Kapitel 21 - Jessica

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Ein paar Sonnenstrahlen

Ich öffne die Augen und sehe mich um. Ich bin Fabis ungenutztem Gästezimmer. Aus dem Wohnzimmer dringen Stimmen und gute Musik. Der gestrige Abend ist mit einem blassen Schleier bedeckt.

Ich reibe mir die Augen und wickle mich dann in die decke ein.
Man hört meine nackten Füße auf dem Boden. Verschlafen betrete ich das Wohnzimmer in dem Chloe und Fabi es sich gemütlich gemacht haben. Die Stereoanlage gibt leise die passende Hintergrundmusik an.

Chloe springt auf und fällt mir um den Hals.
,,Jessi, du bist wach! Ich mach dir schnell einen Kaffee.", sagt sie und läuft davon.

,,Guten Morgen, Sonnenschein.", trällert Fabi.
,,Hey, sorry wegen gestern. Ich hätte mehr darauf achten sollen dass du dich auch wohlfühlst."

,,Nein, schon gut. Du warst ja selbst voll drauf. Ausserdem geht's mir jetzt besser wo ich mich ausruht habe.", gebe ich zurück und lächle ihn an.

Er fragt mich ob ich Bong rauchen möchte und als ich nicke stopft er mir einen Kopf.

,,Ich hab schon Chloe gesagt, dass es sein kann dass du in den nächsten Tagen ein bisschen ausgelaugt und appetitlos bist. Das ist sowas wie ne Nachwirkung von MDMA.", erklärt Fabi.

Chloe betritt das Zimmer mit einer dampfenden Tasse schwarzem Kaffee und hält ihn mir vor die Nase. Ich ergreife die Tasse und atme das herbe Aroma ein. Ich trinke einen großen Schluck während Fabi mir den Bongkopf hochzieht.

Um 16 uhr sitzen wir immernoch im Wohnzimmer. Mittlerweile sind wir alle ziemlich stoned, kuscheln und reden nur. Die Sonne scheint durch das schmale Fenster und wärmt unsere Beine. Aus der Anlage tragen 'The xx' ihren Teil zu diesem wunderschönen Moment bei.

,,Leute?", fragt Chloe zögerlich.
,,Also ich würd euch gerne was wichtiges über mich erzählen. Aber ich möchte die Stimmung nicht zerstören."

,,Das tust du nicht. Wir wollen uns doch alles erzählen.", sage ich und streichle ihren Kopf.

,,Wenn es etwas gibt das wir tun können damit du dich wohler fühlst sag uns Bescheid.", antwortet Fabi.

,, Also ich will nicht das ihr mich für ein Junkie haltet aber kann ich vielleicht ein Teilchen nehmen bevor ich es erzähle.", fragt sie beschämt.

,,Natürlich.", antwortet Fabi und steht auf.

,,Wir würden dich niemals verurteilen, Chloe. Wir sind doch sowas wie eine Familie. Du bist wie eine Schwester für mich.", sage ich und gebe ihr einen Kuss auf die Stirn.

,,Danke Jessi, ich hab dich lieb.", murmelt sie während sie mich umarmt.

Fabi kehrt mit einer Medikamentenbox zurück ins zimmer.

,,Leute, können wir nachher meine Haare schneiden?", fragt er während wir überlegen was und wieviel wir nehmen wollen.

Ich muss lachen. Seine Haare sind wirklich lang geworden. Seine dunklen fast schwarzen Haare, die so gut zu seinen braunen Augen passen.

Draußen, außerhalb dieser Wohnung, die uns drei wie eine Festung vor der tristen Realität schützt geht langsam die Sonne unter. Der Raum ertrinkt im goldenen Licht. Auf den letzten Sonnenstrahlen die ins Zimmer fallen tanzt der Staub in der Luft.

Wir drei liegen auf dem Rücken und schauen auf die Zimmerdecke.

,,Als ich klein war war ich immer total lebensfroh. So ähnlich wie jetzt nur noch nicht so enttäuscht. Ich war noch nicht misstrauisch und kannte auch nicht das Gefühl von Trauer oder Depression.
Als ich sechs Jahre alt war wollte ich mit meiner Mutter in den Zoo. Ich hatte Geburtstag und mich sehr gefreut. Aber wir sind nie angekommen.
Wir hatten auf dem Weg einen Auto Unfall. Ich weiß noch genau wie mir der Gurt fast die Luft abgeschnürt hatte als unser Wagen kopfüber auf der Straße lag. In dem Moment als ich in die toten leeren Augen meiner Mutter sah wurde ich verrückt. Oder ein Psycho wie die anderen aus der Schule mich nennen. Ein Arzt hat erst viel später diagnostiziert dass ich schizophren geworden bin als mein sechs jähriges Ich mit dem Tod und dem Anblick der Leiche meiner Mutter konfrontiert wurde."

Ich schluckte. Ich setzte mich auf und sah Chloe an. Im selben Moment schossen uns beiden die Tränen in die Augen und wir umschlagen uns. Sie brauch in der Umarmung zusammen. Schlutzte uns schrie nach ihrer Mutter. Ihre Tränen liefen über meinen Hals und sie krallte sich an mir fest.
Hilfesuchend mit Tränen überlaufem Gesicht sag ich zu Fabi. Sein Gesicht war in den Händen vergraben.
Plötzlich sprang er auf, stürmte auf den Balkon und schlug die Tür hinter sich zu. Durch die offen stehende Zimmertür konnten wir sehen dass er schrie.

Chloe stand langsam auf während sie mit zitternder Stimme sagte:
,,Ich will mir gar nicht vorstellen was er alles erlebt hat."
Dann drehte sie sich zu mir um und nam meine Hand.

Wir gingen auf den Balkon. Und umarmten ihn.

Ewig standen wir drei so auf dem Balkon. Arm in Arm.

Bis die Klingel ertönte.

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