Kapitel 7 - Pink baloon

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Zurück in den Hollingworth Stables wurden wir von zwei überglücklichen Stalljungen begrüßt. Luke und Josh waren für mich wie Brüder, ich hatte sie in den zwei Jahren seit ich sie das letzte Mal gesehen hatte unheimlich vermisst. Ich schätzte es, dass sie so fest an mich glaubten. Sie unterstützen mich, bauten mich auf wenn es mir nicht gut ging und ich hatte niemals vergessen, dass ich es diesen beiden zu verdanken hatte, dass ich Embassy als mein Pferd betrachten konnte. Sie haben mir damals geholfen das Trauma, welches ich durch Daylights Tod erlitten hatte, zu verarbeiten. Natürlich war Embassy diejenige gewesen, die mich wieder aufs Pferd gebracht hatte, doch ohne Josh und Luke hätte ich niemals die Chance bekommen mit Embassy zu arbeiten. Hier in England war meine zweite Familie. Richard, der so fest an mich und meine Schimmelstute glaubte, Josh, Luke und Danielle... Und ich hatte diesen einen wunderbaren Menschen, mit dem ich alles hatte teilen wollen. Meine Gedanken und Gefühle, meinen Erfolg und meine Niederlagen. Doch dieser eine Mensch schien nichts mehr mit mir zu tun zu haben wollen. Er verbannte mich aus seinem Leben, baute sich sein eigenes auf - ohne mich. Verflucht seist du, Leo Hollingworth!

***

„Danielle, nimm die Hände vor! Du musst nachgeben, wenn er es auch tut!", schrie ich über den Reitplatz. Danielle, die auf ihrem Top Gun saß, der wirklich beeindruckend aussah, hatte einen knallroten Kopf.

„Jawohl! Jede Parade die du gibst, musst du mit dem Bein nachtreiben!", kritisch beäugte ich die Freundin.

„Nach innen durchstellen, dabei außen leicht nachgeben! Ja! Genau so, und wieder weg, außen Parade! Wade, Danielle, treib ihn mit der Wade da durch!"

Top Gun schwebte über den sandigen Boden. Den Hals gewölbt, konzentriert und anmutig. Sein schwarzes Fell war schweißnass.

„Lass ihn für heute, er hat toll mitgemacht!", sagte ich und beendete die Reitstunde.

„Du bringst mich noch um, Roxy!", meckerte Danielle grinsend während sie leicht trabte und dem Hengst die Zügel hingab. Dieser streckte seinen Hals nach unten und schnaubte zufrieden.

„Ihr habt wirklich große Fortschritte gemacht, Danielle. Ich denke, die M-Dressur am nächsten Wochenende wird gut für euch laufen!"

„Ja? Meinst du wirklich?", Danielle strahlte als sie den Rappen neben mir zum Halten parierte.

„Klar, wieso nicht?", ich nickte und klopfte den nassen Hals des Hengstes. „Gönn ihm eine Dusche, es ist verdammt heiß!"

„Jawohl, Sir!", Danielle salutierte und ritt den Hengst vom Platz.

„Na, hast du Danielle wieder gequält?", Luke, der mit Prince Charming, einem fünfjährigen, von Richard gezogenen großen Braunen auf den Platz geritten kam, zwinkerte mir spitzbübisch zu.

„Sei nicht so frech, sonst bekommst du auch eine Reitstunde!", drohte ich ihm während ich in Richtung Ausgang lief.

„Das, teuerste Roxy, kann ich mir nicht leisten!", Luke zog einen Schmollmund und ritt den Braunen an.

„Welch ein Jammer, meinen Stundenlohn kann sich halt nicht jeder leisten!", witzelte ich. Luke streckte mir die Zunge heraus.

„Scherzkeks!", lachte ich. „Ich muss jetzt mit Danielle zum Einkaufen fahren."

„Oh, die werten Damen gehen mal wieder shoppen?"

„Naja... Dekoration für Danielles Geburtstag, etwas zu essen..."

„Keine Schuhe? Wie schade.", Lukes Stimme tropfte nur so vor Sarkasmus.

„Halt die Klappe, du Depp!", sagte ich lachend und stapfte dann um die Reithalle herum um noch schnell nach meinem Schimmel zu sehen, bevor Danielle mich durch sämtlich Supermärkte schleifen würde. Die Stute stand friedlich bei den anderen Stuten und deren Fohlen. Als sie mich am Zaun stehen sah hob sie kurz ihren Kopf und wieherte leise ehe sie sich wieder dem grünen Gras widmete.

„Da bist du, Roxy! Komm schon, wir müssen los!", Danielle stand am hinteren Stalltor, welches zum Hengststall gehörte, und winkte mir zu. Es war gerade einmal Nachmittag, die Läden hatten noch lange offen. Danielle war einfach eine hektische und stressige Person. Trotzdem liebte ich sie.

„Na endlich!", die Braunhaarige verdrehte ihre Augen als ich mich auf den Sitz in Richards SUV fallen ließ. Sie saß bereits am Steuer, der Motor lief.

„Wieso hast du es denn schon wieder so eilig?"

„Ich habe keine Ahnung, in welchem Supermarkt sie pinke Ballons haben, und Roxy glaube mir, ich brauche pinke Ballons!", sagte sie mit tiefer, drohender Stimme.

„Du spinnst doch!", ich kicherte und sah aus dem Fenster, während Danielle den SUV vom Gestüt auf die Landstraße lenkte. Nach wenigen Minuten Fahrt erreichten wir den ersten Supermarkt. Als wir auf den Parkplatz fuhren, der ziemlich leer war, kamen Erinnerungen in mir hoch. Leo, wie er über mein kariertes Hemd und meine Latzhosen gelästert hatte. Leo, wie er mich mit dem Einkaufswagen durch genau diesen Supermarkt geschoben hatte. Sein Lachen und die Grübchen... Die peinliche Stille als wir beide bemerkt hatten, dass wir, eigentlich Erzfeinde, miteinander flirteten...

„Hey, Hallo, Roxy!", Danielle fuchtelte mit ihren Händen vor meinem Gesicht herum. Ich zuckte zusammen, wurde wieder zurück in die Gegenwart katapultiert.

„Was ist los mit dir? Steig schon aus!", Danielle sprang vom Fahrersitz und knallte die Tür zu. Ich folgte ihr in flottem Tempo, holte einen Wagen den ich durch die Schiebetüren in den Markt hinein schob.

„Roxy, hier entlang!", schrie Danielle, die bereits im ersten Regal verschwunden war. Ich verdrehte meine Augen. Dieser Einkauf würde mein persönlicher Höllentrip werden! Kurze Zeit später war im Wagen kaum noch Platz. Vor mir türmten sich Knabbereien, Dekoration, Steaks, Salat... Ich hatte ehrlich gesagt den Überblick verloren, keine Ahnung war Danielle in den letzten zwanzig Minuten alles in den Wagen geschmissen hatte.

„Ich glaube, wir brauchen einen zweiten Wagen!", überlegte Danielle laut.

„Was? Spinnst du? Hast du ganz England zu deinem Geburtstag eingeladen?", fragte ich geschockt.

„Roxy... ganz England. Also wirklich!", spottete sie und ging einfach weiter.

„Das war ein Scherz, Danielle. Aber wer soll das alles essen?"

„Wir haben noch nicht mal Eiscreme da drin!", klagte sie.

„Es wird Kuchen geben, kein Mensch will dann auch noch Eis!"

„Hast du eine Ahnung!", schmollte sie weiter, ging aber trotzdem langsam zur Kasse. Gott sei Dank! Natürlich war die Rechnung übertrieben hoch, doch ich hütete mich einen Kommentar darüber abzulassen.

„Wir haben keine pinken Ballons!", meckerte Danielle als ich mit ganzem Körpereinsatz und Gewicht den Wagen irgendwie aus dem Markt manövrierte.

„Wir haben blaue Ballons, und rote!", erklärte ich ihr.

„Ich sagte dir doch, dass ich pinke brauche!"

Der Wagen machte sich selbstständig und ich konnte gerade noch so verhindern, dass er auf ein parkendes Auto rollte.

„Kannst du mir... vielleicht mal helfen!", ächzte ich unter großer Anstrengung. Danielle kam zu mir und legte vorne eine Hand auf den Wagen.

„Ich weiß nicht, welches Geschäft pinke Ballons haben könnte...!", überlegte sie laut. Die Hand lag einfach nur so da, sie zog nicht und sie lenkte nicht. Ich schnaufte schon wie eine schwangere Ente... Das schien Danielle aber nicht zu bemerken.

„Bei Macy's vielleicht... Die haben viele Deko-Sachen...!"

„Scheiße! Danielle, hilf mir jetzt endlich mit dem verdammten Einkaufswagen!", rief ich, inzwischen wirklich angepisst.

„Ja ja, ist ja schon gut.", knurrte sie und lenkte immerhin ein bisschen. Sobald wir am Wagen ankommen würden, würde ich mich daneben stellen und zusehen, wie sie die ganzen Einkäufe in den Wagen umräumte! Ich würde nicht einmal eine Kekspackung nehmen und in den Kofferraum legen! Das sollte sie schön allein machen!



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