16 - Stille Konfrontation

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Nach der kurzen, unruhigen Nacht fühlte sich Ayame erschöpft und ausgelaugt. Die Sonne war kaum über den Horizont geklettert, doch der helle Schein, der durch die Vorhänge fiel, schien bereits viel zu grell. Mit einem leisen Stöhnen zog sie die Decke über ihren Kopf, als könnte sie damit die Realität des neuen Tages einfach ausblenden. Ihr Körper fühlte sich schwer und träge an, und das Pochen in ihren Schläfen erinnerte sie daran, dass sie kaum geschlafen hatte. Immer wieder hatte sie sich in der Nacht hin und her gewälzt, unfähig, die Bilder und das bedrückende Gefühl des Traums loszuwerden. Selbst jetzt, da sie wach war, haftete die Kälte von Sukunas Berührung noch an ihrer Haut, als würde der Traum sie auch am Tage verfolgen.

Nach einem weiteren Moment der Erschöpfung schob Ayame die Decke mit einem Seufzen beiseite und zwang sich, aufzustehen. Sie konnte den Tag nicht länger hinauszögern, so wenig sie auch Lust darauf hatte. Ihr Körper protestierte bei jeder Bewegung, und während sie sich langsam fertig machte, spürte sie die Müdigkeit wie eine Last auf ihren Schultern. Ihr Spiegelbild sah genauso erschöpft aus, wie sie sich fühlte. Dunkle Schatten lagen unter ihren Augen, und ihre sonst lebhaften grünen Augen wirkten stumpf und leer. Sie fuhr sich mit den Fingern durch die Haare, die zerzaust von der Nacht waren, und atmete tief durch. „Einfach durchhalten", murmelte sie leise zu sich selbst, als wäre es eine Art Mantra.

Nachdem sie sich einigermaßen hergerichtet hatte, machte sie sich auf den Weg in den Schulflur. Die Geräusche der anderen Schüler, die sich bereits in Bewegung gesetzt hatten, hallten in der Ferne wider. Doch Ayame spürte keine Energie, um sich ihnen anzuschließen. Jeder Schritt fühlte sich an, als würde er sie noch tiefer in den Abgrund der Erschöpfung ziehen, und der Gedanke, sich durch den Unterricht zu schleppen, ließ ihre Schultern noch schwerer sacken.

Als sie durch die kühlen Flure der Schule ging, waren ihre Gedanken wirr. Die Ablehnung Satoru gegenüber, die Vision von Sukuna, der Druck, der auf ihr lastete - alles schien sie zu überwältigen. Ihre Brust fühlte sich eng an, als würde sie von unsichtbaren Händen zusammengepresst, und sie wusste nicht, wie lange sie noch durchhalten konnte. Vor der Tür zum Klassenraum hielt Ayame kurz inne und atmete tief durch, bevor sie die Klinke herunterdrückte. In diesem Moment fühlte sich alles unwirklich an - die vertraute Umgebung, die Routine des Alltags. Doch innerlich war nichts mehr, wie es einmal war.

Ayame trat in den Raum und wurde von der vertrauten Stille begrüßt, die nur durch das leise Rascheln von Papieren durchbrochen wurde. Naoki saß allein an einem der Tische, vertieft in einige Unterlagen. Sein Gesicht war ruhig und konzentriert, wie immer, wenn er sich auf eine Aufgabe fokussierte. Er hob den Kopf, als er Ayame bemerkte, und ein sanftes Nicken war alles, was sie als Begrüßung bekam. Naoki war kein Mann vieler Worte, besonders nicht in solchen Momenten.

Ayame spürte, wie sich ein Knoten in ihrem Magen zusammenzog, und obwohl sie die Stille sonst schätzte, fühlte sie sich heute drückend und schwer. Der Anblick von Naoki, so ruhig und gefasst, erinnerte sie daran, wie sehr sich ihre eigenen Gedanken im Chaos verloren hatten. Während er alles mit einer fast stoischen Ruhe ertrug, trug sie eine Last, die sie beinahe erdrückte. „Morgen," murmelte Naoki, seine Stimme war leise und klang fast beiläufig. Er sah sie an, aber sein Blick war neutral, ohne den scharfen Funken, den er manchmal zeigte, wenn er etwas auf dem Herzen hatte. Er ließ die Papiere sinken und lehnte sich ein wenig zurück, als er ihre Anspannung bemerkte.

Ayame zwang sich zu einem knappen Nicken, konnte es jedoch nicht über sich bringen, wirklich in seine Augen zu sehen. Ihr Herz hämmerte in ihrer Brust, und obwohl sie wusste, dass Naoki ihr wohl kaum Vorwürfe machen würde, fühlte sie sich dennoch beobachtet und durchleuchtet. Die Worte, die sie in sich trug, die Last der letzten Ereignisse - all das schien zu viel für diesen Moment zu sein. „Du wirkst anders," stellte Naoki schließlich fest, seine Stimme ruhig, fast analytisch. Doch er fragte nicht nach, ließ ihr den Raum, selbst zu entscheiden, ob sie darauf eingehen wollte oder nicht.

Fluch der Vergangenheit [JJK FF]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt