Kapitel 14

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Einen müden Seufzer von sich gebend, lehnte Paige sich in ihrem Stuhl zurück und rieb sich die brennenden Augen. Sie hatte nicht gewusst, dass stundenlanges Lesen auch so anstrengend sein konnte, genoss sie es sonst doch eher. Erschöpft sah sie auf das Chaos, das sich auf ihrem Küchentisch breit gemacht hatte. Seit Stunden saßen sie und Abe schon dort und durchforsteten seine neuen Errungenschaften aus der Bibliothek nach einer Lösung für ihr noch immer bestehendes Zeitreiseproblem. Doch leider handelte der Großteil dieser Bücher nur von tragischen Liebesgeschichten in einer rein fiktiven Welt, es gab keine brauchbaren Hinweise zu ihrem sehr realen Problem.
Ihren kleinen inneren Nervenzusammenbruch von vor ein paar Tagen hatte sie beschlossen zu ignorieren, so gut es eben ging. Vielleicht – sollten sie wirklich jemals die Lösung zu ihrem Problem in die Hände bekommen – fanden sie ja auch eine Möglichkeit für kontrolliertes Zeitreisen. Dann könnte sie immer wieder zu Besuch kommen, wann immer sie wollte. Sie würde keine Geburtstage verpassen müssen, ihre Familie nicht vermissen und all ihre Sorgen hätten sich auf einen Schlag erledigt.

Als wolle sie sich zwingen, aus ihrer Traumwelt aufzuwachen, schüttelte Paige einmal den Kopf, bevor sie gähnend zu Abe blickte, der ihr gegenübersaß und die Nase in ein Buch vertieft hatte. Stirnrunzelnd stellte sie nach einer Weile fest, dass er noch kein einziges Mal die Seite umgeblättert hatte. Und sie kannte seine Lesegewohnheiten mittlerweile; der Schwarzhaarige war ein ausgesprochen schneller Leser. Was beschäftigte ihn nur?
„Abe?" Erst beim dritten Versuch reagierte er und blickte von dem Papier auf, sein Blick traf geradewegs auf den ihren, der voller Sorge war. „Ist alles in Ordnung? Hast du etwas gefunden?" Ob er ihr sagen würde, wenn er einen Hinweis fand? Oder würde er es ihr verheimlichen, in der Hoffnung sie würde aufgeben und hierbleiben? Nein, so war er nicht. So etwas würde er ihr nicht antun, da war sie sich sicher. Dennoch; irgendetwas schien ihn zu beschäftigen.

„Nein, tut mir leid. Ich glaube ich habe mich einfach nur ein wenig in meinen Gedanken verloren." Entschuldigend sah er sie an, doch Paige konnte einen Schimmer in seine Augen erkennen, der ihr sagte, dass dies nicht die ganze Wahrheit war. Seufzend räumte sie ein paar Bücher zur Seite und legte ihre Hand sanft auf seine. „Du weißt, du kannst mit mir über alles reden."
Eine Weile war es still, keiner sagte ein Wort. Abe schien mit sich selbst zu kämpfen; sie konnte schon fast den Qualm aus seinen Ohren kommen sehen, so sehr schien er nachzudenken. Schließlich legte er sein Buch zur Seite und umschloss schon beinahe zaghaft ihre Hand mit den seinen. „Ich weiß. Und darüber bin ich auch wirklich froh. Es ist nur..." Nachdenklich sah er sie an, sein Blick hatte jedoch etwas Leeres an sich, als blickte er geradewegs durch sie hindurch.
„Würdest du dein Geheimnis jemand Fremden anvertrauen, wenn das eine Chance für eine Lösung bedeuten würde?" Überrascht hielt sie den Atem an. Sie hatte mit allem gerechnet, doch nicht mit einer solchen Frage. Was meinte er nur damit? Kannte er jemanden, der ihr helfen konnte?

„Was meinst du damit? Kennst du etwa so jemanden?" Gespannt sah sie zu dem Soldaten, der den Blick auf ihre ineinander verschlungenen Hände gesenkt hatte. Nervös kaute er auf seiner Lippe herum, doch schließlich hielt er inne und richtete sich wieder ein Stück auf. Ein paar schwarz gelockte Strähnen fielen ihm in die Stirn und warfen einen sanften Schatten auf seine bernsteinfarbenen Augen, mit denen er sie warm ansah.
„Ja... Vielleicht... Ich weiß es nicht. Eigentlich kenne ich ihn kaum, ich weiß nicht, ob man ihm trauen kann. Er war einmal ein brillanter Mann, doch vor ein paar Jahren ist er... verrückt geworden. Er behauptete Dinge, die niemand für möglich hielt und wurde so sehr verachtet, dass er sich komplett aus dem öffentlichen Leben zurückzog. Niemand weiß, was aus ihm geworden ist." Er machte eine kurze Pause, sein Blick ging rechts an ihr vorbei, als sehe er dort etwas, was nur er sehen konnte. Eine Erinnerung, die er nun mit anderen Augen sah.

„Aber jetzt wo ich deine Geschichte, dein Geheimnis kenne... frage ich mich manchmal... ob er vielleicht gar nicht so verrückt war." Eine angenehme Stille legte sich über sie, die Paige nutzte, um nachzudenken. Konnte sie das? Konnte sie einem Fremden ihr größtes Geheimnis anvertrauen und damit alles riskieren, was sie sich in den letzten zwei Monaten aufgebaut hatte? Vielleicht würde er ihr gerade wegen seiner eigenen Vergangenheit Gehör schenken; vielleicht konnte er ihr wirklich helfen. Doch was, wenn er ihr nicht glauben würde. Was, wenn er die Chance sie bloßzustellen, nutzen würde, um sein eigenes Ansehen wiederherzustellen. Konnte sie das wirklich riskieren? Immerhin würde nicht nur sie darunter leiden, sondern auch Abe.
„Wie ist sein Name? Vielleicht habe ich in meiner Zeit schon mal von ihm gehört. Das würde bedeuten, dass er immerhin nicht komplett verrückt sein kann, oder nicht?" Endlich hatte sie es geschafft, Abe ein Lächeln auf die Lippen zu zaubern, auch wenn es nur ein zaghaftes war.

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