„Jenna, zieh dich endlich um! Der Besuch kann jeden Moment kommen!", jammerte meine Mutter zum gefühlt zehnten Mal. Ich verdrehte daraufhin die Augen. „Ich bleibe einfach hier. Wozu soll ich runterkommen, wenn ich den Besuch sowieso nicht kennenlernen will.", murmelte ich vor mich hin. Seit Tagen redete Mom von nichts anderem mehr, als diesem Besuch. Für sie war das alles unheimlich wichtig. Mich interessierte das nicht die Bohne. „Komm schon, Jenna. Reiß dich für zwei, drei Stunden zusammen. So schlimm wird es schon nicht werden."
„Darum geht's aber nicht!", schrie ich und starrte sie wütend an. Mom blinzelte erstaunt. „Dann hättest du bei der Auktion bessere Karten." Ich seufzte laut. „Ich werde aber nicht teilnehmen. Also kannst du die ganze Sache sowieso vergessen." Mom schnaubte empört. „Du weißt gar nicht, was du verpassen würdest. Nicht jede hat die Chance, für die Auktion ausgewählt zu werden."
„Lass es einfach!" Ich schmiss meine Klamotten auf das Bett und wandte mich zum Fenster. Ich wollte Mom nicht ansehen. Bei uns im Land gab es jährlich eine Auktion, die wie eine Art Heiratsmarkt war. Die Kinder in meinem Alter – also ab achtzehn aufwärts – wurden dann sozusagen „versteigert". Dabei waren meist Mädchen von der Partie. Selten bekam man Jungs zu Gesicht, und wenn, waren diese noch wertvoller als wir Mädchen. Für manche war es eine riesen Chance. Diejenigen, die für die jährliche Auktion ausgewählt waren, bekamen dann eine schriftliche Bestätigung zugeschickt und die Eltern mussten nur noch zustimmen. Wobei man das ab achtzehn meiner Meinung nach hätte selber machen können. Und bei uns zu Hause verlief das ganz anders. Wir hatten für mich mittlerweile schon die dritte Bestätigung bekommen. Dabei wurde ich erst in zwei Monaten achtzehn. Aber die, die so kurz vor ihrem Achtzehnten waren, bekamen sicherheitshalber schon mal eine Bestätigung, da sie ja potentielle Kandidatinnen beziehungsweise Kandidaten waren. Bis jetzt habe ich sie alle entsorgt, noch bevor meine Eltern etwas davon mitbekommen konnten. Mir war klar, dass wir irgendwann eine Bestätigung bekommen würden. Wenn nicht dieses, dann nächstes Jahr oder so. Nur war ich jetzt noch nicht bereit dazu. Und würde es wahrscheinlich auch nie sein. Dummerweise gehörte ich nicht zu den Mädchen, die nie eine Bestätigung bekamen. Ein bisschen beneidete ich sie. Aber für sie war es nicht so schön, da es bedeutete, sie waren für die Auktion nicht gut genug. Und ich hatte nicht damit gerechnet, dieses Jahr schon ausgewählt zu sein. Deswegen habe ich die Briefe bis jetzt alle verbrannt. Die sicherste Methode, diese Dinger loszuwerden. Zum Glück hatte meine Mom noch keinen Verdacht geschöpft. So hatte ich die Möglichkeit, der Auktion wenigstens dieses Jahr entgehen zu können. In meinen Augen war so was immer herablassend. Junge Mädchen für einen Preis zu versteigern, nur um sie zu verheiraten. Das nahm das Selbstwertgefühl und die Würde ziemlich in Mitleidenschaft. Ich hatte vor drei Jahren eine Auktion miterlebt. Als meine Schwester Estelle ausgewählt war. Damals war sie auch achtzehn. Nur hatte sie das Glück, nun glücklich verheiratet zu sein. Nicht jedes Mädchen konnte das von sich behaupten. Nur wurden die Scheidungen meistens streng unter Verschluss gehalten, damit die Auktion nicht an Wert und „Teilnehmern" verlor. Man mochte es kaum glauben, aber bei vielen war sie sehr beliebt. Besonders bei denen, die nur zusahen. Die mussten ja auch nichts weiter tun, als nur dazusitzen und zuzugucken. Und sie hatten den ganzen Stress und alles drum und dran nicht. Ich konnte das nicht beurteilen, aber denken. Ich selbst glaubte nicht, dass ich mit solchem Glück wie meine Schwester gesegnet war. Ich war mir auch bei Weitem nicht sicher, ob man sich über diese Wege ernsthaft verlieben konnte. Mir war das alles viel zuwider.
Die Familie, die heute bei uns zu Besuch kam, nahm auch an der Auktion teil. Ich sollte heute ihrem Sohn vorgestellt werden. Und das ging mir völlig gegen den Strich. Ich war immer noch der festen Überzeugung, dieses Jahr nicht teilnehmen zu müssen. Aber Mom meinte ja, ich solle nur vorsichtshalber diese Familie kennenlernen. Sie selbst kannte die Familie bereits und war ziemlich gut mit ihnen befreundet, was bei der Auktion nicht schaden konnte. Aber wenn ich ihren Sohn nicht leiden konnte, gab es ein echtes Problem. Mir machte es nichts aus, ihnen zu zeigen, wie wenig Interesse ich an der ganzen Sache hatte. „Mom, wir haben noch nicht mal eine Bestätigung bekommen.", redete ich mich raus und startete somit meinen letzten Versuch. Mom seufzte wieder. „Willst du's nicht wenigstens mal versuchen? Wenn alles klappen sollte, wärst du bei ihnen in guten Händen.", fragte Mom diesmal wesentlich ruhiger. „Ich will aber nicht bei jemandem leben, den ich nicht kenne und vielleicht nicht mal leiden kann."
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Chosen
Teen FictionStell dir vor, deine Zukunft ist schon geplant. Und du kannst nichts dagegen tun. Mit einem Schlag ändert sich dein Leben. Was, wenn es eine Chance gäbe, diesem Leben zu entkommen? Würdest du sie ergreifen?