Kapitel 17 - Jessica

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Augenaufschlag.

Ich hatte das Gefühl mit eben diesem ersten Aufschlag, am ersten Tag der zählt zu spüren, dass ich da bin wo ich sein sollte.

Vorsichtig löste ich mich aus einer Umarmung und auf Zehenspitzen schlich ich mich zu dem großen Fenster, das das Zimmer mit blassem hellblauen Licht erfüllte.

Ich zog die langen weißen Vorhänge zur Seite, schloss die Augen und öffnete das Fenster.

Eine Welle kalter frischer Hamburger Luft stieß mir entgegen und atmete so tief ein, dass meine Brust sich schwellte. Dann schlug ich wieder die Augen auf.

In den Straßen stand der Nebel einer eisigen Nacht, doch die Morgensonne warf all ihren träumerischen Scharm in diesen einen ersten Augenblick der zählt.
Ein Schwarm Möven flog über die Stadt und ich flog innerlich mit.

Nach einer Weile gedankenverlorenem Träumen auf dem Fensterbrett drehte ich mich zu Chloe und Fabi um.
Sie dösten noch immer. Plötzlich tauchte die Frage in meinem Kopf auf:
Wie sind wir überhaupt eingeschlafen?

Ich erinnere mich an lange sehr emotionale Gespräche von denen ich dachte, dass ich sie mit niemandem auf der Welt führen könnte.
Nach dem wir alle drei so mitgerissen und aufgelöst waren haben hat Fabi etwas von seinem 'Vorrat' geopfert.

Zu diesem Vorrat:
Am Tag zuvor, bevor wir Chloe getroffen haben wir darüber geredet wie es jetzt weiter geht.
Ich war mir so unsicher, weil ich mich doch jetzt schon ewig untergeordnet habe.
Ich habe in der Schule und Zuhause so viel ertragen für diesen normalen Alltag, des kranken pervertierten Aufzwingen von Idealen und Normen, die sich von selbst aus einer Masse von gestörten Individuen heraus entwickelt haben.

Also hat Fabi mir erzählt was er schon immer vorhatte.
Wenn alles schief läuft und er nirgends mehr hin kann, er nichts und niemand hat für den es sich lohnt hier zu bleiben wird er alle Klamotten, alle decken, all sein Geld und all seine Drogen in seinen Bus packen und weg fahren.

Ich habe lange darüber nachgedacht, denn als wir gestern stoned, drauf und endlich wieder glücklich waren haben wir uns geschworen bis zum Ende dieses Monats all unser Geld auf zu treiben und dann zu fahren.

Und wer von uns jemals zurück in dieser Hölle aus Normalität und den Morast der monotonen Ansichten und Leute geht, wird in 30 Jahren eine spießige Familie, einen langweiligen und trotzdem kräfteraubenden Job, wahrscheinlich Blutkrebs und ein Leben haben für das es sich nicht zu leben lohnt.

Ich freu mich auf unser Abenteuer.

Mit diesem Gedanken springen ich auf und ziehe mich an. Ich schreibe den beiden einen Zettel fals sie bald aufwachen, gebe jedem einen Kuss auf die Stirn und laufe los nach Hause, zur Bank und dann zum Bäcker um den beiden Personen nach den ich mein Leben lang gesucht habe einen Vorgeschmack auf unsere gemeinsamen Morgen zu kredenzen.

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