Kapitel 3

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Nur eine Stunde später liegen wir nebeneinander im Bett unseres gemeinsamen Schlafzimmers, während auf dem Fernseher vor uns ein Film läuft, auf den ich mich nicht konzentrieren kann. Trotz der Übungen, die meine Therapeutin mir für Situationen wie diese empfohlen hat und die ich ohne, dass Felix es mitbekommen hätte, seit unserem Nachhausekommen mehrmals durchgeführt habe, kreisen meine Gedanken noch immer um ein und dasselbe Thema.
Also nehme ich all meinen Mut zusammen und räuspere mich kaum hörbar.

„Felix?"
„Hm?"

Er nimmt seinen Blick nicht von dem Bildschirm, während er mir antwortet und komischerweise bin ich froh darüber. Wenn er mir jetzt in die Augen schauen würde, wüsste ich nicht, wie ich reagieren würde.
Doch bis ich zu der Frage ansetze, die ich gerade im Begriff war, zu stellen, dauert es noch einen kurzen Moment, weil ich einfach nicht weiß, wie ich sie formulieren soll.
Felix scheint mein Zögern gar nicht zu bemerken. Er ist zu gefesselt von dem Spielfilm, der gerade auf RTL läuft. „Passagier 23" nach dem gleichnamigen Buch von Sebastian Fitzek. Zugegeben, der Film ist wirklich sehr spannend, aber da ich sowohl das Buch als auch den Film in- und auswendig kenne, reißt die Story mich nicht mehr so vom Hocker. Felix hingegen scheint voll drin zu sein. Ich erwische mich dabei, wie ich schmunzeln muss, doch dann besinne ich mich wieder auf das, was mich beschäftigt.

„Bekommst du eigentlich immer noch... so..."
Weiter komme ich nicht, denn aus irgendeinem Grund scheint Felix sich auf einmal sehr dafür zu interessieren, was ich ihn fragen möchte. Er greift nach der Fernbedienung und stellt den Ton leiser, dann dreht er sich zu mir und sieht mich abwartend an.
Der Ansatz eines Lächelns auf seinen Lippen zeigt mir, dass er keinen blassen Schimmer davon hat, was ich ihn gleich fragen werde.
Ich schlucke. „Also, ich wollte nur mal fragen, ob du immer noch... so...  Nachrichten bekommst."
Ein wenig irritiert runzelt er die Stirn. „Hm?"
Ich unterdrücke ein Seufzen. Dass er immer noch nicht zu ahnen scheint, worauf ich hinauswill, macht es mir nicht unbedingt leichter. Ich seufze und gebe ihm einen Moment Zeit, um zu überlegen. Schließlich hellt seine Miene sich auf.
„Meinst du von Fans?"
Fast muss ich lachen, Er ist wirklich süß! Wenn es doch nur das wäre...
Schnell schüttele ich den Kopf. „Nein, also... ja, auch, aber ich meine eigentlich... Nachrichten... von... Frauen. Du weißt schon, wegen..."
Mehr kann ich nicht sagen. Die Worte „Sex" oder „Blowjobs" oder „Quickies" wollen mir einfach nicht über die Lippen. Alleine bei der Vorstellung daran wird mir schlecht. Also verstumme ich und warte einfach kurz ab. 
Felix' Augen verengen sich und es vergehen drei beinahe schmerzhafte Sekunden, bis bei ihm der Groschen fällt. „Ach, das meinst du."
Er stößt einen tiefen Seufzer aus. „Warum fragst du?"
Ich muss schlucken. Warum stellt er mir eine Gegenfrage, anstatt meine Frage einfach zu beantworten? So war das eigentlich nicht geplant.
„Kannst du bitte einfach ja oder nein sagen?", frage ich vorsichtig.
Wieder seufzt er. Dann greift er noch einmal nach der Fernbedienung, um den Fernseher ganz auszuschalten.
Ich bekomme sofort ein schlechtes Gewissen. Vielleicht hätte ich einfach den Film über mich ergehen lassen und ihn erst danach ansprechen sollen, aber dafür ist es jetzt zu spät. Jetzt sind wir bereits mitten in dem Gespräch, von dem ich gehofft habe, es nie wieder führen zu müssen.
„Du wolltest das doch gucken", murmele ich. Felix grinst ein wenig schief, aber es erreicht seine Augen nicht. „Ja, aber das ist jetzt wichtiger."
Er hebt die Decke, mit der er bis gerade eben noch zugedeckt war, an und sieht mich auffordernd an. Ich rücke ein Stück näher an ihn heran und lasse mich in seine Arme ziehen.
Er schlingt sie fest um mich und streichelt mir langsam über die Haare.
Es vergeht eine gefühlte Ewigkeit, in der wir so da liegen und kein Wort sagen.
Auf einmal weiß ich gar nicht mehr, wer von uns beiden zuletzt gesprochen hat und wer wem zuerst eine Antwort schuldet.

