Kapitel 15

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Auch in den nächsten Tagen verbrachten Jeongguk und Taehyung viel Zeit miteinander. Während der Pausen machten sie ein Picknick auf der Wiese in der Nähe des Trainingsplatzes, danach ging es in die Ausbildung mit stundenlangen Übungen. Gegen Abend machten sie einen Spaziergang. Jeongguk zeigte dem blonden Schönling immer wieder neue Ecken in der Stadt. Zu Abend aßen sie gemeinsam in der Taverne oder Taehyung bereitete ihnen beiden etwas in seiner Hütte zu. Irgendwann hatte Jeongguk ihm dann auch verraten, in welcher Etage er wohnte: Neunter Stock. 

Der zehnte war der höchste und dort lebten der Anführer, alle wichtigen Verwalter und natürlich die Generäle. Jeongguk war zwar auch General, aber tatsächlich nicht offiziell. So genau hatte er keinen Begriff, welchen Rang er nun hatte. Eigentlich war Namjoon einfach nur zu faul für die Papierarbeit und Jeongguk hatte keine Lust, eine Etage nach oben zu ziehen.

Die Nacht des Neumondes war eingebrochen und die Einheit Drachenflügel machte sich nun bereit, ihre Gäste, die Drachen-Allianz, zu begrüßen. Schon von Weitem konnte man die große Gruppe an geflügelten Echsen sehen, die den Nachthimmel bedeckten. »Ich hoffe, du erinnerst dich noch an das gestrige Training«, hauchte Jeongguk an Taehyung gewandt und stieß ihn neckend in die Seite. »Such dir deinen Drachen-Partner weise aus. Sie haben extra für dich einige weitere Kameraden hergeschickt.«

Jeongguks Hauchen klang verführerisch in Taehyungs Ohren. In letzter Zeit flüsterte der Ältere des Öfteren in sein Ohr. Ob er bemerkt hatte, dass Taehyung dadurch immer mit einer angenehmen Gänsehaut reagierte?

»Ich bin total aufgeregt, dass ich mir bald einen schuppigen Kameraden aussuchen darf. Ich hoffe, ich bin ihrer Freundschaft würdig.« Taehyung war furchtbar gespannt auf das bevorstehende Ereignis. Schon gestern Nacht hatte er Jeongguk ein Ohr abgekaut, als sie im hohen Gras die Sterne bestaunt hatten.

»Drache und Reiter werden spüren, wenn sie zueinander gehören«, sprach Jeongguk dem Blonden beruhigend zu. »Es ist wie eine Seelenverwandtschaft. Nur nicht so innig und leidenschaftlich. Mehr ist das Gefühl eine Art Verbundenheit; ein Vertrauen, im Kampf füreinander da zu sein.«

Die Drachen landeten auf dem weiten Hügel und brüllten zur Begrüßung einmal stolz. Die Elben verneigten sich alle respektvoll vor dem Clan der Draconis.

»Unser Anführer hat uns fünf weitere Drachen geschickt, die bereit sind, einen Reiter für den Frieden aufzunehmen! Der Elben-Neuling ist herzlich willkommen, seine Klinge mit der Drachenklaue zu kreuzen!«, rief ein schwarzer Drache, der ganz vorn stand, sein Haupt war hoch erhoben. Namjoon war ebenfalls vor Ort. In seiner vollen Pracht neigte er seinen Kopf und bedeutete Taehyung, vorzutreten.

»Gestatte mir, unsere fünf Drachenkrieger vorzustellen«, fuhr der Anführer auch schon mit donnernder Stimme weiter. Fünf Drachen traten hervor. Einer weiß, der andere rot, ein blauer und zwei grünliche, allerdings in unterschiedlichen Tönen.

»Idris, die Schneekönigin. Evantis, der Himmelsmeteor. Utah, der Wellenreiter. Ferman, der Waldherr und Ayza, die Blumenhüterin. Bitte nimm dir die Zeit, unsere fünf auserwählten Krieger näher kennenzulernen, werter Adalis-Krieger Taehyung!«

Respektvoll verbeugte Taehyung sich erneut, als er vor die Drachen trat. 

