Es war kurz nach sechs Uhr am Morgen. Die Luft war noch frisch. Für einen Moment blieb ich auf unserer Veranda stehen, schloss meine Augen und lauschte dem Gesang der Vögel. Ich war seit zwei Tagen wieder zuhause. Vor mir erstreckte sich das Stallgebäude. Es war im Gegenteil zu den Stallungen der Hollingworth Stables ziemlich klein. Im Inneren befanden sich sechs Boxen, die zurzeit alle bewohnt waren. Neben dem Stall war ein Paddock, die Pferde waren täglich entweder dort oder auf einer der großen Koppeln, die sich hinter dem Reitplatz, der sich links von mir befand, erstreckten. Sonst gab es noch einen Schuppen in dem Pop sein Werkzeug und seinen Traktor aufbewahrte. Ich schlenderte über den Hof und öffnete das große alte Holztor. Der Geruch nach Pferden und frischem Heu empfing mich und ich atmete meinen Lieblingsgeruch gierig ein. Die meisten Pferde wieherten leise und scharrten ungeduldig mit den Hufen. Sie wollten ihr Frühstück. Während ich Müsli und Hafer verteilte redete ich mit den Pferden. Max, unser Pferdepfleger, den wir nach meiner Rückkehr aus England vor fast zwei Jahren eingestellt hatten, würde erst später kommen. Pop und Cat schliefen noch, also würde mich keiner für verrückt halten, wenn ich den Pferden erzählte, dass es ungezogen war, wenn sie gegen die Boxentür traten oder in ihrer Gier nach dem Boxennachbarn schnappten. Schließlich kam ich bei Embassy und Little Lady an. Sie standen in den beiden hinteren Boxen des Stalls. Während Embassy friedlich und abgeklärt beobachtete, wie ich ihr das Müsli vorbereitete, konnte die kleine Lady es mal wieder nicht abwarten. Sie brummelte und scharrte aufgeregt mit den Hufen. Sie war für ein gezüchtetes Sportpferd sehr ruhig. Kaum etwas konnte sie aus der Ruhe bringen. Nur wenn man mit den Mahlzeiten nicht schnell genug war, dann wurde die kleine und zierliche Rappstute ziemlich nervig. Sie ließ sich sehr gut reiten, arbeitete fast immer fleißig mit. Auf den wenigen Turnieren, bei denen ich sie schon dabei gehabt hatte, war sie relativ erfolgreich gewesen. Das Problem der kleinen Madame war nur, dass sie sich vom Trubel und den ganzen Leuten auf solchen Veranstaltungen sehr schnell ablenken ließ. Nicht, weil sie es beängstigend fand, nein, sie fand es hochinteressant. Leider machte sie deshalb auch öfters einmal Fehler, weil schließlich waren Zuschauer viel cooler als die Hindernisse, die es fehlerfrei zu bewältigen galt. Doch ich war zuversichtlich, mit ihren zarten fünf Jahren war sie noch sehr jung. Ich würde es langsam mit ihr angehen lassen, sie würde es lernen und irgendwann genauso zuverlässig sein wie Embassy, die drei Jahre älter war und mindestens zehn Zentimeter größer. Ich hatte Embassy immer schon für relativ klein gehalten, doch Little Lady war echt ein Winzling im Springsport. Doch die Höhe der Hindernisse war kein Thema für sie, sie schraubte sich mühelos über jeden Sprung. Nur die Konzentrationsschwäche, die mussten wir noch in den Griff bekommen. Mit ihr im Parcours hatte ich, trotz der Fehler, schon einiges zu lachen gehabt.
„Guten Morgen Roxy!", ich fuhr erschrocken herum. Ich war total in Gedanken versunken gewesen.
„Oh Max! Du hast mich erschreckt!"
„Sorry, das wollte ich nicht! Träumst du schon wieder?", er zwinkerte mir zu und griff nach der Heugabel. Ich gesellte mich zu ihm um zu helfen.
„Ich träume niemals!", antwortete ich sarkastisch und schlug ihm freundschaftlich auf die Schulter. „Du bist der Träumer!"
„Ja, ich träume davon, dass du in die englische Nationalmannschaft aufgenommen wirst!", sagte er und spielte auf die anstehenden Qualifikationen an. Ich grinste ihn an. Ja, das wäre wirklich super wenn ich 2016 bei den Olympischen Spielen in Rio dabei sein könnte.
„Hast du dich jetzt entschieden, welches Pferd du bei den Qualis reiten wirst?", Max hatte die Schubkarre bereits bis zum Anschlag mit Heu beladen. Ich lief voraus und öffnete die Boxentüren, sodass er das Heu nur noch hinein werfen musste.
„Ja, Embassy natürlich. Das ist eine große Sache, da brauche ich einen Profi.", antwortete ich.
„Verstehe. Und da ist Embassy natürlich die Richtige."
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Parcours des Lebens
RomantikEigentlich sollte Roxy glücklich sein. Das Trauma, welches sie durch den Tod von Daylight erlitten hat, ist überwunden. Embassy ließ ihren Traum, eine erfolgreiche Springreiterin zu werden, wahr werden. Doch eine entscheidende Sache fehlt in Roxys L...