Kapitel 14

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Jeongguk beobachtete in der Stille das Schauspiel, das sich auf dem Trainingsplatz bot. Aus irgendeinem Grund zog sich sein Herz jedoch zusammen, als er Taehyung dabei erwischte, wie er einen der Lehrlinge mit großen Augen anstarrte, ja fast schon bewunderte. Jeongguk kannte den Muskelprotz. Zugegeben, Bang Chan war ein guter Krieger und manchmal wunderte sich Jeongguk, warum er nicht längst in die richtige Einheit eingestuft wurde und stattdessen noch in der Trainingseinheit gammelte.

Irgendwann konnte sich Jeongguk das ganze Schauspiel nicht mehr geben. So schritt er hinter Taehyung und beugte sich nahe zu seinem Ohr vor. »Was betrachtest du da eigentlich so sabbernd?«, raunte er in das Ohr des blonden Elben, leise und gefasst, damit nur Taehyung die Worte hören konnte.

Warm traf Jeongguks Atem eine besondere Stelle an Taehyungs Ohr. Die geflüsterten Worte, die nur für ihn bestimmt waren, kitzelten seine Haut und brachten die feinen Härchen binnen Sekunden zum Aufstellen. Beschämt senkte Taehyung sein Haupt. Das Nesseln an seinen Kleidern zeigte seine Nervosität.
»Ich sabbere nicht, ich habe nur gestaunt«, versuchte er sich zu verteidigen.
»Wäre ich doch nur annähernd so gut gebaut wie der andere.« Taehyung seufzte. Er war eine eher schlanker Statur, sein Vater war auch sehr fragil gebaut, ebenso seine Mutter. Das alles hatte Taehyung von ihnen geerbt. Dabei wünschte er sich so tolle Muskeln. Vielleicht würde sein Traum hier in Adalis wahr werden.

Langsam sah Taehyung auf, direkt in Jeongguks Augen. Sein Herz raste drauf los wie ein wildgewordener Drache. Diese goldbraunen Augen … Jeongguk brauchte Taehyung nur anschauen, um sein Herz zum Galoppieren zu bringen. Wie gern würde Taehyung sich in diesen Seelenspiegeln, gefüllt mit der gesamten Galaxie, verlieren. Taehyung würde sich in seine Arme schmiegen, seinen Kopf in die Halsbeuge des Älteren legen und dessen herben und trotzdem so süßen Duft inhalieren. Aber es ging nicht. Jeongguk war nicht so an ihm interessiert wie Taehyung an ihm. Das schmeckte er bitter auf seiner Zunge. Resigniert seufzte Taehyung. Sein Herz schmerzte, er musste hier weg.
»Ich gehe in meine Hütte. Vielen Dank für das Angebot, Jimin, aber du musst ohne mich gehen.« Taehyung schenkte dem Orangehaarigen ein freundliches Lächeln. Der Angesprochene nickte, verabschiedete sich und lief der Truppe zum See hinterher.

Zurück blieben Jeongguk und Taehyung. Eigentlich wollte er nicht gehen. Nicht allein. Taehyung wollte beim Älteren bleiben. Aber sein Herz pochte schmerzhaft. Und der Gedanke, dass Jeongguk es gar nicht wollte, stimmte Taehyung traurig. Schließlich glaubte er, eines Tages seinen Seelenverwandten zu finden.

Jeongguk runzelte leicht die Stirn. Wieso wollte er unbedingt, dass Taehyung ihn bestaunte und nicht irgendeinen dahergelaufenen Rekruten? Dennoch versuchte sich Jeongguk die Unzufriedenheit nicht allzu sehr anmerken zu lassen. »Wieso bist du nicht mit ihnen an den See gegangen?«, hakte Jeongguk überrascht nach und sah der kleinen Truppe hinterher, die vergnügt zum Gewässer wanderte.

Wie sollte Taehyung das Jeongguk bloß erklären? Gab es da überhaupt eine Erklärung für? Nein, es gab nur die Wahrheit. Taehyung wollte immer ehrlich sein. Also schloss er seine Augen, drehte sich langsam in Jeongguks Richtung. Tiefer Atemzug, ein Schritt näher an den Älteren. Seine Ohren glühten jetzt schon, und seine Wangen fühlten sich verdammt warm an.
Kleinlaut sprach Taehyung: »Weil ich lieber bei dir bleibe, mit dir essen gehe und Zeit verbringe … Was auch immer. Es sei denn, du möchtest nicht ...«

Für einen kurzen Moment blieb Jeongguks Herz stehen, ehe es gleich darauf wieder schneller zu schlagen begann. Mit großen Augen sah er den blonden Elben vor sich an, wusste nicht, was er darauf antworten sollte. Die so simple Antwort brachte Jeongguks Gefühle durcheinander. Ein sanftes Lächeln bildete sich auf seinen Lippen. Ganz vorsichtig hob Jeongguk die Hand und strich Taehyung einige verlorene Strähnen aus dem Gesicht. »Liebend gern würde ich mehr Zeit mit dir verbringen. Ich fühle mich wirklich geehrt, dass du tatsächlich mich bevorzugst, anstatt die anderen. Das ... erwärmt mein Herz. Du weißt gar nicht, was du in mir auslöst ...« Eigentlich hatte Jeongguk nie vorgehabt, diese letzten Worte auszusprechen, doch nun waren sie draußen.

Die Wärme, die von Jeongguks Finger ausging, als dieser Taehyung die Haarsträhnen hinters Ohr streifte, war so unendlich intensiv. Taehyungs Herz lief einen Marathon. Jeongguks Worte trafen den jungen Elben direkt im Herzen und gaben ihm Mut. Also machte er den letzten Schritt, schlang seine Arme um Jeongguks Hüften und drückte sich an ihn. Taehyung folgte seinem Verlangen und vergrub sein Gesicht in Jeongguks starker Brust.
Das Geflüsterte »Du auch in mir« war kaum zu hören.

Augenblicklich wurde Jeongguks Herz mit Wärme gefüllt. Für eine Weile verharrten sie so Arm in Arm auf dem nun leeren Trainingsplatz. Und noch nie hatte sich Jeongguk so lebendig gefühlt wie in diesem einen Augenblick.

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