Noch nie so offen

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Kapitel  14

Ein plötzlicher Moment der Stille legte sich zwischen uns, so schwer und dicht, dass jeder Herzschlag lauter schien als das leise Summen des Kühlschranks im Hintergrund. Mufasa stand direkt vor mir, sein Blick durchdringend und voller ungefilterter Emotionen. Ich konnte fühlen, wie die Anspannung zwischen uns fast greifbar wurde, als wäre sie ein Dritter im Raum, der uns beide genau beobachtete.

„Warum ist das alles so kompliziert?“, murmelte er schließlich, seine Stimme leise und voller Frustration. Ich sah, wie seine Schultern etwas nachgaben, als hätte er in diesem Moment eine Entscheidung getroffen, die ihn all seine Energie kostete.

„Mufasa, ich verstehe das nicht. Was genau erwartest du von mir?“, fragte ich vorsichtig, um seine Reaktion abzutasten.

Er schloss kurz die Augen, als müsse er einen inneren Kampf ausfechten, bevor er wieder aufsah und antwortete. „Ich weiß es nicht genau. Ich... ich hab das Gefühl, du ziehst dich zurück, dass du... dich veränderst.“ Er verstummte, als wäre er selbst überrascht über seine eigenen Worte.

Seine Offenheit war ungewohnt, und es machte mir auf seltsame Weise Angst, ihn so verletzlich zu sehen. Mufasa, der sonst immer der selbstsichere, unerschütterliche Freund gewesen war, schien plötzlich wie ein Mensch, der sich in einem Sturm aus Gefühlen verloren hatte.

„Mufasa, ich bin hier. Ich habe mich nicht verändert“, antwortete ich, obwohl mir klar war, dass dies nicht die ganze Wahrheit war. Die letzten Tage mit dem neuen Jungen, die vielen Gespräche und das Lachen hatten etwas in mir aufgerüttelt. Es war, als hätte ich eine Seite an mir entdeckt, die ich bis dahin versteckt gehalten hatte – eine Seite, die unabhängig von Mufasa und unserer Freundschaft existierte.

Er schüttelte langsam den Kopf. „Du merkst es nicht, oder? Du merkst nicht, wie du in seiner Nähe strahlst, wie du anders bist, wenn er dabei ist.“ Seine Stimme war leise, fast verletzlich, als er die Worte aussprach.

Ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte. Der neue Junge war mir tatsächlich ans Herz gewachsen, und das machte es schwer, Mufasas Vorwürfe einfach abzuweisen. Es tat weh, ihn so wütend und verletzt zu sehen, aber gleichzeitig fühlte ich mich unfairerweise in die Ecke gedrängt, als müsste ich mich für etwas rechtfertigen, das ich selbst kaum verstand.

„Mufasa, er ist nur ein Freund“, sagte ich, die Worte klingen hohl in meinen Ohren. Ich spürte, dass es mehr brauchte als das, doch ich wusste nicht, was.

Er schnaubte leise und wandte den Blick ab. „Vielleicht ist er das für dich“, murmelte er und schritt langsam durch den Raum. „Aber für mich fühlt es sich anders an.“

„Was soll das heißen?“ fragte ich, etwas fordernder, als ich es beabsichtigt hatte.

Er blieb abrupt stehen und schaute mich an. Für einen Moment schien es, als wolle er etwas sagen, das all seine Zweifel und Eifersucht auf den Punkt bringen würde, doch dann schüttelte er nur den Kopf und lachte bitter.

„Weißt du was? Vergiss es. Vielleicht hab ich mir auch nur zu viel eingebildet. Vielleicht bin ich der Idiot, der dachte, dass zwischen uns...“ Er brach ab und sah weg, so als hätte er sich gerade selbst über seine eigenen Gefühle erschrocken.

Ich atmete tief ein und trat noch einen Schritt auf ihn zu, legte sanft eine Hand auf seinen Arm. „Mufasa, bitte... rede mit mir. Sag mir, was du fühlst.“

Für einen Augenblick spürte ich, wie seine Anspannung nachließ, doch dann zog er sich abrupt zurück, als würde er sich selbst schützen müssen. „Es ist nichts, okay? Vielleicht bin ich einfach zu sentimental. Vielleicht sollte ich dir einfach deine Freiheiten lassen.“

Diese Worte trafen mich, denn ich wusste, dass sie nicht die Wahrheit widerspiegelten. Seine Augen verrieten mehr, als seine Worte es jemals tun könnten. Der Schmerz in ihnen spiegelte etwas wider, das ich bisher nie vollständig erfasst hatte – eine unerfüllte Sehnsucht, die ich all die Zeit übersehen hatte.

Ich seufzte leise. „Mufasa, bitte lass uns das klären. Ich will nicht, dass du denkst, dass dir irgendetwas entgleitet. Du bist mir wichtig, du bist mein bester Freund.“

Doch statt die Spannung zu lösen, schien diese Aussage ihn nur weiter aufzuwühlen. Er schüttelte den Kopf, seine Stimme nun lauter, eindringlicher. „Ist das alles, was ich für dich bin? Dein bester Freund? Mehr nicht?“

Ich hielt inne, überrumpelt von seiner Frage. Noch nie hatte ich darüber nachgedacht, ob da mehr sein könnte, und nun, da er die Frage aussprach, wurde mir klar, wie tief sie ging. Unsere Freundschaft war für mich immer ein unerschütterlicher Bestandteil meines Lebens gewesen, doch jetzt, in diesem Moment, spürte ich die Möglichkeit einer Veränderung, die mir Angst machte.

„Ich… ich weiß es nicht, Mufasa“, stammelte ich schließlich und fühlte mich plötzlich schutzlos und verwirrt.

„Genau das dachte ich mir“, murmelte er enttäuscht, seine Schultern senkten sich, und seine Augen blickten müde in meine Richtung.

Es schien, als wolle er sich umdrehen und gehen, als wolle er das Gespräch beenden und das Thema für immer in der Stille begraben. Doch ich konnte ihn nicht einfach so gehen lassen, nicht mit all diesen ungelösten Fragen und Gefühlen, die nun zwischen uns hingen.

„Warte, Mufasa“, rief ich und trat noch einmal näher. „Vielleicht… vielleicht habe ich zu lange gebraucht, um zu erkennen, was du mir bedeutest. Vielleicht hat dieser neue Freund mir nur gezeigt, dass ich mich wohler fühle, wenn du an meiner Seite bist. Aber ich brauche Zeit, das alles zu verstehen.“

Er sah mich an, seine Augen voller Unsicherheit und Verletzlichkeit. Für einen Moment dachte ich, er würde die Distanz wieder schließen und alles Unausgesprochene in einer Umarmung auflösen. Doch stattdessen nickte er nur langsam, als würde er die Worte abwägen.

„Ich hoffe, dass du deine Antwort irgendwann findest“, sagte er leise und wandte sich schließlich zur Tür. Noch bevor ich ihn aufhalten konnte, war er verschwunden und ließ mich allein mit einem Durcheinander an Gefühlen zurück, die ich mir selbst noch nicht eingestehen konnte.

Allein in meiner Wohnung, in der Stille, wurde mir das Gewicht seiner Worte klar. Vielleicht hatte er Recht. Vielleicht musste ich endlich herausfinden, was er wirklich für mich bedeutete, bevor es zu spät war.

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