Kapitel 6

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Jenny Pov.

Ich zitterte am ganzen Körper. ,, Fuck, Fuck, Fuck!," sagte ich und mehrere nickten. ,, Das war knapp.," keuchte Liane. ,, Das war Scheißknapp.," fluchte Branko und ausnahmsweise mal hatte er recht. Ich sah Timo an, der sich um Liane kümmerte. Raffael stand neben mir. ,, Irgendwann, werden diese Amokläufer es schaffen, in die Schule zu kommen.," sagte er finster. Ich nickte leicht. Mila taumelte zu mir. Ihre Wange war blutig. Ein einziger Kratzer schimmerte unter dem Blut hervor. ,, Ich hab ein Taschentuch für dich.," sagte ich und bat sie, mitzukommen. Raffael folgte mir. Mila setzte sich auf meine Matratze. Raffael setzte sich neben sie. ,, Das wird jetzt kurz wehtun.," sagte ich und presste Mila ein nasses Taschentuch gegen die Wunde. Mila verkniff sich den Schrei und lief rot an. Dann riss sie sich los, knallte ihren Kopf ins Kissen und kreischte einmal. Durch das Kissen klang es gedämpft, aber man konnte es dennoch hören. Ich grinste Raffael an. Mila kam schnaufend wieder hoch. ,, Geht schon wieder.," sagte sie. Raffael grinste frech. Mila stand auf und ging zu Tina, die sich panisch mit Gina unterhielt. Raffael sah mich an. ,, Glaubst du, dass wir in Sicherheit sind?," fragte er. Ich schüttelte hastig den Kopf. ,, Wie denn? Wir sind in einer Klasse und draußen lungern Amokläufer rum." Raffael nickte. ,, Genau das dachte ich auch gerade.," sagte er. Ich lächelte. ,, Und warum fragst du mich dann?" ,, Ich wollte deine Meinung hören.," wehrte Raffael ab. Ich grinste noch breiter. Das Dämmerlicht wurde immer stärker. Die Vögel hörten auf zu zwitschern. Eine unbehagliche Stille lag über der Schule. Nur das Schreien der zwei Amokläufer ließ alle wissen, dass wir noch nicht in Sicherheit waren. Jeden Moment konnten sie in unsere Schule einfallen und schießen. Ich fragte mich, wie viele Tote es wohl geben würde. Ich hoffte instinktiv, dass sie niemanden erschossen, der mir nahestand. Zum Beispiel Maja, die ich seit der achten Klasse kannte und total gern hatte. Ich seufzte und mir kullerte eine warme Träne über die Wange. Raffael neben mir schnarchte. Ich drehte den Kopf und sah, wie er neben mir auf der Matratze lag und fest schlief. Ich stupste ihn an. Der schläft wirklich tief und fest wie ein Bär im Winter! Ich rollte ihn auf seine Matratze und keuchte. Timo warf mir einen kurzen Blick zu. Branko blinzelte ihn an. Ich lächelte verkrampft und legte mich auf meine Matratze. Inzwischen schien das Mondlicht in den Klassenraum. Meine Klassenkameraden wurden in silbernes Licht getaucht. Ich seufzte tief. Mila lag inzwischen neben mir und starrte mich an. ,, Ich hab Angst." Ich legte meine Hand auf ihre Schulter. ,, Ich doch auch.," sagte ich ihr. Die anderen legten sich nun auch leise schwatzend hin. Ich blinzelte kurz. ,, Wir müssen einfach hoffen, dass wir es schaffen. Ich glaube daran." Mila nickte. Ihre braunen Augen leuchteten entschlossen, auch wenn ich eine Spur Angst darin finden konnte. Ich deckte mich zu und drückte meinen Rücken an die Heizung. Die Wärme pulsierte auf meiner Haut, aber in meinem Inneren zitterte ich. Ich deckte mich stärker zu. Etwas kaltes berührte meinen Arm. Ich tastete auf meiner Matratze umher, bis ich etwas kleines in der Hand hielt. Ich hielt den Gegenstand ins Mondlicht. Ich erstarrte. Das war eine Patrone! Der Deckel der Hülle war locker und ich drehte ihn auf. Ein kleiner Zettel plumpste heraus. Zitternd öffnete ich das Schreiben und las die Zeilen. Wir haben euch umzingelt. Es gibt keine Hoffnung mehr für euch. Ich fing an, heftig zu atmen. Sämtliche Gesichter wandten sich mir zu. Ich brachte noch ein《 Sie wissen es》über die Lippen, dann wurde alles schwarz und die Nacht hüllte mich ein. Ich wachte auf, als eine warme Hand mein Gesicht berührte. Ich blinzelte. Alles war verschwommen und das silberne Mondlicht beleuchtete meine Decke. ,, Bin ich tot?," krächzte ich. ,, Könntest du sonst sprechen?," entgegnete jemand. Mein Blick klärte sich und ich erkannte Branko und Lukas. ,, Bist du okay?," fragte Lukas. Ich nickte. ,, Seit du in Ohnmacht gefallen bist, sind alle in Panik ausgebrochen.," schilderte Branko mir und deutete auf meine Klassenkameraden. Tina hatte große Augen und Louisa und Ben unterhielten sich panisch. Dass ich Ben mal panisch sehen würde! Ich setzte mich auf. ,, Sie wissen, dass wir hier sind.," flüsterte ich. Lukas nickte. ,, Das gleiche hast du gesagt, als du das Bewusstsein verloren hast.," erklärte er. Ich verengte die Augen zu winzigen Schlitzen und schnaubte kurz. Raffael saß besorgt neben mir. ,, Na, wach geworden?," äffte ich. Raffael grinste. ,, Bei deinem heftigen Keuchen dachte ich schon, dass wer weiß was passiert ist." Ich wusste was er meinte! ,, Vor allen anderen? Das wäre ja wohl peinlich.," gröhlte ich los. Raffael lachte leise. Lukas grinste und Branko schüttelte den Kopf. Ich seufzte und legte mich wieder hin. Ich hörte die Grillen zirpen und lächelte in mich hinein. Die Jungs zogen sich zurück. Alle. Bis auf Raffael, der immer noch neben mir war. ,, Schlaf ruhig.," flüsterte er. Ich gähnte als Antwort. Dann schloss ich meine Augen und ließ mich im Rhythmus von Raffaels Atmung in den Schlaf wiegen.

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