Teil 7 - Severus

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Von allen Seiten ist das Gelächter der vielen Zauberer zu hören, die nun kurz vor Schuljahresbeginn noch ihre letzten Besorgungen erledigen müssen. Ich werde von einer Schar Kinder angerempelt, die ungefähr in meinem Alter sein müssen und an der nächsten Ecke in einem Laden namens "Qualität für Quidditch" verschwinden. Schnell werde ich von meiner Mutter weitergewunken, als ich stehen bleibe und ihnen böse Blicke hinterherwerfe. Noch immer grimmig dreinschauend folge ich meinen Eltern, die seit ihres Streits im Auto nicht mehr miteinander geredet haben. Erst als Lily mir eine Hand auf die Schulter legt und mich sanft mit sich zieht, entspannen sich meine Gesichtszüge wieder. Ich schaue sie dankbar an, dann ringe ich mir ein Lächeln ab und lasse mich von den Menschenmassen weiter den Weg in Richtung Gringotts hinauftreiben. Trotz des Chaos, das hier in der Winkelgasse stets herrscht, habe ich bei jedem Besuch sogleich das Gefühl, nach Hause zu kommen. Bis auf ein paar Ausnahmen, die definitiv von Gryffindors herrühren, scheinen unsere Herzen im gleichen Rythmus zu schlagen. Nicht selten werde ich von mir schier unbekannten Personen freundlich begrüßt und es ist fast, als hätte ich dutzende Freunde. Nur, dass dies nicht der Wahrheit entspricht.
Lily Evans, das Mädchen, das hier neben mir wandert und völlig fasziniert von den verschiedenen Geschäften oder vielleicht auch von den vielen Zauberern und Hexen ist, ist meine einzige Freundin. Es gibt zwar einige Reinblüter mit denen ich oft meine freie Zeit verbringe (von der ich mehr als genug habe), aber dies liegt zum Großteil an dem hohen Einfluss meiner Mutter, die früher im Hause Slytherin schon sehr angesehen war und noch immer mit vielen aus ihrer Schulzeit befreundet ist. Ich hingegen ziehe mich lieber zurück, denn der ganze Trubel um uns herum gefällt mir nicht. Ich möchte nicht aufgrund meiner Herkunft gemocht werden - ich möchte so gemocht werden, wie ich bin.
Ich erinnere mich noch zu gut an meine ersten Versuche, richtige Freundschaften zu schließen - vergeblich. Ich hatte nie die Möglichkeit, jemanden mit nach Hause zu bringen und wenn ich es doch getan habe, wollten diese Leute danach nichts mehr mit mir zu tun haben, weil sie durch das ständige rumgeschreie vergrault wurden. Meine Eltern können sich nicht einmal mir zuliebe zusammenreißen, so sehr sind sie auf ihren immer andauernden Streit fokussiert. Es ist mir ein Rätsel, warum sie überhaupt noch zusammenleben. Vielleicht hat meine Mom Angst, dass mein Mugglevater ihr Geheimnis ausplaudern würde. Vielleicht fürchtet sie, aus der Zauberergesellschaft ausgeschlossen zu werden. Vielleicht...

Ich schrecke aus meinen Gedanken hoch, als Lily mich anstupst und aufgeregt auf einen Kobold zeigt, der an dem großen Tor vor Gringotts Wache steht. Mit großen Augen sieht sie mich an. "Ist das etwa ein Kobold?"
Ich nicke. "Ziemlich hässlich, was?"
Lily schubst mich leicht bei dieser Bemerkung. "Sei nicht immer so gemein! Sie sind doch... nun ja, ganz niedlich."
Ich sehe sie entgeistert an, doch dann bemerke ich, dass sie lacht und stimme in ihr Gelächter mit ein. Heute ist ein schöner Tag und statt Trübsal zu blasen, sollte ich diesen lieber mit Lily genießen. Es hat sehr lange gedauert, meine Mom zu überreden, dass Lily heute mitkommen darf, aber ich bin froh, dass sie letztendlich eingewilligt hat und nett zu Lily ist.

Während Mom und Dad sich anstellen, um uns zu unserem Verließ führen zu lassen, gehe ich mit Lily zu einem Schalter, an dem wir Muggel-Geld in Zauberer-Geld wechseln lassen können. Lilys Mom hat ihr einen ganzen Stapel Papierscheine mitgegeben für den sie einen großen Beutel Galleonen erhält. Obwohl mein Vater ein Muggel ist, habe ich mich nie großartig mit diesem Zeug beschäftigt und es fasziniert mich sehr, dass dieser Papierstapel einen so großen Wert zu haben scheint.
Als Lily ihr Gold beisammen und gut verstaut hat, gehen wir hinüber zu meinen Eltern, die schon mit einem grotesk aussehenden Kobold vor einer großen, dunklen Tür warten, die hinunter zu den Verließen führt. Der Kobold schnalzt mit der Zunge, als er uns sieht. "Können wir dann endlich los?"

Der Kobold führt uns in einen nur spärlich beleuchteten Gang, greift sich eine Lampe von einem Halter an der Wand und gebietet uns, ihm zu folgen. Ich spüre, wie Lily neben mir zusammenzuckt, als die schwere Tür hinter uns zufällt und nehme ihre Hand in meine.
Wir steigen in einen kleinen Wagen, der auf Schienen steht und lassen uns von dem Kobold hinab zu unserem Verließ fahren. Die Fahrt dauert nicht lange, aber dennoch merke ich, dass Lily sehr angespannt ist, da es bis tief unter die Erde geht und die Luft immer feuchter und stickiger wird.
Plötzlich lehnt sich Lily zu mir hinüber und deutet auf meinen Dad, der vor uns sitzt und sich verzweifelt an dem Waggon festklammert. "Er kann das alles hier nicht sehen, oder?"
Überrascht sehe ich sie an. Sie hat recht. Ich habe noch nie darüber nachgedacht, wie das alles hier für meinen Vater aussehen muss. Mit einem Mal empfinde ich sehr großen Stolz für ihn. Unsere Familie muss ihm doch irgendwie wichtig sein, wenn er so einen Horrortrip für uns durchmacht.

Nachdem ich einen kleinen Beutel mit Gold gefüllt habe und wir die unterirdischen Räume von Gringotts verlassen haben, kehren wir in die Winkelgasse zurück. Meine Mom schlägt vor, dass sie unsere Schulbücher besorgen und in der Apotheke vorbeischauen könnte, während wir unsere Umhänge kaufen.
Eine Weile später treffen wir uns vor Ollivander's wieder. Auf dieses Geschäft habe ich mich am meisten gefreut, da ich sehr gespannt darauf bin, welcher Zauberstab sich mich aussuchen wird.

Bevor wir den Laden betreten, spüre ich ein nervöses Zupfen an meinem Ärmel. Ich drehe mich fragend zu Lily um.
"Sev! Ich will da nicht rein. Was ist, wenn das alles ein Missverständnis ist und sich gleich herausstellt, dass ich eigentlich gar nicht dazu im Stande bin, mit einem Zauberstab umzugehen?" Sie scheint den Tränen nahe. Alarmiert suche ich nach den passenden Worten, doch mir will einfach nichts einfallen. Ich ziehe sie stattdessen einfach in eine feste Umarmung und lächle sie dann aufmunternd an.


Severus und Lily - geliebt, gekämpft&verlorenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt