass wir uns wahrscheinlich gar nicht kennengelernt hätten, wenn ich nicht bekannt wäre und so..."
Sofort merke ich, wie mein Herz bei diesen Worten einige Takte schneller schlägt, was Felix wohl zu spüren scheint.
„Und das will ich mir noch nicht einmal vorstellen, versteh mich nicht falsch."
Ich lache kurz auf und wische mir imaginären Schweiß von der Stirn. Ich tue so, als ob ich erleichtert wäre, damit er nicht merkt, wie sehr diese Worte mich wirklich erleichtern. Ich warte darauf, dass er weiterspricht, doch aus irgendeinem Grund tut er es nicht.
Er sieht mich noch nicht einmal richtig an.
Ich runzele die Stirn und schnipse vor seinen Augen herum. „Ja, und weiter? Warum meintest du dann gerade, dass du dir manchmal wünschst, nicht bekannt zu sein?"
Er stößt leise die Luft aus und sieht mir erst jetzt wieder in die Augen.
„Weil ich dann nicht mehr ständig diese Nachrichten lesen müsste, von denen du letztens gesprochen hast."

Happily (Heavenly #3) (Felix Lobrecht)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt