Jenny Pov.
Gelangweilt schrieb ich den Text von der Tafel ab. Mein Sitznachbar Raffael seufzte ständig, was mich ziemlich nervte. Wir hatten heute ein neues Thema angefangen. Jugendkriminalität. Ich seufzte leise und warf einen Blick auf meine Freundin Mila, die rechts von mir saß. Sie schrieb ganz ruhig den Text ab. Ihre Augen flogen über das Blatt und ihre Hand hörte nie auf zu zucken. Brandon stöhnte laut. ,, Alter, befriedigen kannst du dich nachher Zuhause!," gröhlte Jan und alle gackerten los. Ich lachte mit, auch wenn ich so was nicht mochte. Perverse Witze waren zwar cool, aber manchmal ziemlich ekelig. Unser Lehrer grinste kurz, dann räusperte er sich, als Zeichen, dass wir weiterarbeiten sollten. Ich lauschte auf den Regen, der stetig gegen die Fenster trommelte. Ein Blitz spaltete den tief dunkelgrauen Himmel und im nächsten Moment krachte es ziemlich laut. Ich schrie vor Schreck auf und zitterte. Alle sahen nun mich an und Willi hinter mir pustete los. Im nächsten Moment lachten die ganzen letzten zwei Reihen hinter mir und ich lief knallrot an. Wie durch ein Wunder, drehte Raffael sich ruckartig zu Willi um. Sein hellblauer Blick war kalt. Eiskalt. Alle verstummten schlagartig. Ein Donner krachte und ich zuckte schon wieder zusammen. Das tat ich immer, wenn etwas passierte, was ich nicht erwartete. Genauso wenig hatte ich erwartet, dass Mila sich umgedreht hatte und mich mit einem Buh erschreckte. Ich sprang fluchend hoch und funkelte Mila an, die anfing zu grinsen. Ich setzte mich schnell wieder hin. Raffael warf mir mitfühlende Blicke zu. Moment... Raffael warf mir mitfühlende Blicke zu? Mir, der früheren Außenseiterin? Mir, dem hässlichen Mädchen? Ja, das tat er. Und es tat gut. Seltsamerweise störte es mich nicht im geringsten. Früher hatte ich jeden angefaucht, er solle sich das Mitgefühl bloß sparen. Doch jetzt... fühlte ich mich anders. Ich lief rot an und Raffael lächelte. Er lächelte mich an! Das hatte er noch nie getan. Mila stieß mich unsanft an. ,, Arbeite weiter.," flüsterte sie. Obwohl sie gar nicht flüstern musste. Denn sie hatte eine so leise Stimme, dass man, wenn sie schrie, dachte, eine sanfte Brise heulte einem ins Ohr. Ich grinste sie frech an und arbeitete weiter. Jaja... das war unser Schulalltag. Und ich hasste ihn förmlich. Ich schielte zu Raffael Er trug ein schwarzes T-shirt wo in weißen Buchstaben draufstand "Dear School... I hate you ;)". Da musste ich grinsen. Wenn das ein Lehrer sieht. Dann klingelte es. Fünf-Minuten-Pause. Ich stand erst auf, als sich die Reihe vor mir erhob. Ich lief auf den Flur. Das Licht flackerte unheimlich, bis es schließlich ganz ausging. Da stand ich nun. Im Stockdunklem. Ich hörte meinen eigenen Herzschlag und lief ganz langsam rückwärts. Plötzlich umfassten warme Hände meine Arme. Nicht fest, aber doll genug, dass ich vor Angst aufschrie. Dann ging das Licht an. ,, Timo?! Was sollte das denn?," keuchte ich entgeistert und sah meinem Ex in die Augen. Timo grinste frech. ,, Schade, dass ich dein Gesicht nicht gesehen habe."
,, Dann hättest du das Licht anlassen sollen."
,, Dann hättest du dich aber nicht gehörig erschreckt.," konterte jemand. ,, Hi Branko!," rief ich und schlug ein. Neben ihm stand Tilo, mit einem breiten Grinsen auf den Lippen. Ihn begrüßte ich mit einer Ghettofaust. ,, Wie geht's dir?," fragte er mich. Ich grinste verschmitzt. ,, Meinst du vorher oder nachdem Timo mich erschreckt hat?" Tilo lachte los. ,, Gut.," sagte ich dann. Timo blinzelte. ,, Frau Bilan ist echt die Hölle.," seufzte Branko. Ich grinste. ,, Dagegen ist Frau Qierlach harmlos.," sagte Tilo. Ich räusperte mich. ,, Ähem. Du meinst wohl Frau Bierdach." Wir lachten los. Ja, wir gaben unseren Lehrern gerne Spitznamen. Und was rauskam war zum Schießen. Natürlich nutzten wir die Namen nur, wenn kein Lehrer in der Nähe war. Timo klopfte mir auf die Schulter. ,, Hey, träumst du?," fragte er. Ich schüttelte den Kopf. ,, Äh was?" ,, Es hat geklingelt.," erklärte Tilo. ,, Oh. Habe ich gar nicht bemerkt.," murmelte ich. ,, Haben wir bemerkt.," blaffte Branko spaßeshalber. Die drei umarmten mich einmal, dann gingen wir zurück in unsere Klassen. Wäre ich auch gerne. Aber jemand hatte die Tür von innen verriegelt. ,, Macht die verschissene Tür auf!," schrie ich wütend. ,, Huren haben hier nichts zu suchen.," ertönte Brandons Stimme. ,, Ach wie? Warum bist du dann da drinne?," konterte ich fies. Das Lachen stoppte. Das hätte ich nicht sagen sollen! ,, Wiederhole das nochmal.," rief Brandon. ,, Warum sollte ich?"
,, Weil du sonst die Tür in die Fresse kriegst!"
,, Die kriege ich doch so oder so in die Fresse.," brüllte ich und in dem Moment knallte er mir die Tür ins Gesicht. Ich schrie vor Schmerz auf und hielt mir die Hände vor mein Gesicht. Ich taumelte. Mir war schwindelig. Jemand hielt mich von hinten fest. ,, Bist du okay?," ertönte Raffaels Stimme. Seine Brust drückte gegen meinen Rücken. ,, Du blutest.," bemerkte er, als ich mich zu ihm umgedreht hatte. ,, Stark?," fragte ich zitternd. ,, Ungefähr so, als wenn du den Wasserhahn ein bisschen hochdrehst.," antwortete er. Ich zuckte zusammen. ,, Gebrochen ist aber nichts, oder?" Raffael berührte meine Nase. ,, Ist noch ganz.," berichtete er. Er gab mir ein Taschentuch, dann gingen wir zurück in die Klasse und setzten uns auf unsere Plätze. Und ich dachte, der Tag könnte nicht noch schlimmer werden.
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Amoklauf
Novela JuvenilSchule bringt ja jeden um. Aber wortwörtlich passiert es nur an der Kaltebach Realschule. Jenny hat Angst. Amokläufer treiben sich in ihrer Stadt herum. Die Schüler sind in der Schule eingesperrt und sie spielen mit ihrem Leben.