Etwas drückte Nick ins Gesicht.
Wirre Traumbilder, durch die er über Bergen und Flüssen schwebte, zogen sich langsam in die fernen Winkel zurück, in denen unsere Träume schlafen gehen, wenn wir erwachen.
Träge bog Nick den Kopf in den Nacken und öffnete ein Auge. Das war die Tapete. Er musste sich in der Nacht bis zur Wand gewälzt haben. Nick kurbelte das Augenlid wieder runter und drehte sich auf die andere Seite. Dann wühlte er sich behaglich ins Kopfkiss ...
Da war kein Kopfkissen.
Seine Hand griff ins Leere. In völlige Leere! Auch das Bett, auf dem Nick und das Kissen für gewöhnlich lagen, war weg.
Er riss die Augen auf.
Und sah in die Tiefe.
Das war sein eigenes Zimmer, zweifellos. Doch aus einer Perspektive, die kein normaler Mensch je zu Gesicht bekam: Was er für die Wand gehalten hatte, war die Decke. Er befand sich am höchsten Punkt der Dachschräge. Unter ihm klafften drei Meter Nichts bis zum Boden.
Aber was zur Hölle hält mich dann oben?
Da war absolut nichts!
Die Erkenntnis traf ihn wie ein Schock. Und in der gleichen Sekunde stürzte er ab. Wie ein Stein sackte er hinab. Nur um sich einen Sekundenbruchteil später reflexartig zusammenzuziehen. Sein Kopf rutschte zwischen die Schultern, der Rücken krümmte sich und in einer einzigen, fließenden Bewegung rollte er über den Teppich ab und sprang auf die Beine.
Er befand sich nun mitten im Raum und machte vermutlich das dümmste Gesicht, das je ein Mensch gemacht hatte. Da oben an der Zimmerdecke hatte er gehangen. Man konnte noch den Fleck sehen, wo er im Schlaf an die Decke gesabbert hatte. Und nun stand er hier unten. Nachdem er eine Rolle und ein Sprungmanöver wie Spiderman hingelegt hatte.
Nick sah hinab. Das war ein sehr merkwürdiger Schlafanzug. Er war gar nicht mehr aus Baumwolle. Eher aus einer Art Gummi. Und wenn man näher ranging, erkannte man eine bienenwabenartige Struktur auf dem seltsamen Material.
Nick wischte sich die Augen, obwohl er sich selten so erholt gefühlt hatte. Er musste immer noch träumen. Aber es half nichts. Als er die Hände wieder senkte, zeigte sich ihm das gleiche Bild. Er stand mitten in seinem Zimmer und trug einen engen Dress, der in einem dunklen Grau und einem beunruhigenden Rot glänzte. Und da war ein Cape in derselben Farbe. Als ob ein unheimliches Leben darin läge.
Oh Scheiße, ich bin Superman!
Der erste Gedanke ist nicht stets der klügste, den man hat. Nick verbannte Superman im Geist in den Unterordner Freizeit und Vergnügen. Es musste eine bessere Erklärung dafür geben! Bloß welche? Jemand hatte ihm das heute Nacht angezogen? Von so was wachte man doch auf.
Dann blieb nur eine Möglichkeit: Er hatte sich selbst im Schlaf umgezogen. Das kam bei anderen Leuten vor, warum nicht auch bei ihm? Der Zweifel, tief in seinem Inneren, lachte. Du hast vorhin an der Decke geklebt, rief er aus der Tiefe. Aber Nick wollte das nicht hören und klappte den Deckel über der Tiefe zu. Der Zweifel war ein Depp und schwieg jetzt besser.
Ich muss mir das ansehen. Nick ging ins Bad. Der Spiegel über dem Waschbecken zeigte ihm das Unglaubliche: Der Junge darin war unzweifelhaft er. Doch er trug einen Superheldendress, der dunkelgrau und rot glänzte wie aus langem Schlaf erwachende Lava. Und an den Schultern entsprang ein rotes Cape.
Ich bin mir hundertprozentig sicher, dass ich das niemals angezogen habe. Also warum trage ich es? Und wo ist mein Schlafanzug geblieben?
Er hatte den letzten Gedanken gerade gefasst, da zerfloss das Kostüm ihm vor den Augen. Es entwickelte ein Eigenleben wie Wogen auf windgepeitschtem Wasser. Die Wellen huschten über den Körper und wo sie entlangfuhren, verschwand das unheimliche Material und Streifen des babyblauen Baumwollschlafanzugs wurden sichtbar. Der Prozess schloss rasend schnell ab und Nick sah sein gewohntes Spiegelbild.
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Basaltblitz - Geburt eines Helden
FantasyWas würdest du tun, wenn du über Nacht zum Superhelden wirst? Der schüchterne Nick verwandelt sich, nachdem er versehentlich einen Kometen gegessen hat, in einen Superhelden. Nick ist begeistert! Doch schon bald muss er feststellen: Wo ein Superh...