>>Dreizehn<<

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Es war fast schon zu leicht gewesen. Ich konnte ihn schnell überreden, zu gehen, und auch die Tür aus der pinken Hölle konnte ich ganz einfach mit meinem Fuß aufhalten.

Ich wartete zwanzig Minuten, damit er sich bereits vom Grundstück entfernt hatte, wenn ich meinen Versuch startete.

Ich trat durch die schwere Eisentür, die ich irgendwie die ganze Zeit aufhalten konnte, und klemmte einen Ziegelstein zwischen ihr und den Türrahmen, falls es doch der falsche Weg war.

Ich lief durch die kalten, dunklen Gänge und suchte panisch nach dem Ausgang, endete aber meistens in Sackgassen, die von Spielzeug verziert worden waren. Nett.

Ich hatte das Gefühl, dass ich mich im Kreis drehte, ich war schon unglaublichen wütend und war kurz davor, aufzugeben. Doch dann entdeckte ich einen Raum, der mir den Atem raubte.

Es war sein Technikraum. Darin waren unzählige Fernseher, die die pinke Hölle aus jedem Winkel zeigten. Mir wurde übel, so übel, dass ich mich auf der Stelle übergeben wollte. Aber da der gute Harry mir sowieso kaum Essen gab und ich das anscheinend schon komplett verdaut hatte, kam nichts.

Ich trat einen Schritt in den Raum, und mein Blick fiel direkt auf das Telefon, was an der Wand hing. Ich tippte die Nummer der Polizei mit meiner Nase und stellte das Telefon auf Lautsprecher.

Nervös ging ich in dem Zimmer auf und ab, bis endlich der Hörer am anderen Ende abgenommen wurde.

,,Officer Tomlinson hier, wie lautet ihr Notfall?"

,,Hallo? Gott sei dank, hallo! Mein Name ist Abigail Preston. Ich wurde vor einiger Zeit entführt", sprach ich aufgeregt ins Telefon.

Ich hoffte so sehr, dass dieses Gespräch real war, aber es klang nicht nach Harry. Die Stimme des Officers war höher und etwas kratziger, aber trotzdem angenehm.

,,Miss Preston, wo befinden Sie sich? Ist ihr Entführer in der Nähe?"

,,Ich hab keine Ahnung, es ist eine verlassene Fabrik, und er hat eine Art Tunnelsystem hier drin erbaut, ich finde nicht mehr heraus. Und nein, nein er ist weg. Ich habe ihn verwundet und er ist auf dem Weg zu einem Arzt."

,,Versuchen Sie weiterhin, aus dem Gebäude rauszukommen, Miss Preston, wir können den Telefonanschluss nicht orten. Wir schicken aber Hubschrauber, die das gesamte Gebiet im Umkreis von 100 Kilometern abfliegen. Dafür müssen Sie aber draußen sein und auf sich aufmerksam machen", sprach der Officer in einem beruhigenden Tonfall.

,,Okay.. Okay, ich werde es versuchen. Bitte kommen Sie schnell, ich weiß nicht, wann er wiederkommt", sagte ich noch und legte auf, um weiterhin nach dem Ausgang zu suchen.

***

Ich rannte durch den Wald, weg von ihm. Meine hohen Schuhe habe ich bereits verloren, um schneller rennen zu können. Ich hörte bereits in der Ferne das Geräusch des Hubschraubers, und geriet in Verzweiflung. Ich musste schneller rennen, ich musste an einen Ort, an dem ich sicher war und trotzdem die Aufmerksamkeit auf mich zog.

,,Bleib stehen, du verdammte Hure!", schrie er mir hinterher und kam mir halb humpelnd, halb laufend hinterher.

Er hatte es sich anscheinend anders überlegt. Ich hatte die Polizisten gewarnt, und als er die Polizeiwägen vor jedem Arzt und Krankenhaus sah, geriet er wahrscheinlich in Panik und kehrte um.

Der Hubschrauber kam näher, genauso wie er.

Ich rannte auf eine Wiese, knickte leicht ein, da ich mit meinen nackten Füßen auf einen spitzen Stein getreten war, lief jedoch weiter.

Der Hubschrauber hatte mich im Sichtfeld.

,,Hey! Hier unten!", schrie ich und versuchte, mit den Armen zu wedeln, doch es klappte nicht.

,,Hier unten!", schrie ich erneut und lief langsamer. Zu meiner Erleichterung sah ich, dass der Hubschrauber bereits an Höhe verlor.

Zu meiner Beängstigung sah ich allerdings, dass sich Harry mir näherte.

Ich musste ihm entkommen, aber ich wollte meine Retter nicht verwirren, wenn ich jetzt einfach weglaufe. Ich beschloss, kreuz und quer auf der Wiese herumzulaufen, weg von seinen nach mir greifenden Armen.

Ich rannte und schaute dabei kurz nach hinten, um zu sehen, wie weit der Hubschrauber war, denn es war bereits windig geworden. Dabei stolperte ich jedoch über eine Wurzel und fiel zu Boden.

Er rannte auf mich zu und schlug mich, sodass ich aufschrie.

,,Du gehörst mir! Sag denen, dass sie gehen sollen. Die dürfen mir meine Darcy nicht wegnehmen", brüllte er und nahm mich auf seine Arme, dazu bereit, mit mir wegzulaufen.

,,Harry! Hier spricht die Polizei, lassen Sie Abigail sofort gehen!", schrie einer mit Megafon aus dem gerade landenen Hubschrauber.

,,Niemals, sie gehört mir. Verschwindet!", brüllte er zurück und versuchte, mit mir wegzulaufen.

Doch dazu kam es nicht. Ein Polizist schoss ihm ins Bein, und als er mich fallen gelassen hatte, noch einmal in den Kopf.

***

Ich lausche dem Geräusch der Kugelschreiber auf den Klemmbrettern der Psychater, die um mich herum sitzen und scheinbar jedes gesagte Wort notieren.

Ich knibbele mit meinen Fingern an meiner Haut, kaue auf meiner Unterlippe herum und betrachte mit leerem Blick das Spiegelglas, hinter dem sich höchstwahrscheinlich meine Eltern und meine besten Freunde befinden. Gut, dass ich sie nicht sehen kann.

Zuallererst wurde ich nach der Rettung zu einem Krankenhaus gebracht, der mir meine Schultern wieder eingerekt hat und meine Wunden soweit behandelt hat. Es wurden noch einige weitere Tests mit mir durchgeführt, aber weil ich irgendwann aggressiv gegenüber dem Doktor wurde, wurde ich hier hin gebracht, in die psychiatrische Abteilung.

Es klopft an der Tür, und meine Augen mustern meine Eltern, die zögerlich hereintreten und auf einer Couch vor mir Platz nehmen.

,,Abigail, Liebes. Wir müssen mit dir reden", fing mein Vater an, während meine Mutter ein Weinen unterdrückt.

Ich antworte nicht.

,,Abby, wir wissen, dass du aufgrund dieses.. Mannes viel durchmachen musstest, und deswegen wirst du nicht erfreut über die Nachricht sein, die du gleich erhälst", fuhr mein Vater zögerlich fort.

Ich antwortete wieder nicht.

,,Du bist schwanger", platzt es meiner Mutter heraus, woraufhin ich erst sie, und dann meinen Bauch geschockt ansehe.

,,Ich bin mir sicher, dass du es abtreiben willst, und wir unterstützen dich dabei. Du.. musst dich jetzt erst einmal um dich selbst kümmern, du bist doch noch ein Kind. Du bist noch nicht bereit für ein Baby", setzt mein Vater wieder an.

,,Nein", murmele ich.

,,Nein? Nein was?"

,,Ich will es behalten. Ich will das Baby behalten und großziehen, denn es gehört mir."

Ungläubig starren mich meine Eltern an und erzählen mir, dass ich geistig verwirrt sei und nicht entscheiden kann, was richtig oder falsch ist. Ich höre ihnen nicht zu. Ich streichle vorsichtig über meinen Bauch und lächle breit, denn darin befindet sich mein Eigentum. Mein kleines Kind. Ein Glücksgefühl breitet sich in mir aus.

Dann geht meine Mutter zum leitenden Oberarzt und diskutiert wild mit ihm, dass das Kind abgetrieben werden soll, dass ein Monster in meinem Bauch heranwächst.

Er gibt ihr recht.

Ich werde mein Kind verlieren.

Ich werde alles verlieren, was ich noch von ihm habe.

DOLLHOUSE / h.s/Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt