Komet

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Nick hatte eine Scheißangst vor der Dusche.

Er war nur ein schmächtiger, blonder Junge vor dem Tor zur Hölle. Die Hölle, das war die Schwimmhalle. Und darin lauerte die Dusche, die ihn umbringen würde. In der Männer-Umkleide hockte sie und wartete wie ein Schwarm hungriger Piranhas auf seine hilflose Beute. Ihr gieriges Rauschen war bis hier draußen zu hören.Indem Geräusch des herabprasselnden Wassers flüsterte die dämonische Dusche:Du entkommst mir nicht! - Heute mache ich dich fertig! - Davon erholst du dich nie wieder! ...

Nick presste den Rucksack vor den Bauch, als hätte er Bauchschmerzen. Wären es doch nur Bauchschmerzen! Aber das Problem saß viel tiefer.Er hielt den Eastpak fest umschlungen, seine Nägel verkrallten sich in den Unterarmen.

Und das Schlimmste: Er konnte sich nicht mal mehr krankmelden.

Um den Problemen zu entgehen, hatte er das so oft getan, dass sein Klassenlehrer Mama zur Schule bestellt hatte. Von dem Gespräch war sie ziemlich wütend nach Hause gekommen. Du wirst nie wieder blaumachen, hast du mich verstanden? Nie wieder!

Also litt er nun und sah dem unumstößlichen Untergang entgegen.

Seine Hinrichtung hatte in der Pause begonnen. Er blieb im Klassenraum, obwohl das eigentlich verboten war. Aber er versteckte sich gerne hier vor den anderen. Er war so in Sicherheit und er hatte seinen Frieden. Das Geschrei vom Pausenhof drang nur gedämpft herein und er konnte in aller Ruhe Comics lesen. Avengers, Iron Man, oder zur Not auch Justice League- wenn ihn niemand störte, schaffte er genau eine Ausgabe bis zum Klingeln.

Doch heute hatte ihn jemand gestört. Sven Fellenberg kam rein. Er war nicht auf herkömmlichem Weg gezeugt worden. Svens Eltern hatten ihn aus einem Katalog für Unterwäsche-Models ausgeschnitten. Zumindest sah er so aus. Er war einen halben Kopf größer als Nick, braungebrannt und sportlich bis in den letzten Muskel. Nick zuckte zusammen. Sven über den Weg zu laufen, verhieß normalerweise nichts Gutes. Aber jetzt war er ohne seine Leute unterwegs. Er machte keine spöttische Bemerkung und grinste auch nicht. Er guckte Nick nur kurz an und sagte »Hi«.

Nicht Hi, Arschgesicht.

Nur Hi.

Das war so ungewöhnlich, dass Nick nicht wusste, wie er darauf reagieren sollte. Er zögerte viel zu lange, bis er endlich mit »Hi«antwortete. Nun wirkte es doof.

Sven beachtete ihn gar nicht. Er ging zu seiner Tasche und begann, darin herumzuwühlen.

Nick tat so, als würde er seine Iron-Man-Ausgabe weiterlesen. Verstohlen blickte er alle paar Sekunden hinüber. Sven fummelte in seinen Sachen rum. Wäre Sven nicht Sven und Nick nicht Nick, hätte er einfach fragen können, was der andere da machte. Aber Sven war eben Sven. Sobald man Sven fragte, bekam man eine auf die Fresse. Und Nick war Nick und hatte ständig Angst, eine auf die Fresse zu bekommen.

Wenn er jetzt so darüber nachdachte, hätte er viel lieber eins auf die Fresse bekommen. Das Ergebnis wäre nun eine blutige Nase oder ein blaues Auge. Das würde wieder weggehen. Doch er hatte sich leider keine eingefangen und stand stattdessen hier und wartete. Wartete darauf, dass die Dusche ihn vernichtete.

Sven hatte ihn plötzlich angesehen. Nick versenkte den Kopf im Comic. Scheiße, zu spät!

»Willst du auch mal?«, fragte Sven.

Nick starrte ihn an wie ein Rehkitz in dunkler Nacht die Autoscheinwerfer. Wenn Sven ihn überhaupt mal etwas fragte, dann nur Bist du schwul, oder was?Jetzt hielt er eine Tupperdose in der Hand. Und es sah tatsächlich so aus, als ob er ihm den Inhalt anbieten würde.

Basaltblitz - Geburt eines HeldenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt