Kapitel 14

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Christoph Pov.

Entsetzt beobachtete ich, wie Raffael erschlaffte und sein Atem stoppte. Jenny, die neben mir saß, stieß hohe Schreie aus und krallte ihre Finger in Raffaels T-shirt. ,, Wach auf! Bitte!," schrie sie verzweifelt. Ich legte ihr vorsichtig meine Hand auf die Schulter. Jenny zuckte vor Schmerz und Trauer. Dann riss sie ihren Kopf herum und barg ihn an meinem Hals. Ich nahm sie nur zögernd in den Arm, weil ich dieses Gefühl nicht kannte. ,, Es wird alles wieder gut.," hauchte ich. ,, Raffael ist tot. Ich hätte den Lockvogel spielen sollen, nicht er.," schluchzte Jenny. Ich seufzte resigniert. ,, Und dann wärst du gestorben." Maxi schloss die Augen. ,, Er ist für uns gestorben.," murmelte er. Jenny zuckte in meinen Armen. Als sie sich von mir löste, keuchte sie. Ihre Schulter blutete ein wenig. Tilo und Branko stellten sich hinter Jenny. Sie rappelte sich auf und ließ sich in Brankos Arme gleiten. Dieser drückte sie sanft an sich. ,, Ich bin jetzt bei dir. Alles wird wieder gut." Seine Stimme klang so sanft, dass ich zusammenzuckte. Dann erkannte ich diesen liebevollen Ausdruck in seinen Augen. Branko ist in Jenny... verknallt? Ich seufzte und sah auf Raffaels Leiche hinab. Nie wieder könnte ich mit ihm irgendwelche Scheiße bauen. Das war jetzt alles vorbei. Trauer und Wut stiegen in mir auf. ,, Ich bringe diesen Kerl um.," fluchte ich. Ein Polizist schritt auf uns zu. ,, Das musst du nicht. Dein toter Freund hat das schon erledigt.," sagte er angespannt. Inzwischen wurden die Amokläufer mit Handschellen abgeführt. Einer raste direkt auf uns zu. ,, Ihr kleinen Ekelpakete. Ihr habt meinen Freund getötet." Seine Augen blitzten vor Wut. ,, Ach was? Aber ihr bringt unsere Freunde um!," blaffte Timo. Der Amokläufer schnaubte und wurde von dem Polizisten zurückgeschubst. Ich streckte ihm die Zunge raus und Brandon brüllte:,, Sie Wichser!" Markus stand stocksteif neben Ben und funkelte die Amokläufer an. Ich blinzelte und sah in den Himmel. Oh Leute... Nun wandelten die vielen Toten über uns im Himmel. Drei Polizisten führten uns von dem Geschehen weg. Branko versuchte immer noch, Jenny zu trösten. Timo und Tilo gingen mit großen Augen neben ihnen her. ,, Ihr helft uns jetzt, die Leichen einzusammeln.," sagte ein Polizist. Mehrere wichen angeekelt zurück. Nur ich, Jenny, Maxi, Branko und Liane erklärten uns bereit dazu. Also ging ich mit Jenny in die Pausenhalle. Jenny hob ein junges Mädchen auf. ,, Es tut mir so leid, Anna.," flüsterte sie und drückte den leblosen Körper an sich. Dann legte sie die Leiche auf einen Wagen. Ich schob den Wagen weiter. Jenny packte gemeinsam mit mir die Leiche von Michi, danach luden wir Tinas Körper auf den Wagen. Jenny sah ihrer Freundin traurig in die Augen. ,, Ich habe drei Freunde verloren.," flüsterte sie und ich wusste, dass sie auch von Raffael redete. Schweigend gingen wir weiter. Den toten Amokläufer hoben wir wütend auf den Wagen und gingen nach oben. Dort nahmen wir Svenja auf und legten sie ebenfalls auf die anderen toten Körper. Es dauerte lange, bis wir alle Körper eingesammelt hatten und mir wurde schlecht, als ich sah, wie viele von unseren Klassenkameraden umgekommen waren. Alle hatten versucht zu entkommen. Was ihnen nicht gelungen war. Ich unterdrückte die Tränen nur mühsam. Wir brachten den Wagen mit den toten Körpern auf den Schulhof. Meine Klasse und Timo, Tilo, Branko und Niklas standen bereits dort und hatten die Hände zu Fäusten geballt. Schweigend stellte ich mich zu Markus und Anton. ,, Diese Kinder haben versucht zu entkommen. Doch sie schafften es nicht. Wir trauern um sie und werden sie nie vergessen.," sagte ein Polizist laut. Zustimmendes Gemurmel erhob sich. Ein Kreischen von Mila, die gefolgt von Toni und den Lehrern aus der Schule kam, ließ mich erstarren. ,, Anna!" Anscheinend war Anna ihre Schwester gewesen. Jenny rannte zu Mila und umarmte sie tröstend. ,, Sag mir, dass sie noch lebt.," wimmerte Mila. Jenny schwieg und drückte Mila noch fester an sich. ,, Es tut mir so leid. Wir haben alles getan, was wir konnten.," sagte Bastian plötzlich. Mila nickte nur ganz benommen. Ich blinzelte traurig und wischte mir die Tränen aus den Augen. Ich hasste es, dass ich so sensibel war! Ich hasste es einfach! Und warum, konnte ich mir auch nicht erklären. Anton, der neben mir stand, senkte den Blick. ,, Ich kann es immer noch nicht glauben, dass wir überlebt haben.," sagte er. Maxi sah ihn an. ,, Und ich kann nicht glauben, wie viele Kinder tot sind. Mir tun ihre Eltern leid." Mehrere nickten zustimmend. Niklas entfernte sich ein wenig. ,, Geht nach Hause. Morgen sehen wir uns noch einmal. Dann habt ihr Ferien.," sagte Frau Diegsam. Ihre Augen waren getrübt vor Trauer. ,, Tschau. Wir sehen uns morgen.," sagte Jenny zu Branko und wollte gehen. ,, Warte.," sagte Branko und hielt sie zurück. Jenny fuhr so schnell herum, dass sie gegen seine Brust knallte. Der Aufprall ließ Branko kurz taumeln. Dann presste er seine Lippen auf ihre. Ich drehte mich instinktiv weg und schloss dabei auch noch die Augen. Ich öffnete sie erst wieder, als ich Jenny etwas flüstern hörte. Zwei haben sich gefunden. Was passiert morgen?

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