Am nächsten Morgen wachte ich auf und wusste gar nicht recht, was passiert war. Bis ich Cam neben mir entdeckte. Dann viel es mir wieder ein und ich fuhr mir über das Gesicht. Hätte es nicht einfach ein Traum sein können? Ich meine, ich hatte Geburtstag, da konnte ich vielleicht drüber hinwegsehen, aber was, wenn mehr dahintersteckte als einfach nur ein Kuss zum Geburtstag? Okay, zugegeben, es waren schon mehr als ein Kuss, aber das spielte ja jetzt keine Rolle! Im Nachhinein war es vielleicht nicht schlau von mir, den ersten Kuss zugelassen zu haben. Nicht nur für mich, sondern wahrscheinlich auch für Cameron würde es Konsequenzen haben. Ich schloss kurz die Augen und atmete durch. Er lag wie ein kleines Kind neben mir, eine Hand unter dem Kopf vergraben und die andere lag neben seiner Brust. Und obwohl ich ihn geküsst hatte, fühlte ich mich seltsam gut. Ich stand vorsichtig auf und öffnete die Vorhänge ein wenig. Für eine Weile verschwand ich im Bad und musterte mich im Spiegel. Was war aus mir geworden? Erst alles abweisen, dann dem einen Bruder näherkommen, aber den anderen sofort bei der ersten Gelegenheit küssen? Das konnte doch nicht normal sein. Und auch wenn ich mich gut fühlte, sollte ich deswegen etwas unternehmen. Um nicht größeren Schaden anzurichten. Als ich wieder rauskam, rührte Cam sich auch schon. Er gab einen murmelnden Laut von sich, dann richtete er sich auf. Als er mich sah, lächelte er. „Hey.", sagte er verschlafen. Seine Stimme war erstaunlich tief. Tiefer als sonst. Ich erwiderte das Lächeln. „Morgen." Als Cam sich nach einer Weile aus dem Schlaf erholt hatte, sagte er: „Weißt du was?" Ich runzelte die Stirn. „Nein, was?"
„Das müssen wir nochmal wiederholen." Ein verschmitztes Grinsen machte sich auf seinem Gesicht breit.
„Und wieso?"
„Weil es Spaß gemacht hat."
"Mir auch. Aber vielleicht sollten wir das Extra weglassen...", fügte ich leise hinzu und er setzte sich auf. „Was?"
„Ich glaube, das mit dem Kuss war keine gute Idee."
„Mit den Küssen?", ergänzte er und schmunzelte. Ich warf ihm einen Blick zu und seine Miene wurde wieder ernst. „Hör zu, ich habe mich im Voraus dafür entschuldigt. Ich werde das nicht wieder tun, wenn es dir unangenehm war, okay? Versprochen." Ich schüttelte den Kopf. „Es war mir nicht unangenehm. Das wollte ich damit nicht sagen. Es war schön, nur..."
„Nur ist da Caine." Anstatt zu antworten nickte ich nur. Er atmete tief durch. „Okay. Das verstehe ich." Ich musterte ihn und sah, dass er sich nachdenklich auf die Unterlippe biss. „Mein Bruder kriegt immer alles.", hörte ich ihn leise murmeln, traute mich aber nicht, ihn darauf anzusprechen, da ich ihn gerade womöglich genug gekränkt hatte. „Aber ich konnte gut schlafen.", wechselte Cam plötzlich das Thema und ich zog eine Augenbraue hoch. „Weil...?"
„Weil ich nicht alleine geschlafen habe. Und weil es hier so bequem ist."
„Ach, kannst du nicht alleine schlafen?", sagte ich und grinste amüsiert, froh darüber, von dem etwas unangenehmen Thema weggekommen zu sein. Er lachte. „Nein, das nicht. Ich... Habe hin und wieder Schlafstörungen..." Ich presste die Lippen aufeinander und setzte mich zu ihm aufs Bett. Hätte ich das gewusst, hätte ich gar nicht erst amüsiert gefragt. Er lächelte beruhigend. „Mach dir keine Gedanken. Das konntest du nicht wissen. Ich hab sie nicht ständig. Mittlerweile habe ich mich sogar ganz gut daran gewöhnt." Ich sah kurz in seine Augen, wurde das schlechte Gefühl aber nicht los. Er stupste mich an, sodass ich ihn wieder ansah. „Guck nicht so betroffen.", meinte er schmunzelnd. Ich lächelte etwas entschuldigend. „Ich kann nicht anders.", entgegnete ich lahm. Cam lachte leise. „Doch du kannst. Ich hab dich schon anders erlebt."
„Toll. Das war zu Anfang, wo ich das alles noch nicht wirklich leiden konnte. Das zählt nicht."
„Doch, und wie das zählt." Cam lächelte. Ich seufzte leise und schüttelte den Kopf, stand wieder auf und ging zum Kleiderschrank, um mir etwas Neues auszusuchen. Hinter mir hörte ich, wie Cam aufstand und seine Kleidung zurecht zog.
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Chosen
Teen FictionStell dir vor, deine Zukunft ist schon geplant. Und du kannst nichts dagegen tun. Mit einem Schlag ändert sich dein Leben. Was, wenn es eine Chance gäbe, diesem Leben zu entkommen? Würdest du sie ergreifen?