Caine hatte sich irgendwie für den Rest des Tages verzogen und ich saß nun mit Cameron draußen im Garten, wo der kleine See war. Die Bank war zwar noch etwas nass, aber besser zum Sitzen als der Rasen. Draußen roch es noch nach frischem Regen und irgendwo in der Nähe waren Vögel zu hören. Ich liebte den Geruch von frischem Regen. Eigentlich war mir nicht mehr danach, großartig irgendwas zu machen, aber nur auf dem Zimmer rumsitzen wollte ich auch nicht. „Du fährst also Motorrad?", fragte ich Cam schließlich. Er nickte. „Ja. Dann muss ich wenigstens mit niemandem fahren, der mich unnötig vollquatscht oder mir sowieso die meiste Zeit auf die Nerven geht."
„Aber du hast Spaß daran?"
„Natürlich. Es ist ein ganz anderes Gefühl als Auto fahren. Es fühlt sich leichter an und du kriegst den Fahrtwind direkt mit. Außerdem brauchst du nicht auf jemanden zu achten der neben dir sitzt und an irgendwelchen Knöpfen rumspielt oder sonst was. Es fühlt sich zeitlos an. Am besten ist es natürlich bei schönem Wetter, aber heute hatte ich Pech." Ich lachte leise. „Ja, stimmt." Er grinste leicht als er mich ansah. „Aber geteiltes Leid ist halbes Leid." Ein Schmunzeln trat auf meine Lippen und ich dachte kurz nach. „Cam?"
„Hm?"
„Was hat Caine gesagt, als er vorhin mit dir geredet hat?" Auf Cams Gesicht spiegelte sich kurz etwas wie Enttäuschung oder Niedergeschlagenheit wieder, aber der Ausdruck verschwand genauso schnell wie er gekommen war. „Ihm passt es nicht, dass du und ich uns so gut verstehen." Ich presste die Lippen aufeinander. „Inwiefern?"
„Generell. Ich denke mal, er ist enttäuscht von sich selbst, dass er nicht so unbeschwert mit dir klarkommt." Ich nickte langsam. Klang irgendwie nachvollziehbar. Cam schloss kurz die Augen und atmete tief durch. In der Zeit, wo wir nichts sagten, kam mir das Gespräch mit Estelle wieder in den Sinn. Nun hatte ich jemanden neben mir sitzen, der mir vielleicht Antworten auf meine Fragen geben konnte. „Cam?"
„Hm?"
„Die Regeln schreiben vor, wie das Ganze zu laufen hat, richtig?"
„Richtig." Er hob seinen Kopf und sah mich wieder an. „Aber sie können einem die Gefühle nicht vorschreiben."
„Nein. Aber ich glaube nicht, dass die meisten Heiraten seit Anfang der Auktion aus Liebe entstanden sind. Ob die Paare sich im Nachhinein verliebt haben, weiß ich nicht." Ich schüttelte den Kopf. „Ich weiß. Was ich eigentlich fragen wollte: Was wäre, wenn ich - aus welchen Gründen auch immer - Gefühle für jemanden anders hätte?" Cam runzelte kurz nachdenklich die Stirn. „Erzähl weiter."
„Naja, ich meine, wenn ich keine Gefühle für Caine, sondern jemand anderes hätte?"
„Normalerweise ist das ja schlecht möglich, aber ich denke mal, dass man gegen Gefühle nichts machen kann..." Irgendwas schwang in seiner Stimme mit, was mich nachdenken ließ. Einen Moment schwiegen wir und sahen uns bloß in die Augen. Dann riss ich mich wieder zusammen und kam auf den Punkt zurück. „So ähnlich wie bei Isabelle."
„Isabelle?"
„Oh, stimmt. Du kennst sie ja gar nicht", bemerkte ich. „Sie ist eine Freundin, die ich auf der Auktion kennengelernt habe. Sie hatte bereits einen Freund, den sie auch eigentlich heiraten wollte. Aber dann wurde sie zur Auktion ausgewählt und wurde zu ihrem Zukünftigen gebracht. Er hatte aber ein großes Herz und gesagt, dass sie mit ihrem Freund zusammen sein sollte. Es stand sogar in der Zeitung, wenn ich mich nicht täusche." Cam hörte mir zu und öffnete dann den Mund, um zu antworten. „Du willst also sagen, dass es jemanden außer Caine gibt?" Ich zuckte mit den Schultern. Cam klang auf einmal ziemlich neugierig, und nicht mehr nur gelassen, so als würden wir über das Wetter reden. „So direkt nicht." Aber irgendwie doch. „Ich meine nur, falls es so sein sollte. So ähnlich wie bei Isabelle. Es kann doch nicht sein, dass einem die wahre Liebe verwehrt wird." Cam presste die Lippen aufeinander. „Ich verstehe was du meinst. Aber du weißt, was uns in diesem Fall vorgeschrieben ist. Natürlich kannst du Gefühle für jemand anderen haben, aber du sollst Caine heiraten." Cam schwieg einen Moment und dachte nach. „Du meinst wahrscheinlich, ob es auch möglich wäre - so ähnlich wie bei Isabelle - die Regeln zu umgehen." Ich nickte. „Genau. Ließe sich nicht ein Kompromiss oder so finden?"
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Chosen
Teen FictionStell dir vor, deine Zukunft ist schon geplant. Und du kannst nichts dagegen tun. Mit einem Schlag ändert sich dein Leben. Was, wenn es eine Chance gäbe, diesem Leben zu entkommen? Würdest du sie ergreifen?