Zu meiner Erleichterung ist Felix derjenige, der zuerst wieder das Wort ergreift. „Ich weiß nicht, was ich dir sagen soll, Baby."
Sofort hebe ich den Kopf und schaue ihm in die Augen. Er lächelt mich vorsichtig an, aber diesmal wirkt es fast ein wenig traurig.
„Sag mir bitte einfach die Wahrheit", sage ich leise und er nickt.
Sein Blick wandert an mir vorbei durch den dunklen Raum, bis er mir wieder in die Augen schaut und antwortet.
„Solche Nachrichten kommen immer wieder mal. Ich weiß nicht, wie oft. Vielleicht eine am Tag? In der Woche? Keine Ahnung."
Er gibt mir einen Kuss auf die Stirn und drückt mich noch ein wenig enger an sich heran. „Aber ich klick mittlerweile auch nicht mehr jede Nachricht an. Also, generell schon nicht."
Wieder lächelt er mich schwach an. „Und wenn ich in meinen DMs bin und irgendwas in die Richtung in der Nachrichtenvorschau sehe, lösche ich den Chat direkt ungelesen."
Ich reiße überrascht die Augen auf. Felix lacht leise auf. „Was denn?"
„Nichts, red weiter", sage ich. Jetzt ringe auch ich mir ein vorsichtiges Lächeln ab, was dafür zu sorgen scheint, dass auch er sich langsam wieder entspannt.
„Viel mehr gibt es dazu gar nicht zu erzählen." Er löst einen Arm von mir, um sich die Hand vor den Mund zu halten und zu gähnen. Auf einmal realisiere ich, dass ich überhaupt keine Ahnung habe, wie spät es gerade ist. Wann sind wir nochmal nachhause gekommen? 22 Uhr? 23 Uhr? Ich weiß es nicht mehr. Die letzten Stunden sind in meinem Kopf zu einem Einheitsbrei verschwommen.
Ich nicke ein wenig zögerlich, während ich versuche, seine Antwort zu begreifen.
„Okay." Ich muss kurz nachdenken, bevor ich weiterspreche.
„Und... wenn du's nicht in der Nachrichtenvorschau siehst? Sagen wir mal, du bekommst eine ganz normal aussehende Fan-Nachricht... und da steht dann trotzdem sowas drin. Was machst du dann?"
Felix' Augen beginnen zu funkeln. „Dann schreib ich denen, dass sie sich ficken und einen verheirateten Mann in Ruhe lassen sollen."
Augenblicklich muss ich lachen. Nicht nur ein bisschen, sondern so richtig.
Felix scheint davon mindestens so überrascht zu sein wie ich. Er fällt in mein Lachen mit ein, schlingt seine Arme noch fester um mich und wälzt uns ein bisschen in seinem - unserem Bett - hin und her.
Er verteilt so lange kleine, heiße Küsse auf meiner Wange und an meinem Hals, bis ich ihn kichernd ein Stück von mir wegschiebe.
„Ich wünschte, das würdest du wirklich machen", murmele ich. Felix nickt. „Würd ich auch gerne, aber meistens macht es das eher schlimmer statt besser." Er verdreht die Augen.
„Ignoranz ist die schlimmste Strafe für diese Leute, glaub mir."
Ich nicke. „Das versteh ich. Trotzdem wäre es mir lieber, wenn die sowas gar nicht schreiben würden", murmele ich.
Felix' Lippen verziehen sich zu einem Grinsen und er sieht mich fragend an. „Weil ich mir dann andere Opening-Lines für meine Programme ausdenken müsste, meinst du?"
Jetzt muss ich doch wieder lachen. „Du bist so ein Spinner, weißt du das?"
„Warum?" Felix grinst mich breit an. „Alles ist Material, das weißt du doch."
Und mit diesen Worten zieht er mich so nah an sich heran, dass ich kurz nach Luft japse. Eng umschlungen liegen wir so da und sein Gesicht vergräbt sich immer tiefer in meine Halsbeuge. Ich klammere mich mindestens genauso sehr an ihm fest.

Seine Hände streichen langsam meinen Rücken auf- und ab, so, als ob er mich beruhigen wollen würde. Ich muss lächeln, obwohl er meinen Gesichtsausdruck gerade nicht sehen kann.
Als seine Hände immer tiefer wandern, bei meinem Hintern Halt machen und zupacken, entfährt mir ein helles Quietschen. „Hey!"
Felix hebt den Kopf und wir grinsen uns an. Dann gibt er mir einen zarten Kuss auf die Lippen. Während wir uns immer wieder in kurzen Abständen küssen, sehne ich mich plötzlich an dem Moment von heute Nachmittag zurück.
Am liebsten würde ich unsere kleine Knutschsession hier und jetzt fortsetzen, aber Felix scheint andere Pläne zu haben.
Er löst sich von mir, damit wir kurz Luft holen können und schaut mich fragend an. „Wie bist du überhaupt darauf gekommen?"
Ups. Mit der Frage hätte ich rechnen können, habe ich aber nicht. Verdammt! Fieberhaft denke ich nach. Dann beschließe ich, einfach Zeit zu schinden.

