Kapitel 2

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Raffael Pov.

Mit einem mitfühlenden Blick auf Jenny setzte ich mich hin. Sie warf Brandon giftige Blicke zu und knurrte innerlich. Unsere beiden Klassenlehrer betraten die Klasse und ließen ihre Blicke über uns schweifen. Sie wirkten geschockt. ,, Guten Morgen.," sagten wir im Chor. Herr Raima nickte leicht und Frau Klips setzte ein Lächeln auf die Lippen. Dennoch wirkten sie auf mich total verspannt. ,, Wir bringen schlechte Nachrichten.," fing Herr Raima an. Neugieriges Raunen huschte durch die Klasse. Ich warf einen Blick auf Jenny. Sie wirkte total gelassen, aber ihre Augen waren panisch. Ich legte ihr sanft meine Hand auf die Schulter, was sie anscheinend nicht bemerkte. ,, Um die dreizig Häftlinge sind aus dem Gefängnis geflohen, als ein Feuer ausbrach. Ich will euch nicht beunruhigen, aber die meisten sind Amokläufer.," fuhr Frau Klips fort. Alle Mädchen kreischten. Alle. Außer Jenny. Sie saß kreidebleich auf dem Stuhl. Ihre Hände zitterten und sie hatte sich verkrampft. Ihre silbrig blauen Augen funkelten panisch. Ich beugte mich langsam zu ihr. ,, Geht es dir gut?," fragte ich. Keine Antwort. Daraufhin gab ich ihr eine leichte Backpfeife. Sofort reagierte sie und fuhr herum. ,, Ob es dir gut geht?," fragte ich nun erneut und sie nickte. Sie wurde immer blasser. Ich seufzte und sah wieder nach vorne. ,, Einige sind bereits in Dortmund angekommen.," erklärte Herr Raima. Dieses Mal kreischte auch Jenny entsetzt auf und ich zuckte zusammen. ,, Deshalb müsst ihr hier in der Schule bleiben. Bis die Polizei alle wieder dingfest gemacht hat.," rief Frau Klips und sofort wurde es mucksmäuschenstill. Aus den Nachbarklassen ertönten protestierende Schreie, was wohl hieß, dass sie die Nachricht auch gerade bekommen hatten. ,, Und wie sollen wir schlafen?," fragte Liane. ,, Wir schieben die Tische weg und schlafen auf dem Boden.," sagte Frau Klips. Ich hatte Schiss. Richtig Schiss. ,, Und der Unterricht?," fragte Anton. ,, Es wird keinen Unterricht geben. Wir wollen den Anschein erwecken, dass niemand hier ist. Also werdet ihr euch nur mit eurem Handy und euren Büchern beschäftigen müssen.," erklärte Herr Raima. ,, Was ist mit unseren Eltern?," kreischte Tina entsetzt los. ,, Scheiße! Wenn ihnen jetzt was passiert?," rief Sonja. Herr Raima bat um Ruhe. ,, Wir haben je zwei Polizisten zu euch nach Hause geschickt. Die sind sofort zur Stelle." Alle atmeten erleichtert auf. Ich schluckte schwer. Fuck! Amokläufer in unserer Stadt. Ich musterte Markus und Ben, die beide vor mir saßen. Auch sie waren kreidebleich. Jenny sah mich ängstlich an. Ihre silberblauen Augen waren groß wie Vollmonde. Ich blinzelte sie tröstend an und sie schien sich zu beruhigen. ,, Die Polizei wird euch nachher Decken, Kissen und Matratzen bringen.," fuhr Herr Raima fort. Wenigstens mussten wir nicht auf dem harten Boden schlafen. ,, Und wenn wir auf die Toilette müssen?," fragte Lukas. ,, Ein Polizist wird euch bis zur Tür begleiten.," sagte Frau Klips. Ich seufzte und blinzelte. ,, Ich hoffe, dass ihr bald wieder nach Hause könnt. Dann wird es auch erst einige Wochen schulfrei geben.," erklärte Herr Raima. Normalerweise brach bei einer solchen Nachricht das Chaos aus. Doch dieses mal blieb alles still. Ich ließ meinen Blick über die ganze Klasse wandern. Alle hatten kreidebleiche Gesichter. Selbst die Jungs. Aber ich sah bestimmt nicht besser aus. Meine Hände zitterten und ich hoffte, dass es niemand sah. Nur Jenny sah mich an. Ihre Augen waren vor Panik riesig und Schweiß lief ihr die Stirn runter. Ich blinzelte und legte ihr ganz kurz meine Hand auf ihre, wobei sie rot anlief. Ich zog sie wieder weg, als Willi durch die Zähne pfiff. ,, Wie kannst du jetzt nur spaßig werden?," fragte Lukas geschockt und sah Willi mit großen, blauen Augen an. Ich seufzte. ,, Eure Eltern wissen schon Bescheid. Wenn irgendjemand ein Beobachtungsgefühl hat, soll er es einem von uns sagen. Niemand verlässt ohne unsere Erlaubnis die Schule.," sagte Herr Raima. In dem Moment flog die Tür auf und mehrere Polizisten standen im Flur. Unter ihren Armen klemmten Matratzen. Wir trugen die Tische und Stühle aus der Klasse und nahmen uns jeder eine Matratze. Ich legte meine neben Lukas, Jenny und Mila ab. Die drei blinzelten. Jenny sah mich mit großen Augen an. Ich lächelte und holte mir mein Kopfkissen und meine Decke von den Polizisten. Dann richtete ich mein Bett ein. Die anderen waren inzwischen fertig und flüsterten panisch. Gina und Tina hatten die Köpfe zusammengesteckt. Willi, Markus und Brandon steckten in einer heftigen Diskussion. Ich selbst saß auf meiner Matratze und hatte die Knie angewinkelt. Jenny lag mit dem Bauch auf ihrer Matratze und redete leise vor sich hin. Zwischendurch wurde ihre Stimme tiefer. Dann sah sie auf. Ihre Augen trafen auf einen Punkt, den ich nicht sehen konnte. Sie zuckte ständig und Tränen nässten ihre Wangen. Sie flüsterte etwas. ,, Das ist das Ende, Silver." Ich stutzte. Wer ist Silver? Ich holte mein Handy raus und googelte den Namen. Sie redete über Silver the Hedgehog. Einen Sonic Charakter. Ich lächelte. Sie ist komisch. Das war zwar verrückt aber das war ich ja auch. Jenny schien zu bemerken, dass ich sie beobachtete und hörte auf zu flüstern. Sie blinzelte mich unsicher an. ,, Dein Geheimnis ist bei mir sicher.," versprach ich ihr und sie schien zufrieden zu sein. Mila saß zusammengekauert neben ihr. Ihre dunkelbraunen Augen waren glasig vor Angst. Hoffentlich geht alles gut.

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