Kapitel 23 - Pulsing rage

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„Hallo? Kann ich Ihnen helfen?", flötete sie und trat in den Flur hinaus. Sie trug einen Bademantel aus schwarzer Seide. Eine Mandantin? Leo hatte gesagt sie war nur eine Mandantin. Ganz genau, alles klar... Diese Blondine war ganz sicher nicht nur eine Mandantin, es sei denn sie hatte einen merkwürdigen, ich korrigiere, wirklich sehr merkwürdigen Modegeschmack und lief ständig nur in verdammten schwarzen und viel zu kurzen Seidenbademänteln herum. Eigentlich hätte ich einfach abhauen sollen, ihr sagen, dass ich mich im Haus geirrt hatte und zurück zum Gestüt fahren, doch genau das tat ich natürlich nicht.

„Ist Leo da?", fragte ich stattdessen.

„Ja, Moment kurz!", sagte sie dümmlich grinsend und drehte sich dann um. „Leo, Schatz, kommst du mal eben kurz an die Türe, bitte?"

Sie nannte ihn Schatz... Mandantin... mhm... In mir drinnen tobte ein Kampf, die Enttäuschung und die Wut lieferten sich ein Rennen, ich war gespannt, was zuerst explodieren würde. Im nächsten Moment erschien Leo an der Tür. Er trug immerhin Jogginghose und Shirt und nicht nur einen Seidenbademantel, was auch wirklich komisch gewesen wäre. Ich schalt mich gedanklich selbst, weil ich über Seidenbademäntel nachdachte obwohl ich gerade ganz offensichtlich andere Probleme hatte.

„Roxy!", rief er erschrocken aus. „Was machst du denn hier?"

Ich konnte gar nicht anders als ihn wütend anfunkeln. Seine Augen weit aufgerissen fuhr er sich unbeholfen und hektisch durch seine dunklen Haare, welche sowieso schon in alle Himmelsrichtungen abstanden.

„Ich wollte mit dir über das hier reden!", sagte ich selbstsicher und hielt den Zeitungsartikel in die Höhe um damit herum zu wedeln.

„Was ist das?", fragte er und auch die Blonde betrachtete die Zeitung sehr interessiert.

„Ein Bericht über mich und deinen Vater!"

„Du bist in der Zeitung? Bist du berühmt oder so?", fragte Blondie und kam einen Schritt näher auf mich zu, ihren Blick fest auf die Zeitung in meiner Hand fokussiert. Ich konnte mir ein verächtliches „Ach!" nicht verkneifen.

„Und was soll ich damit?", Leo sah mich fragend an.

„Ich wollte einfach nur mit dir reden, keine Ahnung wieso, das war bescheuert!", gab ich zurück und ließ die Zeitung wieder sinken.

„Kann ich das mal haben?", fragte Blondie und grapschte nach dem Artikel. Ich überließ ihn ihr, ich kannte ich sowieso auswendig.

„Leo! Ist das hier etwa deine Reiter-Ex?", rief diese dämliche Tussi jetzt auch noch. Wir ignorierten sie beide.

„Ich fahre wieder zum Gestüt! Wie ich sehe läuft es ja super mit deinen Mandanten!", sagte ich und betonte das Wort Mandanten besonders.

„Warte, Roxy...!", begann er doch ich war schon die ersten Stufen hinunter gejoggt. Ich rannte nach draußen und wollte einfach nur so schnell wie möglich in diese Schrottkarre und weg fahren. Wir waren nicht zusammen, Leo und ich, doch wieso fühlte ich mich trotzdem betrogen? Als die verdammte Karre sich nicht aufschließen ließ und auch auf meine Kraftausdrücke nicht reagierte, musste ich schon wieder heulen. Ich zitterte so sehr und ich war so wütend. Am meisten wütend war ich auf mich selbst. Wie konnte ich nur so bescheuert sein hierher zu kommen? Und das einen Tag vor dem großen Springen!

„Scheiße, verdammte!", brüllte ich die Karre an und trat gegen den Reifen. „Aua!"

„Roxy, warte kurz!"

„Na super!", murmelte ich und verdrehte meine Augen. Jetzt war er mir auch noch hinterher gerannt. Genervt drehte ich mich um und sah ihm entgegen. Beinahe hätte ich vor lauter Zorn mit einem Fuß auf den Betonboden gestampft wie ein kleines Kind.

„Es tut mir leid, ich wusste nicht, dass du kommen würdest!", sagte er.