„Was meinst du?"
Felix lächelt mich ein wenig spöttisch an. „Du weißt genau, was ich meine. Wieso fragst du mich sowas, einfach so aus dem Nichts?"
Die Anspannung verabschiedet sich aus meinem Körper und ich stoße langsam die angehaltene Luft aus. Wieso habe ich nach fast drei Jahren immer noch nicht verinnerlicht, dass ich ihm einfach nichts vormachen kann? Das war noch nie so und wird auch niemals so sein. Er kennt mich einfach besser, als ich mich selbst.
„Es war nicht aus dem Nichts", sage ich ein wenig kleinlaut. „Sabrina hat da sowas gesagt..."
„Wer ist denn Sabrina?"
„Von der Bar." Zunächst scheint er mir wirklich nicht folgen zu können, doch dann nickt er wissend.
„Die Blonde?"
„Ja, genau."
„Mhm. Und was hat sie gesagt?"
Diesmal kann ich ein Seufzen nicht unterdrücken. „Das war ganz komisch, Felix. Wir hatten uns eigentlich ganz nett unterhalten, du weißt schon. Bisschen gequatscht eben. Und dann hat sie mich gefragt, wie lange wir schon zusammen sind und sowas. Sie meinte, dass sie uns beide echt süß zusammen findet, aber dann..."
Ich schlucke. „Sie hat irgendwie so... Andeutungen gemacht. Irgendwie wollte sie wissen, wie es für mich ist, dass unsere Ehe öffentlich bekannt ist und all sowas. Und dann meinte sie, dass du doch bestimmt weiterhin Angebote per Insta DM bekommst..."
Felix stöhnt genervt auf. „Alter."
Trotz der Ernsthaftigkeit kann ich nicht anders, als zu grinsen. Nickend pflichte ich ihm bei. „Ja, genau."
Danach sagen wir beide eine Weile nichts mehr.
Wir liegen nur so da, die Gesichter einander zugewandt und die Arme umeinander gelegt, aber wir sagen beide kein Wort. Vermutlich muss er, genauso wie ich, erstmal nachdenken.
Irgendwann reißt ein leises Seufzen seinerseits mich aus meinen Gedanken. „Würde es dir helfen, wenn du jederzeit auf meine Insta Nachrichten zugreifen könntest?"
Erschrocken reiße ich die Augenbrauen hoch. Darüber brauche ich noch nicht mal nachzudenken. „Auf keinen Fall! Ich will das nicht sehen." Ich schnaube. „Die Bett-Fantasien von irgendwelchen Weibern über meinen Mann lesen zu müssen - das kann ich wirklich nicht."
Felix nickt verständnisvoll, wirkt aber nicht wirklich zufrieden. „Okay, ja. Aber..."
Er zögert. „Dass du in die Richtung nichts zu befürchten hast, weißt du?"
Ich richte mich ein wenig auf. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich ihn richtig verstehe. „Was meinst du?"
„Na, dass diese Nachrichten für mich keine Bedeutung haben." Er lächelt mich vorsichtig an.
„Die können mir alles mögliche schreiben, Baby. Weißt du, wie egal mir das ist?"
Aus irgendeinem Grund überrascht mich seine Antwort. „Echt? Macht das gar nichts mit dir?"
Felix lacht spitz auf. „Was soll das denn mit mir machen? Wieso sollte ich mich für dahergelaufene Weiber interessieren?"
Er löst einen Arm aus der Umklammerung und hält mir demonstrativ seine rechte Hand vors Gesicht. Ein triumphierendes Lächeln umspielt seine Lippen.
„Ick bin verheiratet, schon vergessen?"
Und ohne dass ich genau weiß, warum, löst sich der Knoten in meiner Brust mit einem Mal in Luft auf. Jetzt bin ich diejenige, die lachen muss und zwar noch doller als vorhin, als er mir erzählt hat, was er all diesen Frauen da draußen am liebsten antworten würde.
Felix scheint über meine Reaktion genauso erleichtert zu sein wie ich. Er schlingt seine Arme wieder um mich und küsst mich, einmal, zweimal, dreimal, gefühlte tausendmal, bis ich all die Gedanken aus dem Gespräch mit Sabrina vergessen habe.
„Alles gut?", flüstert er an meinem Ohr. Das Gefühl seines Atems an meiner Haut sorgt dafür, dass ich leicht schaudere.
Ich nicke und lächele ihn zufrieden an.
„Ja. Alles gut."

Happily (Heavenly #3) (Felix Lobrecht)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt