Kapitel 9 - Jessica

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Nackt

Ich schließe die Augen wie ein kleines Mädchen, in der Hoffnung es würde mich beschützen. Abschotten von hier. Die Welt wurde sich weiter drehen ohne meine Anwesenheit. Doch ich weiß genau

Irgendwann muss ich sie wieder öffnen.

Meine Hände sind unter dem Tisch in einander verschränkt. Meine Nägel hinterlassen Spuren auf meinen Händen als ich sie wieder auseinander nehme.

Langsam kehrt die Geräuskullise der Welt zu mir zurück und das Unbehagen drängt sich wieder in meine Kehle.

Die ersten 15 Minuten überlebe ich wie immer damit in mein Buch zu starren und seine Stimme nicht zu mir durchdringen zu lassen. Doch nach einer Weile selbstständigen Arbeiten schleicht dieser Teufel durch die Reihen, beantwortet Fragen und landet schließlich immer vor meinem Tisch. Ich umklammere meinen Kugelschreiber und beiße die Zähne aufeinander.

Er beugt sich zu mir runter und von seinem penetranten Parfum wird mir übel. Seine Hand legt sich auf meine Schulter und die Stimme die ich so sehr verfluche fragt mich:

,,Soll ich dir diese Aufgabe erklären, Jessica?"

Seine harmlos gehauchten Worte jagen mir einen Schauer über den Rücken.
Ich nehme all meine Kraft zusammen und sehe in seine stechend blauen Augen. Diese erwidern meinen Blick bis sie meinen Körper mit einem Funkeln von oben bis unten mustern.

Seine an mir herunter gleitenden Augen geben mir das schrecklich schutzlose Gefühl im nackt gegenüber zu stehen. Ich drehe meinen Kopf weg und schließe die Augen.

,,Nein, ich brauche keine Hilfe."

,,Ach komm schon, ich bin doch dein Lehrer. Das ist mein Job.''

Finsternis. Beschütz mich. Bring mich weg von hier. Bei der Berührung dieser großen warmen Hand zucke ich zusammen. Während diese von meinem Knie über meinen Oberschenkel gleitet höre ich Wie in der Ferne wie seine tiefe glatte Stimme eine Aufgabe auf Englisch erklärt.
Am liebsten Hätte ich den Tisch umgestoßen, damit seine Taten sichtbar sind. Bloßgestellt. Nackt.

Als seine Fingerspitzen langsam zwischen meine Beine schieben kneifen ich die Augen fester zu und beiße mir auf die Zunge um nicht zu schluchzen.

Im Dunklen ist man zwar allein. Verlassen. Aber auch beschützt. In keiner Weise ausgeliefert.

Auf einmal dringt aus dem endlosen Dunklen eine Stimme. Eine Bekannte stimme. Eine Gute.

,,Mr. Johnson, can you help me, please?''

Ich weiß nicht ob Fabi gesehen hat, doch er hat mich getrettet. Ich weiß nicht ob es bewusst war, aber es kann mir egal sein. Ich werde ihm niemals vergessen, dass er der einzige ist der auf meiner Seite ist.

,,Einen Moment, Fabi. Ich möchte noch kurz ein Einzelgespräch mit Jessica führen. Ich will nur sicher gehen, dass sie nicht nochmal unentschuldigt fehlt.''

Ich falle nach hinten doch schlage nicht auf. Ich werde langsam von der Dunkelheit verschluckt und dass letzte was ich sehe ist sein hämisches Grinsen.

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