Der Enthüllungscomic

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Wenn man bedachte, wie dringlich die Sache angeblich war, dauerte es erstaunlich lange, bis jemand die Tür öffnete. Als sie doch noch aufging, nuschelte Be eine Entschuldigung und ging voraus in sein Zimmer.

Der Boden sah genau so aus, wie ihn Nick gestern zuletzt gesehen hatte. Er lag voller Comics. Auf dem Bett standen einige Teller mit Essensresten und ein nur mehr halbvoller Pizzakarton. Das Gruseligste aber war Bes Schreibtisch. Zur Hälfte wurde er von wüst herumliegenden Ausgaben von WonderwomanFlash und Aquaman eingenommen. Die andere Hälfte bildeten Zettel mit Notizen, die in krakeliger Handschrift Zeile an Zeile fügten. Hat Einstein den Postraub von 1869 begangen? - Unheimliche Lichtphänomene über dem Genfer See! - Kind mit Fell geboren. Be setzte sich auf einen Drehstuhl und wühlte in dem Durcheinander.

Nick wartete. Er wartete so lange, bis er sicher war, dass Be seine Anwesenheit vergessen hatte. Dann tippte er Be auf die Schulter.

Der fuhr herum, als hätte ihn ein Dolch aufgespießt. »Scheiße! Nick?«

Nick zeigte vage in das ganze Zimmer. »Warst du deswegen heute nicht in der Schule?«

»Schule, ha!« Be pflügte sich durch die Haare. »Eine Erfindung der Mächtigen, damit die Menschen nicht kapieren, was wirklich vor sich geht.«

»Hast du eigentlich letzte Nacht geschlafen?«, fragte Nick aufs Geratewohl.

»Geschlafen?«, wiederholte Be. »Ja, ich habe geschlafen. Aber dann hatte ich eine Idee!«

»Im Schlaf?«

»In der Dimension, die unser Bewusstsein nachts ...«

Nick winkte rasch ab. »Äh, sagen wir einfach im Schlaf, okay?«

Plötzlich riss Be die Augen auf. »Du bist genial!«

Nick hatte nichts gegen Komplimente, nur normalerweise wusste er ganz gern, warum er eins bekam. Doch Be rutschte auf die Knie und fischte ein Heft neben seinen Füßen auf.

»Es ist runtergefallen! Natürlich.« Dann wedelte er damit Nick vor der Nase herum. »Tales of the Unknown #42, Originalversion, es steht alles drin.«

»Das ist bestimmt spannend«, vermutete Nick. Auch wenn er sich selbst dafür verabscheute, aber inzwischen gewann Mamas Drogen-Vermutung eine gewisse Glaubwürdigkeit. »Hör mal, Be, du hast geschrieben, ich müsste unbedingt sofort zu dir.«

Be nickte drei Mal hintereinander, kurz und abgehackt. »Ich habe mit denen telefoniert. Sie kommen! Nicht die, die anderen!«

»Du hast mit wem gesprochen?«

»Mit den UFO-Männern!« Be begann, wieder auf dem Schreibtisch herumzuwühlen. Nick fürchtete, er könnte erneut in Vergessenheit geraten. Den ganzen Tag hatte er sich gefragt, ob er Be von der Verwandlung erzählen sollte. Und er hatte sich ausgemalt, wie die Reaktion darauf ausfiele. Nun wusste Nick wenigstens eines: Wenn Be verrückt würde, läge es nicht an der Neuigkeit.

Be tauchte aus den Notizen auf und hielt triumphierend ein Post-it hoch, das ihm am Daumen klebte. »Aha! Deutsches Zentrum für Luft und Raumfahrt.«

»Da hast du angerufen?«

»Wegen des Kometen! Es steht alles hier drin.« Er pappte den Zettel mitten auf das Comic-Heft. »Ausgabe 42, das Alien landet. Ein kleiner Junge und sein Hund beobachten die Landung mit dem Fernglas. Also der Junge mit dem Glas, der Hund hat auch so gute Augen. Aber als sie am nächsten Morgen mit der Polizei eintreffen, sehen sie ...« Er klappte das Heft auf. Es fiel eigentlich eher wie von selbst an einer bestimmten Stelle auf. Da war ein schönes, doppelseitiges Bild von einem Spiegelsee im Wald. Be schien irgendeine Reaktion zu erwarten.

Basaltblitz - Geburt eines HeldenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt