Kapitel 10 - Fabi

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Die Blicke

Es war die letzte Stunde die mich von meinem Bett trennte. Und während ich an die leicht fallenden Falten meiner duftenden weißen Decke dachte machten diese menschlichen Kakerlaken um mich herum immer mehr Lärm.

Trotzdem konnte ich, wenn ich meine Augen schloss den samtigen Stoff auf meiner Haut spüren. Den Duft riechen, den Qualm schmecken und den Rausch spüren.

Das schwungvolle Aufreißen der Tür rieß mich brutal aus meiner Schwärmerei.

Unser Englischlehrer betrat das Klassenzimmer. Die Schüler stellten ihre belanglosen Gespräche nach und nach ein und ich versuche mit aller Kraft meine meine schlechte Laune zu verbergen.

Anstatt Zuhause in meinem warmen Bett zu liegen und schadenfroh den Regen zu betrachten, der anderen Leuten statt mir den Tag verdarb, war ich gezwungen das Klischee von langweiligen Mädchen dabei zu beobachten wie sie unseren Lehrer anhimmelten.

Dieser ließ sich für gewöhnlich erstmal 15 Minuten von den Mädchen vergöttern bis er uns selbstständig arbeiten ließ. Statt den Aufgaben mit Grundschulniveau kitzelte ich meine Gedanken in das Heft.
Alles was in meinem Kopf umher schwirrte.
Ich rieß einen unbedeutenden Gedanken aus der Luft und hielt in auf den Papier fest. Wenn auch etwas unbeholfen.

Ich zeichnete den Regen, das Fenster, das Bett und das Zimmer. Den Rauch und die Maske. Selbst Jessica war am Schluss zwischen dem Gekritzel zu erkennen.

Ich betrachtete stolz ihr schmales Gesicht. Ich drehte mich zu ihr um um ihr die Zeichnung zu zeigen.

Es war still. Ich konnte nur mein ungleichmäßige Herzschlag hören.
Bei dem Anblick der sich mir bot fiel meine Maske scheppert zu Boden.

Mr Johnsons Hand streichelte über Jessicas Oberschenkel. Während er grinsend etwas auf Englisch erklärte saß sie verkrampft zitternd mit geschlossenen Augen und gequältem Gesichtsausdruck da.

Ich rief nach ihm. Er sollte mir etwas erklären wobei ich den unentspannten Ton in meiner Stimme bemerkte. Mein Lehrer sah mich kurz genervt an. Dann erklärte er er möchte mit Jessica alleine sprechen.

Ich riss die Augen auf. In diesem Bruchteil einer Sekunde malte ich mir aus was er ihr alles antun wird. IHR. Dem einzigen Menschen der für mich existiert. Der mich sieht, mich liebt und versteht.
Ich schlug auf den Tisch und sprang auf.

,,Fassen sie Jessica nicht an!", hörte ich mich schreien.

Meine Stimme war mitten im Satz gebrochen und ich spürte Tränen aufkommen. Ich fühle mich plötzlich unerträglich hilflos. Trotzdem nahm ich die brennenden Blicke der anderen kaum war. Ich griff nach meiner Tasche und lief nach hinten wo mein Lehrer mit seinen Lippen Wörter formte die wohl nur für mich bestimmt waren. Ich sah zu Jessica die auf den Boden starrte und ihre Arme umklammert hielt.

Ich versetzte meinem Lehrer einen kräftigen Stoß. Dieser riss bei seinem Sturz mehrere Stühle um die krachend auf im landeten.

Die Blicke der anderen brannten jetzt tiefer. Weshalb ich auch nach Jessicas Tasche griff und dann nach ihrer Hand.

Bei der stürmischen Flucht aus unserem Alltag warf ich einen letzten Blick zurück auf dieses bekannte Zimmer. Auf dem Boden lagen immer noch tausend Scherben meiner Maske. Ich sah dieses tote alte Ich und war glücklich.

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