„Echt?", fragte ich sarkastisch. Er fuhr sich verzweifelt durch die dunklen Haare. „Ich wusste nicht, dass du eine Mandantin bei dir zuhause hast!"

Er schwieg. Natürlich tat er das.

„Kannst du... kannst du mir mit dem Auto helfen? Es geht nicht auf und ich...!", redete ich schnell bevor ich erneut heulen musste. Es tat so weh, so unglaublich weh. Ich wollte ihn unbedingt, ich brauchte ihn wie die Luft zum atmen, ich wollte alles was ich hatte mit ihm teilen, doch diese Möglichkeit war jetzt weg. Für immer weg. Alle meine Träume waren am Zerplatzen. Er hatte eine Neue, ich war allein. So war es am Ende doch immer. Roxy Fleming stand am Ende allein da.

„Können wir uns unterhalten? Ich weiß, es ist keine Entschuldigung aber ich habe heute, oder in den letzten vier Wochen nicht mit ihr geschlafen!"

„Du musst dich auch nicht entschuldigen, wir sind nicht zusammen, schon vergessen? Du kannst vögeln mit wem du willst.", oh Mann, es tat so weh ihm das zu sagen und es tat genauso weh zu erfahren, dass er, während ich völlig fertig war wegen ihm, tatsächlich mit einer anderen rum gemacht hatte. Seine Aussage, die letzten vier Wochen wäre nichts gelaufen, interessierte mich nicht im Geringsten!

„Du hast gesagt, du willst nicht mehr und ich... ach keine Ahnung... es hat mich fertig gemacht, okay?", wieder fuhr er sich wieder durch seine Haare. Ich hatte meine Hände auch immer in seinen Haaren vergraben...

"Jedenfalls dachte ich, ich hab keine Ahnung was ich dachte! Es war eine bescheuerte Idee sie anzurufen. Roxy glaub mir, ich habe sie nicht angefasst!"

„Okay.", sagte ich leise.

"Du glaubst mir nicht.", seine Stimme klang leise und heiser. Ich schluckte nur, sagte jedoch gar nichts. Ich wusste doch selbst nicht, was ich noch glauben sollte!

„Sie ist... war eine Ablenkung.", als Leo diese Worte ausgesprochen hatte spürte ich, wie eine neue Welle der Wut in mir aufkam.

„Eine Ablenkung, ja?", brüllte ich. Meine Stimme klang so zornig, dass sie heiser klang und überhaupt nicht so, wie meine Stimme sich eigentlich anhörte. Dass ich sie gerade überstrapazierte merkte ich auch an dem Kratzen in meinem Hals und dem Husten, den ich mühevoll unterdrückte. Leo nickte. „Du bist das allerletzte Arschloch, das mir je unterkommen ist, Leo! Nutzt dieses arme Mädchen aus! Das ist ekelhaft, du bist ekelhaft!", schrie ich während erneut Tränen über meine Wangen liefen. Dieses Mal war es mir scheißegal.

„Roxy, bitte...!", begann er und wollte dabei nach meinen Händen greifen, die schon wieder verzweifelt an diesem blöden Schloss herum fummelten.

„Fass mich nicht an!", brüllte ich und holte gleichzeitig aus. Mit einem lauten Klatschen prallte meine Hand auf seine Wange. Er sah genau so geschockt aus wie ich mich fühlte. Endlich gab das Schloss nach, ich riss die Tür auf und setzte mich in den Wagen. Etwas Erleichterung machte sich in mir breit als der Wagen sofort ansprang. Ich gab Gas und raste davon. Im Rückspiegel sah ich Leo. Er stand am Straßenrand und starrte mir nach. Er sah traurig aus und ich hätte mich am liebsten selbst dafür geohrfeigt, dass ich Mitleid und Reue verspürte. Ich hatte Mitleid mit diesem Arschloch das mit meinen Gefühlen gespielt hatte und jetzt auch noch mit den Gefühlen eines anderen Mädchen spielte. Er behandelte uns als wären wir ein Spiel! Während ich den Wagen aus London hinaus lenkte brüllte ich meinen ganzen Schmerz heraus. So laut hatte ich noch nie geschrien, da war ich mir sicher! Mein ganzer Körper wurde von den unkontrollierbaren Schluchzern geschüttelt, doch ich hatte gar nichts mehr unter Kontrolle. Was sollte man tun, wenn man so sehr liebte, die Liebe einen aber zerstörte?


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