Und dann, zwei Sekunden später, unvorstellbar laut. Als ob ein Düsenflugzeug über dem Haus abstürzte.
Nick lief zum Dachfenster. Popcorn perlte von ihm ab.
Er kniff die Augen zusammen. Scheiße,ist das grell! Ihr Garten mit den Birken am Ende und die umliegenden Häuser waren in ein gespenstisches Flimmern getaucht. Es schien irgendwo aus dem Himmel zu kommen. Trotz des Lärms öffnete Nick das Fenster und schob den Kopf hinaus. Er drehte sich nach oben. Da raste etwas direkt über ihr Hausdach hinweg. Es strahlte wie verrückt, nur mittendrin war für einen winzigen Augenblick ein fester Schatten zusehen. Dann war es vorbeigezischt und verschwand hinter einer Häuserzeile. Man hörte ein Donnern. Vielfaches Echo. Einige Dachziegel rutschten herunter.
Schlagartig wurde es dunkel.
Nicks Augen tränten. Er sah sein eigenes Zimmer nicht mehr. Nur noch bunte Sterne tanzen. Was zur Hölle war das? Ein Flugzeugabsturz? Der Angriff der Marsianer?
Jemand stürmte ins Dachgeschoss.
»Nick,alles in Ordnung?« Mamas Stimme war viel schriller als sonst. Und er konnte sie weiterhin nicht sehen.
»Ich schätze schon.«
»Weinst du?«
Jetzt erkannte er sie zumindest als dunklen Umriss. Die Silhouette rauschte auf ihn zu.
»Ich... nein. Es ist nur, ich habe gerade aus dem Fenster gesehen, als es vorbeiflog. Und es war ziemlich hell.« Er schielte sie an. Schwer zusagen, ob er ihre Besorgnis sah, oder bloß ahnte.
Dann setzten die Feuerwehrsirenen ein.
»Das Ding ist hier ganz in der Nähe runtergekommen. Lass uns rüberlaufen und nachgucken, was es ist!«
Aus schwarzem Nebel schälten sich langsam Mutters Züge heraus. Sie hatte die gleichen blonden Haare wie er, nur dass in ihren auf einer Seite Lockenwickler steckten. Und zwischen den Haaren war ziemlich viel Skepsis. »Auf keinen Fall! Wir sind nicht irgendwelche von diesen Spinnern, die am Unfallort rumstehen und gaffen. Und dabei die Rettungsarbeiten behindern.«
»Aber Mama!«
»Auf keinen Fall.«
Den Tonfall kannte er. Der war unumstößlich. Wäre seine Mutter damals im Stab von Hitler gewesen, sie hätte gesagt: Auf keinen Fall! Ein Zweiter Weltkrieg kommt mir nicht ins Haus. All die Toten und dann der Dreck! Das können Sie vergessen! Und danach hätte Hitler eben stattdessen Briefmarken sammeln müssen oder so. Was immer die Leute gemacht hatten, bevor es Internet gab.
»Du kannst morgen in der Zeitung lesen, was passiert ist.«
»Das steht ja sowieso noch nicht drin.«
»Sonst liest du es erst übermorgen. Oder schaust fern. Es ist spät und du musst früh zur Schule. Jungs in dem Alter brauchen ausreichend Schlaf.«
»Ich kann doch jetzt nicht schlafen! Uns wäre beinahe ein Jumbo-Jet ins Haus gekracht.«
Das schien sie zumindest zu erschüttern. Für einen Moment verstummte sie. Als sie wieder sprach, konnte er deutlich hören, dass sie nur mühsam gefasst war. »Dann lies noch eine halbe Stunde in deinen Heftchen. Aber danach ist Schluss.«
Sie wünschte ihm eine gute Nacht, nicht ohne zu erwähnen, dass sie in fünfunddreißig Minuten kontrollieren würde, ob er im Bett war.
Daraufrauschte sie ab.
Er hatte ihr eine halbe Stunde abgerungen. Seiner Mutter! Es gingen wirklich sehr merkwürdige Dinge vor.
Nick lief zurück zum Fenster und sah hinaus. Seine Augen funktionierten wieder halbwegs. Direkt hinter dem Garten war nicht viel zu erkennen.Hier grenzten nur Weide- und Waldland an. Die Wolkenkratzer der Innenstadt von Heropolis lagen auf der anderen Seite. Doch wenn Nick nach links sah, hatte er einen guten Blick in die Vorstadt-Siedlung hinein.
Es war kein Feuer zu sehen. Und ebenso keine Feuerwehr. Dennoch musste sie ganz in der Nähe sein. Man sah die Hausdächer rhythmisch blau aufleuchten. In den umliegenden Häusern war überall das Licht angegangen. Einige Haustüren standen offen und die Leute redeten davor in hastig übergeworfenen Mänteln.
Na, toll. Die konnten natürlich raus. Aber deren Mutter war ja auch nicht die Amme von Stalin.
Nick versuchte zu hören, was die Nachbarn sprachen. Leider schnappte er nur Fetzen auf, die unverständlich blieben.
Einmal im Leben geschah etwas direkt hinter ihrem Haus und er durfte nicht nachsehen.
Vielleicht sollte er sich nach Mamas Kontrollgang rausschleichen? Hm, das war eine blöde Idee. Das Schlafzimmer seiner Eltern lag am Fuß der Treppe. Und Mama konnte ihm jeden Morgen genau aufzählen, wie oft er in der Nacht auf dem Klo gewesen war.
Wenn sie ihn erwischte, wie er gegen ihr ausdrückliches Verbot verstieß - er würde einen Hausarrest bekommen, für den man noch seine Beerdigung aufschieben musste. Nein, Herr Bestattungsunternehmer, lassen Sie den Sarg hier, der Junge hat Hausarrest!
Er hatte eine halbe Stunde Zeit rausgeschlagen. Das war mehr als er sonst je hoffen durfte. Er sollte damit zufrieden sein.
Nick putzte sich die Zähne und schlüpfte in den Schlafanzug. Es waren noch einundzwanzig Minuten übrig. Er verbrachte sie mit den Armen aufs Fensterbrett gestützt in die Nacht schauend. Beobachtete das blaue Pulsieren und dachte nach.
Über UFOs, über Ungerechtigkeit und darüber, ob man eigentlich vor Scham sterben konnte.
Das war das zweite Kapitel. Wenn es euch gefallen hat, freue ich mich über ein Sternchen. :-)
Schon bald gibt es das dritte Kapitel!
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Basaltblitz - Geburt eines Helden
FantasyWas würdest du tun, wenn du über Nacht zum Superhelden wirst? Der schüchterne Nick verwandelt sich, nachdem er versehentlich einen Kometen gegessen hat, in einen Superhelden. Nick ist begeistert! Doch schon bald muss er feststellen: Wo ein Superh...