»Es ehrt mich, dass ihr alle gekommen seid und mir erlaubt, zusammen mit euch die Lüfte zu besteigen.« Taehyung schloss seine Augen und nahm einen tiefen Atemzug.

»Gestattet mir, mich auch vorzustellen. Taehyung, aus Aynran, ich bin ein Windelbe.« Taehyung ließ seine Magie fließen, der leichte Wind umschloss ihn, kitzelte ihn und ließ seine Haare flattern. Die Brise kroch zwischen die Drachen, schlich um die riesigen Beine, ehe der Wind einen der Drachen ummantelte und sich wie eine zweite Haut um ihn legte. 

Der rote Drache streckte seinen Hals lang, ein Grollen erklang und Taehyungs Augen leuchteten kurz Gold auf. 

Überwältigt von dem Gefühl, das sich in seinem Inneren ausbreitete, klopfte sein Herz stark in seiner Brust. Taehyung konnte es fühlen: die Verbundenheit, dieses vertraute Gefühl, als wäre es schon immer ein Teil von ihm gewesen. Der rote Drachen trat vor, andächtig und stolz. 

»Ich bin Evantis, der Himmelsmeteor. Lass mich im Kampf deine Stütze sein und du die meine.« Die Stimme der Echse war laut und doch so warm. 

Taehyung trat näher, streckte seine Hand dem Drachen entgegen, der ihm ohne zu zögern die Schnauze entgegenstreckte, sodass sich Taehyungs Stirn dagegen lehnte. 

»So soll es sein«, flüsterte der Blonde auf altelbisch. Er war so voller Euphorie und Stolz. Dann drehte sich Taehyung um, erhaschte Jeongguks Blick und zeigte ihm das größte und strahlendste Lächeln. Denn an dem Glück, das ihn gerade erfüllte, wollte Taehyung Jeongguk unbedingt teilhaben lassen. 

Die neue Bindung zwischen Elbe und Drache wurde mit lautem Geklatsche, Gebrüll und freudigen Rufen begleitet. Die Drachen begaben sich zu ihren jeweiligen Reitern und ließen die Elben aufsteigen. Zu Jeongguk trat ein großer, kräftiger Drache mit silbrigen Schuppen. Begrüßend neigte er vor Taehyung den Kopf.

»Gestatten? Hederos, der Mondwächter. Ich bin Jeongguks Drachenbegleiter.«

Stolz lächelte Jeongguk seinen silbernen Drachen an und tätschelte ihn einmal am Hals. »Es ist nun Tradition, dass sich der neue Reiter mit seinem Drachen in die Lüfte schwingt und ihren ersten Jungfernflug vollführt. Wir anderen werden euch nachfliegen. Ihr entscheidet, wohin die Route führt.«

Taehyung fühlte so viel auf einmal. All die positiven Gefühle prasselten auf ihn nieder. Freudentränen stahlen sich in seine Augen. Er wusste gar nicht, wann er sich das letzte Mal so glücklich gefühlt hatte. Wahrscheinlich, als seine Mutter noch gelebt hatte. 

Mit Leichtigkeit schwang er sich auf den Rücken seines Drachen. »Sei die Flügel, die mich tragen, ich werde die Augen sein, die für dich sehen. Führe und schütze mich! Ich führe und schütze dich!« Der altelbische Satz der Verbundenheit klang so schön. Evantis brüllte einmal laut auf, bevor er seine Flügel ausbreitete und mit einem kräftigen Stoß die Lüfte erklomm. 

Das Adrenalin schoss durch den Körper des jungen Reiters und zeichnete sich mit einer Gänsehaut über seinem gesamten Körper aus. Das Gefühl war ein ganz anderes, als wenn Taehyung selbst mit dem Wind flog. Er konnte es kaum beschreiben. Es fühlte sich so an, als würde etwas jederzeit aus seiner Brust springen. Taehyung fühlte sich mächtig und befreit.

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