Der Schokotrüffel - Teil I

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Noch nie hatte sich Nick so gewundert, kein UFO zu sehen.

Während er im Chemie-Raum wartete, scrollte er seine Nachrichten-App rauf und runter. Die App wurde alle paar Minuten aktualisiert. Und trotzdem stand da nichts von den Ereignissen letzter Nacht. Kein UFO. Kein Flugzeugabsturz. Nicht einmal ein Bericht über Lichtphänomene zu später Stunde. Es war, als wäre es überhaupt nicht passiert.

Dabei gab es Dutzende Zeugen! Die Feuerwehr war ausgerückt. Und die Nachbarn konnten den Einschlag unmöglich überhört haben. In ihrer kleinen Vorstadtsiedlung verbreiteten sich solche Neuigkeiten schnell. Für gewöhnlich stürzten sich Journalisten nur so darauf. Und wurden Flugzeuge und so weiter nicht auch vom Radar erfasst? Es musste doch auffallen, wenn irgendwo eins fehlte. Oder, wenn eines zuviel unterwegs war.

Aber das Internet war wie leer gefegt.

Vielleicht sollte er nach der Schule mal durch die Nachbarschaft streifen. Der Einschlagsort müsste leicht zu finden sein. So wie es gekracht hatte, klaffte da ein ordentlicher Krater oder ein Loch in der Hauswand.

Ein Papierkügelchen traf Nick im Nacken. »He, Knick, hast du eine Webseite über Penisverlängerungen entdeckt?«

Gelächter hinter ihm. Mitschüler drehten sich um und grinsten.

Nick sah sich hilfesuchend nach Schimpf um. Aber der steckte immer noch im Nebenraum und bereitete irgendein Experiment vor. Wenn es zu laut wurde, kam er rübergelaufen und spuckte Pest und Galle. Die vielen geplatzten Äderchen um seine Nase und den schwarzen Vollbart leuchteten dann feuerrot. Ansonsten blieb die Klasse sich selbst überlassen.

Also sah Nick ins Handy und tat so, als habe er nichts gehört.

Das Ergebnis war eine Flut weiterer Papierkügelchen, die auf ihn einprasselten. Einige davon fühlten sich an, als wären sie vorher angefeuchtet worden.

»Lasst ihn doch mal in Ruhe!« Nele klang ehrlich empört.

»Ey,Nelli ist geil auf Knick.«

»Was will sie denn von dem?«

»Vielleicht steht sie auf Schrumpfpimmel.«

Marcel und Luca lachten.

Nick wünschte, Nele hätte nichts gesagt. Sie war ein nettes Mädchen mit Sommersprossen und schwarz geschminkten Augen. Und sie beteiligte sich nie, wenn die anderen ihn quälten. Doch nun, da sie sich einmischte, machte sie alles nur noch schlimmer.

Das war der Moment, in dem der Neue hereinkam.

Er tauchte auf einmal vor der Tafel auf wie ein zu jung geratener Lehrer. Er sah sich um, als würde er etwas suchen. Und er hatte Haare. Hauptsächlich auf dem Kopf, aber auch auf den Unterarmen, die aus dem Hemd rausguckten. Auf dem Kopf waren ungefähr zwölf Milliarden Haare. Und sie standen in etwa dreizehn Milliarden verschiedene Richtungen ab. »Äh, seid Ihr die Klasse vom Windisch?«

Drei Mädchen riefen »ja« und kicherten.

»Ah,oh.« Der Neue nahm eine Tasche mit Schultergurt ab und deponierte sie auf dem Pult. Er sah den Lehrerstuhl und die Tafel an. Man konnte förmlich in seinem Gesicht ablesen, wie er allmählich begriff, dass das nicht sein Platz war. Er fuhr sich mit den Händen durch die Haare und legte die Tasche wieder um. »Habt ihr keinen Lehrer?«

Eine Flut von Zurufen antwortete ihm. Von Brauchen wir nicht, über Lehrer kriegen wir erst nächstes Schuljahr bis zu Der versteckt sich vor uns auf dem Lehrerklo.

Am Ende flötete Melissa mit anzüglicher Pose: »Bring du uns doch was bei!«

Gelächter.Trommeln auf den Tischen.

Der Neue hörte sich das alles an und wirkte derweil leicht abwesend.Schließlich erwiderte er: »witzig, okay.« Es klang, als mache er Häkchen auf einer Liste. Er suchte mit den Augen die Reihen ab.»Habt ihr keine ...? Wo kann man denn hier sitzen?«

Die Frage brandete gegen eine Mauer aus Schweigen an. Im Chemieraum saß jeder neben seinen Freunden. Niemand wollte den komischen Fremden dazwischen haben.

Der schien zu merken, dass seine zukünftige Klasse ihn hängen ließ. Er fuhr sich wieder durch die Haare und hoffte da auf Halt. Und dabei sah Nick einen kleinen Ring aufblitzen.

Plötzlich tat er etwas, was er noch nie getan hatte. Er stand auf und rief laut: »Hier ist ein Platz frei.«

Der Neue kreiste mit den Augen, bis er den Rufer gefunden hatte. Dann machte er sich auf den Weg. Neben Nick war die ganze Bank unbesetzt, an die normalerweise bis zu drei weitere Schüler passten. Aber, naja, da wollte eben niemand sitzen.

Jetzt erschien der Fremde vor Nick. Er war einen halben Kopf größer. »Hi.Ich bin Bruce.« Er gab Nick die Tasche. Der hatte keinen Schimmer, was er damit anfangen sollte. Er setzte sich und legte sie auf dem Boden ab.

Der Neue fiel auf seinen Stuhl und sah erleichtert aus.

»Du heißt echt Bruce?«

»Wie?Ja.«

»Bruce wie in Bruce Banner - der Hulk

»Bruce wie in Bruce Wayne.«

Und nach einer Sekunde sagten sie gleichzeitig: »Batman!«

Beide grinsten.

Nick schüttelte den Kopf. »Niemand heißt Bruce.«

Der Neue kratzte sich an der Schläfe. »Doch: Bruce Banner, Bruce Wayne...«

»Niemand, den es wirklich gibt. Ist das ein Spitzname? Kommst du aus den USA?«

Der Neue winkte ab, ohne dass klar wurde, welche der Fragen er meinte.»An meiner alten Schule hat man mich Be genannt.«

»Ah,cool.« Nick blickte auf Bes Hand. Auf brauner Haut glitzerte ein Ring in Metallic-Grün. »Du trägst den Green-Lantern-Ring?«

»Äh,ja.« Er zog die Nase hoch. »Ist das blöd?«

»Nein,das ist stark.«

Sie sahen sich einen Augenblick lang an. Dann sagten sie gleichzeitig:

»Am strahlendsten Tag, in finsterster Nacht,

entgeht nichts Böses meiner Wacht!

Und wer da achtet das Gute nicht,

soll zittern vor Green Lanterns Licht!«



Das ist der Anfang des dritten Kapitels. Wie es mit Nick und Be weitergeht, erfahrt ihr bald!

Falls es euch gefallen hat, freue ich mich über ein Sternchen.   :-)

Basaltblitz - Geburt eines HeldenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt