Bella blickte mich geschockt an als ich in die Sonne trat. Meine Haut ist blütenweiß mit einem Hauch einer Rötung von der Jagd am Vortag und sie glitzerte, als hätte man Tausende winziger Diamanten in sie eingelassen.
Ich legte mich ins Gras, rührte mich nicht mehr wie eine Statue und funkelte vor mich hin; mein Hemd war komplett aufgeknüpft und enthüllte die Skulptur meiner Brust, meine Arme waren unbedeckt und meine lavendelfarbenen Lider geschlossen.
Ich summte unhörbar vor mich hin und ich spürte Bellas Blick auf mir ruhen.
>>Zittern deine Lippen?<< fragte sie plötzlich.
Ich schmunzelte. >>Ich singe vor mich hin.<<
Die Töne waren so tief, dass Bella sie nicht hören konnte.
Hin und wieder öffnete ich unbemerkt meine Augen und schloss sie schnell wieder. Ich war zu neugierig auf ihre Reaktion über mein Erscheinungsbild.
Bella saß mit angezogenen Beinen da, stützte ihr kleines Kinn auf die Knie und betrachtete mich. Ein sanfter Wind blies durch ihre Kastanienbraune Haare und der verlockend süße Duft vermischte sich mit dem Blumenduft um uns herum.
Bella näherte sich mir mit ihrer Hand, berührte meinen Arm und strich mir mit einem Finger über den Handrücken. Es kribbelte unter meiner Haut und ich spürte die wärme ihrer Finger. Ich beobachtete sie, kurz darauf blickte sie auf und schaute mir tief in die Augen. Ihre warmen dunkelbraunen Augen scannten mein Gesicht und ich lächelte amüsiert.
>>Mache ich dir keine Angst?<< fragte ich schalkhaft und neugierig zugleich.
>>Nicht mehr als sonst auch.<<
Ich lächelte strahlender und schloss meine Augen wieder.
Bella rutschte etwas näher zu mir heran und strich mir mit allen Fingern einer Hand über meinen Unterarm. Ihre zarte kleine Hand zitterte. >>Darf ich?<< fragte sie aufgeregt.
>>Ja<< sagte ich seufzend wohlig. >>Du kannst dir nicht vorstellen, wie sich das anfühlt.<<
Mit ihrer Hand fuhr sie leicht über meine Muskulatur meines Armes und folgte dem blassen Muster der bläulichen Adern an meine Innenseite. Mit ihrer anderen Hand griff sie nach meiner, um sie zu drehen, doch ich ahnte ihre Absicht und kehrte meine Handfläche mit einer schnellen und zugleich vorsichtigen Bewegung nach oben. Bella erschrak und für einen Moment und ihre Finger erstarrten an meinem Arm.
>>Verzeihung<<murmelte ich und warf unbemerkt einen kurzen Blick auf sie. >>In deiner Nähe fällt es mir zu leicht, ich selbst zu sein.<<
Es fühlte sich einfach so unglaublich gut an, ihre warmen Finger glühten an meinem harten und kalten Arm. Ihre Fingerkuppen waren so zart und weich.
Ich konzertierte mich weiter auf Bellas Bewegungen und auf die Berührungen.
Sie wollte meine Hand heben, sie hin und her drehen und betrachtete das Glitzern der Sonne auf meiner Innenfläche. Ich richtete mich Vorsicht auf, stützte mich auf den freien Ellbogen und musterte Bellas Gesicht.
Das funkeln reflektierte und leuchtete auf ihre atemberaubend schöne Haut.
Dann führte sie meine Hand näher an ihr Gesicht.
>>Sag mir, was du denkst<< flüsterte ich.
Sie blickte auf und sah, dass ich sie eindringlich musterte.
>>Es ist immer noch so seltsam für mich, es nicht zu wissen.<<
>>So geht es uns anderen die ganze Zeit.<<
>>Was für ein hartes Leben.<<
>>Aber das war keine Antwort.<<
>>Ich hab mir auch gerade gewünscht zu wissen, was in dir vorgeht ...<<
Bella stockte.
>>Und?<<
>>Ich hab mir gewünscht, ich könnte glauben, dass es dich wirklich gibt. Und dass ich keine Angst habe.<<
>>Ich will nicht, dass du Angst hast.<< murmelte ich sanft.
>>Hmmm, na ja, das ist nicht die Angst, die ich meine, obwohl ich das vermutlich im Auge behalten sollte.<<
Zu schnell für Bellas Augen richtete ich mich halb auf und stützte mich auf meinen rechten Arm. Meine linke Hand hielt sie immer noch in ihrer Hand und ich war nur noch wenige Zentimeter von ihr entfernt. Bella zuckte noch nicht einmal, was mich sehr wunderte.
>>Wovor hast du dann Angst?<< flüsterte ich eindringlich.
Bella antwortete nicht. Ich spürte Ihren heißen Atem auf meinem Gesicht, ihren süßen, köstlichen und unvergleichlich verlockenden Duft. Sie beugte sich vor und entsetzt entriss ich ihr meine Hand und machte einen Satz zurück. Ich stand am Rand der kleinen Wiese unter einer Tanne und starrte sie an.
Die Verletztheit und der Schock versteinerten ihr wunderschönes Gesicht.
>>Tut mir ... leid ... Edward<< flüsterte sie und sie wusste ich konnte es hören.
>>Lass mir einen Moment Zeit<< rief ich gerade so laut, dass sie es noch verstehen konnte.
Regungslos saß sie da.
Nach etwa zehn unendlich lang Sekunden kam ich ihr vorsichtig näher. Zwei Meter vor ihr blieb ich stehen und sank anmutig in den Schneidersitz, ohne meinem Blick von ihr abzuwenden. Ich atmete tief durch und lächelte entschuldigend. >>Es tut mir so leid.<< Ich zögerte. >>Verstehst du, was ich meine, wenn ich sage ich bin auch nur ein Mensch?<<
Sie nickte einmal und langsam wurde ihr bewusst, wie real die Gefahr war die von mir ausging. Ich konnte hören wie Adrenalin im Blut durch ihren Körper pumpte und ich konnte es riechen. Mein Lächeln wurde sarkastisch.
>>Bin ich nicht das perfekte Raubtier? Alles an mir wirkt einladend auf dich - meine Stimme, mein Gesicht, selbst mein Geruch. Als ob ich das nötig hätte!<< Abrupt kam ich wieder auf die Beine, machte einen Satz nach hinten, rannte los, umrandete im Bruchteil einer Sekunde die Wiese und stand ein Moment später wieder unter dem selben Baum. >>Als ob du mir davon laufen könntest<< sagte ich mit einem bitterem Lachen.
Ich griff nach oben und brach mit einem ohrenbetäubenden krachen mühelos einen halbmeterdicken Ast vom Baum, balancierte ihn einen Augenblick lang auf meiner Handfläche und schleuderte ihn dann mit ganzer Wucht gegen den Stamm eines anderen Baumriesen, an dem er zerschmetterte. Der Baum bebte.
Dann stand ich wieder vor ihr, einen knappen Meter entfernt, regungslos wie eine Statue.
>>Als ob du dich gegen mich wehren könntest<<sagt ich sanft.
Sie saß da und rührte sich nicht.
Noch nie hatte ich mich einem Menschen so präsentiert.
Kreidebleich und mit weit aufgerissenen Kulleraugen saß sie vor mir, wie eine Maus vor einer Schlange, fixiert vom Blick ihres Jägers. Mich überkam tiefe Trauer.
>>Hab keine Angst<< murmelte ich. >>Ich verspreche ...<< Ich stockte. >>Ich schwöre, dass ich dir nichts tue.<< sagte ich und wollte mich damit selber überzeugen.
>>Hab keine Angst<< flüsterte ich wieder und trat mit übertriebener Langsamkeit auf sie zu. Ich ließ mich geschmeidig zu Boden sinken, bedacht darauf, keine hastigen Bewegungen zu machen, bis unsere Gesichter auf derselben Höhe waren, nur dreißig Zentimeter voneinander entfernt.
>>Bitte verzeih mir<< sagte ich förmlich.
>>Ich kann mich zusammenreißen. Du hast mich auf dem falschen Fuß erwischt. Ab sofort zeige ich mich nur noch von meiner besten Seite.<<
Ich wartete auf Bellas Reaktion, doch sie sagte nichts.
>>Ich bin heute nicht so durstig, ehrlich.<< sagte ich und zwinkerte.
Sie musste lachen, doch es klang unsicher und atemlos.
>>Alles okay mit dir?<< fragte ich sanft, hob vorsichtig meine kalte Hand und legt sie langsam wieder in ihre.
Bella betrachtete sie, dann schaute sie mir in die Augen. An Stelle einer Antwort fuhr sie fort, die Linien meiner Hand mit ihren Fingerspitzen nachzuzeichnen und lächelte zaghaft.
Ich antwortete mit einem Lächeln.
>>Also, wo waren wir, bevor mein Betragen so ungehörig wurde?<< fragte ich in der ritterlichen Sprache eines vergangen Jahrhunderts.
>>Ganz ehrlich - ich kann mich nicht erinnern.<<
Verschämt lächelte ich. >>Ich glaube, wir haben darüber geredet, wovor du Angst hast, abgesehen von den offensichtlichen Dingen.<<
>>Stimmt.<<
>>Und?<<
Sie senkte ihren Blick wieder auf meine Hand und ließ ihre Finger ziellos über die Haut wandern.
Die Sekunden verstrichen und ich wurde immer ungeduldiger.
>>Wie schnell ich ungeduldig werde<< sagte ich und seufzte.
Sie schaute mir tief in die Augen und wandte kurz darauf den Blick wieder ab.
>>Ich habe Angst ... Na ja, aus naheliegenden Gründen kann ich nicht mit dir zusammenbleiben. Und ich habe Angst, dass ich genau das will, viel zu sehr.<<
>>Ja<< sagte ich langsam. >>Davor solltest du auch Angst haben. Dass du mit mir zusammen sein willst. Das ist tatsächlich nicht vernünftig.<<
Sie runzelte die Stirn.
>>Ich hätte schon längst weggehen sollen.<< Ich seufzte. >>Und spätestens jetzt sollte ich es tun. Doch ich weiß nicht, ob ich das kann.<<
>>Ich will nicht, dass du weggehst<< murmelte sie verzagt und senkte abermals den Blick.
>>Und genau deshalb sollte ich es tun. Aber keine Sorge. Im tiefsten Innern bin ich eine selbstsüchtige Kreatur. Ich begehre deine Nähe zu sehr, um zu tun, was ich tun sollte.<<
>>Gut.<<
>>Nein, nicht gut!<< Wieder entzog ich ihr meine Hand, doch sanfter als vorher. Meine Stimme klang rauer als gewöhnlich. Es war schwer, aus ihr schlau zu werden.
>>Es ist nicht nur deine Nähe, die ich begehre! Vergiss das nie! Vergiss nie, dass ich für dich gefährlicher bin als für jeden anderen.<< Ich hielt inne und als Bella aufblickte, schaute ich mit leerem Blick in den Wald.
>>Ich bin nicht sicher, ob ich das verstanden habe. Vor allem das Letzte<< sagte sie.
Ich schaute sie an und lächelte.
>>Wie soll ich das bloß erklären?<< überlegte ich laut. >>Und am besten, ohne dir schon wieder Angst einzujagen ... Hmmmm.<<
Ohne nachzudenken, legte ich meine Hand in ihre; Bella legte ihre andere Hand obenauf und hielt meine fest umschlossen.
>>Diese Wärme - das ist so angenehm<< sagte ich ganz versunken.
Es dauerte einen Moment, dann hatte ich meinen Faden wiedergefunden.
>>Jeder hat doch seinen Lieblingsgeschmack, richtig?<< setzte ich an. >>Der eine mag Schokoeis, der andere Erdbeer.<<
Sie nickte.
>>Tut mir leid, dass ich ausgerechnet an essen denke - mir fällt gerade nichts besseres ein.<<
Sie lächelte und ich grinste zerknirscht zurück.
>>Die Sache ist, jeder Mensch hat einen anderen Geruch. Wenn du einen Alkoholiker in einem Raum voll mit abgestandenem Bier einschließt, wird er vermutlich nicht nein sagen. Doch er könnte widerstehen, wenn er wirklich wollte - wenn er zum Beispiel auf Entzug ist. Wenn man aber ein Glas mit hundertjährigem Brandy vor ihn hinstellt, mit dem edelsten Cognac und wenn sich der Raum langsam mit dessen Aroma füllt - wie würde es ihm dann wohl ergehen?<<
Wir saßen stumm da und schauten einander in die Augen; jeder versuchte die Gedanken des anderen zu lesen.
Dann brach ich das Schweigen.
>>Obwohl - vielleicht hinkt der Vergleich ja. Vielleicht wäre es zu einfach, dem Brandy zu widerstehen. Machen wir aus dem Alkoholiker lieber einen Drogenabhängigen.<<
>>Heißt das ich rieche wie deine Lieblingsdroge?<< scherzte sie.
Ich lächelte, dankbar dafür, dass sie darauf einging. >>Du bist meine Lieblingsdroge.<<
>>Passiert das öfter?<<
Ich schaute hinauf in die Wipfel der Bäume und dachte nach.
>>Ich hab mit meinen Brüdern darüber gesprochen<< sagte ich, den Blick in eine unbestimmte Ferne gerichtet. >>Für Jasper seid ihr eigentlich alle gleich. Er ist als Letzter in unsere Familie gekommen und muss sich noch grundsätzlich zur Enthaltsamkeit zwingen. Es dauert seine Zeit, bis sich ein persönlicher Geschmack herausbildet, was den Geruch und das Aroma betrifft.<<
Ich warf ihr einen zerknirschten Blick zu. >>Tut mir leid.<<
>>Es stört mich nicht. Tu mir einen Gefallen und mach dir nicht ständig Sorgen, mich zu kränken oder zu ängstigen oder sonst was. So denkst du nun mal und ich verstehe das, oder ich kanns zumindest versuchen. Erklär es mir einfach, so gut es geht.<<
Ich atmete tief ein und schaute wieder in den Himmel.
>>Jedenfalls, Jasper war sich nicht sicher, ob er schon mal jemandem begegnet war, der so ...<< ich zögerte und suchte nach dem richtigen Wort - >>anziehend auf ihn gewirkt hat wie du auf mich. Also eher nicht. Emmett ist schon länger abstinent, sozusagen, und er wusste, was ich meine. Ihm ist es zweimal passiert, sagt er - einmal war es sehr heftig, das andere Mal nicht ganz so sehr.<<
>>Und dir?<<
>>Noch nie.<<
Einen Moment lang schwebten die Worte in der warmen Luft.
>>Was hat Emmett gemacht?<< fragte sie und brach das Schweigen.
Ich hatte gehofft, dass sie diese Frage nicht stellen würde. Meine Miene verfinsterte sich und meine Hände ballte ich zu Fäusten. Ich wandte mein Blick ab. Bella wartete auf eine Antwort, doch sie würde von mir keine bekommen.
>>Na ja, ich kann's mir denken<< sagte sie schließlich.
Ich heftete meine Augen auf sie - wehmütig und flehend. >>Selbst die Stärksten haben ihre schwachen Momente, nicht?<<
>>Was soll das heißen? Bittest du mich um Erlaubnis?<< sagte sie schärfer als erwartet.
>>Ich meine, heißt das, es ist unvermeidlich?<< fragte sie beschwichtigend.
Wie gelassen sie über ihren eigenen Tod sprach. >>Nein, natürlich nicht!<< erwiderte ich hastig.
>>Klar ist es vermeidbar! Ich meine, ich könnte nie ...<< ich ließ den Satz unvollendet und schaute ihr tief in die Augen. >>Das mit uns ist anders. Bei Emmett ... das waren Fremde, die er zufällig traf. Und es ist lange her - er war noch nicht so ... erfahren und so vorsichtig wie jetzt.<<
Ich verstummte und musterte Bella eindringlich während sie sich meine Worte durch den Kopf gehen ließ.
>>Das heißt, wenn wir uns, weiß nicht ... in einer dunklen Gasse getroffen hätten ...<<
>>Es hat mich damals meine ganze Kraft gekostet, nicht vor der ganzen Klasse aufzuspringen und - << unterbrach ich und schaute weg. >>Als du an mir vorbeigingst, war ich drauf und dran, in Sekunden alles zu zerstören, was Carlisle für uns aufgebaut hat. Wenn ich meinen Durst nicht bereits seit ... allzu vielen Jahren unterdrückt hätte, wäre ich nicht in der Lage gewesen, mich zu bremsen.<< Ich hielt inne und betrachtete die Bäume. Dann schaute ich Bella grimmig an und uns beiden gingen dieselben Bilder durch den Kopf.
>>Du musst gedacht haben, ich bin wahnsinnig.<<
>>Ich hab's einfach nicht verstanden. Wie du mich so schnell hassen konntest.<<
>>Du kamst mir vor wie eine Art Dämon, der aus meiner persönlichen Hölle aufgestiegen ist, um mich zu ruinieren. Der Duft, der von deiner Haut ausging ... an dem Tag war ich davon überzeugt, dass er mich um den Verstand bringt. Während dieser einen Stunde spielte ich in Gedanken hundert verschiedene Möglichkeiten durch, wie ich dich aus dem Raum locken könnte, irgendwohin, wo uns keiner sieht. Und eine nach der anderen schlug ich sie mir wieder aus dem Kopf, indem ich an die Folgen für meine Familie dachte. Als es dann klingelte, musste ich hinausrennen, um nichts zu sagen, was dich dazu gebracht hätte, mir zu folgen ...<<
Bella rang um Fassung.
>>Und du wärst mitgekommen<< fügte ich kurz darauf hinzu.
>>Auf jeden Fall wäre ich mitgekommen.<< sagte sie mit ruhiger Stimme.
Ich senkte meinen Blick auf Bellas zarte Hände und runzelte die Stirn. >>Und dann<< fuhr ich fort >>während ich gerade vergeblich versuchte, dir aus dem Weg zu gehen, indem ich meinen Stundenplan änderte, warst du schon wieder da und in dem warmen kleinen Raum war dein Duft schier überwältigend. Ich war so kurz davor, mich auf dich zu stürzen! Es war ja nur ein einziger anderer Mensch außer uns dort - so zerbrechlich, so einfach zu beseitigen.<<
Bella lief es kalt den Rücken runter und sie schüttelte sich leicht. Anscheinend wurde ihr allmählich bewusst in welcher Gefahr sie sich befindet.
>>Ich widerstand der Versuchung, aber frag mich nicht, wie. Ich zwang mich, nicht auf dich zu warten, dir nicht nach der Schule zu folgen. Als ich vor der Tür stand und dich nicht mehr riechen konnte, war es einfacher, klar zu denken und die richtige Entscheidung zu treffen. Ich stieg zu den anderen ins Auto; sie wussten, dass irgendetwas ganz und gar nicht stimmte, aber ich schämte mich meiner Schwäche zu sehr, um es ihnen zu erzählen. Ich setzte sie in der Nähe unseres Hauses ab und fuhr direkt zu Carlisle ins Krankenhaus, um mich zu verabschieden.<<
Bella starrte mich verblüfft an.
>>Ich nahm sein Auto - es war vollgetankt und ich wollte unterwegs möglichst nicht anhalten - und ließ ihm meines da. Ich traute mich nicht, nach Hause zu fahren und Esme unter die Augen zu treten - sie hätte mich nicht so ohne weiteres gehen lassen. Sie hätte versucht, mich zu überzeugen, dass es nicht nötig war ... Am nächsten Morgen war ich in Alaska.<< erzählte ich beschämt. >>Dort blieb ich bei alten Freunden ... doch ich hatte Heimweh. Es schmerzte mich, Esme und den anderen Sorgen zu bereiten. Und in der klaren Bergluft fiel es mir plötzlich schwer zu glauben, dass du so unwiderstehlich sein solltest. Ich redete mir ein, dass es ein Zeichen von Schwäche war, einfach Hals über Kopf davonzulaufen. Schließlich hatte ich schon früher mit Versuchungen zu kämpfen gehabt, zwar nicht in dem Ausmaß, nicht einmal annähernd, aber ich war immer stark geblieben. Wer warst du denn schon? Sollte wirklich irgendein kleines Mädchen<< - ich grinste Bella an - >>die Macht besitzen, mich ins Exil zu zwingen? Also kehrte ich zurück ...<< erzählte ich und starrte vor mich hin.
>>Bevor ich dich wiedersah, traf ich meine Vorsichtsmaßnahmen: Ich jagte und trank dabei mehr als normalerweise. Keine Sekunde lang zweifelte ich daran, dass ich stark genug sein würde, dich wie jeden anderen Menschen auch zu behandeln. Ich war allzu selbstsicher und arrogant. Allerdings konnte ich deine Gedanken nicht lesen, was die Sache definitiv erschwerte. Ich musste unbedingt wissen, was du über mich denkst, war es aber nicht gewohnt, dabei solche Umwege in Kauf zu nehmen - in Jessicas Gedanken nach deinen Worten zu lauschen und so. Außerdem sind ihre Gedanken nicht sonderlich originell, und ich war sauer, dass ich dazu gezwungen war. Dazu kam, dass ich nicht wusste, ob du immer meinst, was du sagst. Es war alles extrem ärgerlich.<< sagte ich mit gerunzelter Stirn.
>>Du solltest, wenn möglich, mein Verhalten vom ersten Tag vergessen, also versuchte ich ganz normal mit dir zu reden. Ich war sogar ziemlich erpicht darauf, mit dir ins Gespräch zu kommen, weil ich hoffte, dich ein wenig zu durchschauen. Aber von wegen - du warst viel zu interessant, und am Ende war ich einfach nur in deine Mimik vertieft ... und manchmal hast du mit deiner Hand oder deinen Haaren die Luft bewegt und mich traf erneut dieser Duft ... Na ja, und dann kam der Tag, an dem du fast vor meinen Augen zerquetscht worden wärst. Hinterher legte ich mir eine vollkommen logische Erklärung für mein Eingreifen zurecht: Ich musste dich retten, sonst wäre dein Blut geflossen und nichts hätte mich dann davon abhalten können, uns als das zu entblößen, was wir sind. Aber die Ausrede fiel mir erst später ein. Als es passierte, dachte ich nur: Nicht sie!<<
Ich schloss meine Augen, tief versunken in meinem Geständnis.
>>Und im Krankenhaus?<< fragte sie mit schwacher Stimme.
Ich schlug die Augen auf. >>Ich war so angewidert von mir selbst! Ich konnte es nicht fassen, dass ich uns tatsächlich in Gefahr gebracht, dass ich mich dir ausgeliefert hatte - ausgerechnet dir! Als hätte ich nicht schon genug Gründe gehabt, dich zu töten.<< Wir zuckten beide zusammen, als mir das Wort entwischte. >>Doch es hatte den gegenteiligen Effekt<< fuhr ich hastig fort. >>Als Rosalie, Emmett und Jasper sagten, dass nun der Zeitpunkt gekommen war, stritt ich mich mit ihnen ... so heftig wie nie zuvor. Carlisle war auf meiner Seite, und Alice.<< sagte ich und verzog das Gesicht, als ich ihren Namen nannte. >>Esme sagte, ich solle tun, was ich tun musste, um hierbleiben zu können.<< Ich schüttelte den Kopf.
>>Den ganzen nächsten Tag belauschte ich die Gedanken von allen Leuten, mit denen du sprachst, und war vollkommen verblüfft, dass du dein Versprechen hieltst. Du warst mir ein Rätsel. Ich wusste nur, dass ich mich nicht weiter auf dich einlassen durfte, also bemühte ich mich, dir fernzubleiben. Doch der Duft deiner Haut, deines Atems, deiner Haare ... er traf mich jeden Tag aufs Neue, so intensiv wie beim allerersten Mal.<<
Wir schauten uns an; ihre Augen waren sanft.
>>Dabei wäre es letztendlich viel besser gewesen, wenn ich uns alle tatsächlich bei der ersten Begegnung verraten hätte, als wenn ich dir jetzt, hier - ohne Zeugen, ohne Hindernisse - etwas tun würde.<<
>>Warum?<< fragte sie neugierig.
>>Isabella.<< sagte ich und verwuschelte mit der freien Hand liebevoll ihre Haare. >>Bella, wenn ich dir je wehtun würde, könnte ich mir nie wieder in die Augen sehen. Du hast ja keine Ahnung, wie es mich quält.<< Wieder schaute ich beschämt nach unten. >>Der Gedanke, dass du bewegungslos, blass, kalt daliegst ... dass ich nie mehr sehe, wie du rot anläufst oder wie die Erkenntnis in deinen Augen aufblitzt, wenn du wieder mal intuitiv durchschaust, dass ich dir etwas vormache ... ich könnte es nicht ertragen.<< gab ich zu und richtete meine Augen wieder auf sie. >>Du bist jetzt das Wichtigste in meinem Leben. Das Wichtigste, was es je gab in meinem Leben.<<
Ich wartete auf eine Reaktion und ließ meinen Blick auf ihr ruhen, doch Bella schaute nicht auf.
>>Was ich fühle, weißt du ja schon<< antwortete sie kurz darauf. >>Ich bin hier ... mit dir ... was, grob gesagt, bedeutet, dass ich lieber sterben würde, als mich von dir fernzuhalten.<< sagte sie und runzelte die Stirn. >>Was bin ich nur für ein Idiot.<<
>>Das kannst du laut sagen<< stimmte ich lachend zu.
Unsere Blicke begegneten sich und sie musste ebenfalls lachen.
Gemeinsam lachten wir über den Aberwitz und die schiere Unwahrscheinlichkeit dieses Augenblicks.
>>Und so verliebte sich der Löwe in das Lamm ...<< murmelte ich und Bella schaute verlegen zur Seite. Wie gerne ich wissen würde, was sie denkt.
>>Was für ein dummes Lamm<< sagte sie seufzend.
>>Was für ein abartiger, masochistischer Löwe.<< sagte ich Gedankenverloren und starrte in die dunklen Tiefen des Waldes.
>>Warum ...?<< setzte sie an und stockte.
Ich schaute sie wieder an und lächelte. >>Ja?<<
>>Warum bist du vorhin weggerannt?<<
Mein Lächeln erstarb. >>Das weißt du doch.<<
>>Nein, ich meine, was genau hab ich falsch gemacht? Ich muss doch schließlich auf mich aufpassen, also sollte ich wissen, was ich besser sein lasse. Das zum Beispiel<< - Bella strich über meinen Handrücken - >>scheint okay zu sein.<<
Ich lächelte und wusste jetzt worauf sie hinaus wollte. >>Du hast überhaupt nichts falsch gemacht, Bella. Es war meine Schuld.<<
>>Aber ... was kann ich denn tun, um es dir nicht noch schwerer zu machen?<<
>>Hmmm ...<< Ich dachte einen Augenblick darüber nach. >>Du warst einfach so nahe - die meisten Menschen schrecken instinktiv vor uns zurück. Unsere Fremdheit stößt sie ab. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass du so nahe kommst. Dazu noch der Geruch deiner Kehle.<< Ich hielt inne und erinnerte mich an den Moment.
>>Das ist doch schon mal was<< sagte sie munter und drückte ihr Kinn an die Brust. >> Keine entblößte Kehle in deiner Gegenwart.<<
Ich platzte vor lachen. >>Im Ernst, es war mehr die Überraschung als alles andere.<< versicherte ich, hob meine freie Hand und legte sie sanft an die Seite ihres Halses.
Bella saß still da.
>>Siehst du<< sagte ich. >>Kein Problem.<<
Ich hörte und spürte wie das Blut durch die Adern schoss. Ihr Pulsschlag wurde immer schneller und man konnte beobachten wie ihre Wangen sich pfirsichfarbig färbten.
>>Es sieht so hübsch aus, wenn deine Wangen rot werden<< sagte ich leise und entzog sanft meine Hand aus ihren Händen.
Ich strich ihr leicht über die Wange und dann nahm ich ihr zartes Gesicht zwischen meine marmornen Hände. >>Nicht bewegen<< flüsterte ich.
Ich schaute ihr in die Augen und kam langsam näher, bis ich abrupt und sanft zugleich meine kalte Wange an die Senke unterhalb ihrer Kehle legte. Ich atmete diesen wunderbaren Duft immer wieder tief ein, bis das brennen in meiner Kehle nachließ. Ganz langsam glitt ich mit meinen Finger von ihrer Wange hinunter zu ihrem Nacken. Sie zitterte und ich schnappte nach Luft. Ich verharrte jedoch nicht in der Bewegung und legte meine Hände auf ihre Schultern. Ich bewegte mein Gesicht an ihrem Hals entlang, mit der Nase strich ich über ihr Schlüsselbein, und dann, ganz sanft, drückte ich meinen Kopf seitlich an ihre Brust. Und lauschte ihrem Herzschlag.
>>Ah<< seufzte ich.
Wir saßen Stunden lang ohne uns zu bewegen. Ich war erstaunt das Bella so lange still hielt. Ihr Puls hatte sich irgendwann beruhigt. Es war so unglaublich angenehm, doch ich wusste auch das sie total steif geworden sein musste vom still halten. Viel zu früh, ließ ich sie wieder los. >>Von jetzt an wird es einfacher sein<< sagte ich glücklich.
>>War es denn sehr schwer?<<
>>Es war nicht annähernd so schlimm, wie ich befürchtet hatte. Und für dich?<<
>>Nö, für mich war's ... nicht schlimm.<<
Ich musste lächeln. >>Du weißt schon, was ich meine.<<
Bella lächelte auch.
>>Schau mal.<< Ich griff begeistert nach ihrer Hand und drückte sie an meine Wange. >>Warm, oder?<<
>>Ja<< hauchte sie.
>>Beweg dich nicht<< flüsterte sie.
Ich versteinerte unter ihrer Hand zu einer Skulptur und schloss meine Augen. Bella ließ ihre Hand langsam über mein Gesicht wandern. Sie streichelte meine Wange, strich zart über meine Augenlider und die Schatten unterhalb meiner Augen; sie folgte der Linie meiner geformten Nase und berührte, ganz vorsichtig, meine Lippen. Bellas puls fing wieder an zu rasen. Sie zog ihre Hand zurück und lehnte sich weg. Ich schlug meine Augen auf und spürte wie groß mein Verlangen nach ihr wurde.
>>Ich wünschte<< flüsterte ich >>ich wünschte, du würdest das auch spüren ... dieses Durcheinander ... diese Verwirrung. Damit du weißt, was in mir vorgeht.<<
Ich hob meine Hand und berührte ihr seidig-weiches Haar; dann strich ich sanft über ihr blasses Gesicht.
>>Kannst du es beschreiben?<< hauchte sie verführerisch.
>>Ich weiß nicht, ob das geht. Einerseits, wie gesagt, ist da diese Begierde - der Durst dieses grauenhaften Wesen, das ich bin. Ein bisschen verstehst du das, glaub ich, wenn auch nur bis zu einem gewissen Grad. Schließlich<< - ich lächelte - >>konsumierst du keine illegalen Substanzen. Aber dann ...<< setzte ich an und berührte ihre weichen Lippen mit meinen eisigen Fingern. >>Dann sind da noch andere Begierden, die ich noch nicht einmal selbst verstehe - die mir fremd sind.<<
>>Diese Begierde verstehe ich vielleicht besser, als du denkst.<<
>>Ich bin es nicht gewohnt, mich so menschlich zu fühlen. Ist das immer so?<<
>>Für mich, meinst du?<< Bella hielt inne. >>Nein, nie. Das ist das erste Mal.<<
Ich hielt ihre zarten Hände in meinen. Sie fühlten sich klein und schwach an in meinen immer noch zu übermächtigen Griff. >>Ich weiß nicht, wie ich dir nahe kommen kann<< gestand ich. >>Ob ich dir nahe kommen kann.<<
Sie schaute mir in die Augen und beugte sich ganz langsam zu mir hin; dann legte sie ihre Wange an meine Brust. Ich muss mich wie ein Stein für sie anfühlen.
>>Das ist nahe genug<< flüsterte sie.
Mit einer vorsichtigen und doch sehr menschlichen Bewegung legte ich meinen Arm um ihre Schultern und vergrub mein Gesicht in ihren Haaren.
>>Du machst das besser, als du denkst<< bemerkte sie.
>>Ich hab durchaus menschliche Instinkte. Sie sind vielleicht tief vergraben, aber sie sind da.<<
Wieder verharrten wir für eine Weile. Ob sie sich wohl, fragte ich mich, ebenso wenig rühren mochte? Das Licht wurde schwächer und die Schatten des Waldes streckten sich nach uns aus.
Bella seufzte.
>>Du musst nach Hause<< sagte ich.
>>Ich dachte, du kannst meine Gedanken nicht lesen.<<
>>Sie werden langsam etwas klarer<< sagte ich und schmunzelte.
Ich griff nach ihren Schultern und funkelte sie begeistert an. >>Kann ich dir was zeigen?<<
>>Was denn?<<
>>Wie ich durch den Wald laufe?<< sagte ich euphorisch.
Sie verzog das Gesicht.
>>Keine Sorge, dir passiert nichts und außerdem sind wir viel schneller beim Transporter.<< versicherte ich ihr und lächelte schief.
>>Verwandelst du dich in eine Fledermaus oder so?<< fragte sie argwöhnisch.
Ich lachte lauter als je zuvor in ihrer Gegenwart. >>Das ist ja wirklich mal was Neues!<<
>>Ja, stimmt, wahrscheinlich hörst du das öfter.<<
>>Na los, Angsthase - rauf auf meinen Rücken mit dir!<<
Sie wartete, anscheinend um zu sehen, ob ich es wirklich ernst meinte. Ich lächelte, als sie weiterhin zögerte. Ich griff nach ihrer Hand, drehte mich leicht zur Seite und zog sie auf meinen Rücken. Bellas Herz raste. Sie schlang ihre Arme und Beine fest um mich.
>>Ich bin ein bisschen schwerer als ein Rucksack<< warnte sie mich.
>>Hah!<< stieß ich verächtlich hervor.
Ich griff nach ihrer Hand, presste sie an mein Gesicht und atmete ihren Duft nochmals tief ein. >>Sag ich doch, immer einfacher<< murmelte ich vor mich hin und rannte los.
Ich flog durch das dunkle, dichte Unterholz des Waldes wie ein Geschoss. Die Bäume flogen mit tödlicher Geschwindigkeit zentimeterdicht an uns vorbei. Innerhalb von Minuten waren wir wieder am Transporter.
>>Aufregend, oder?<< fragte ich begeistert und stand still damit sie von meinem Rücken klettern konnte. Doch sie rührte sich nicht.
>>Bella?<< fragte ich besorgt.
>>Ich glaube, ich muss mich hinlegen<< sagte sie benommen.
>>Oh, tut mir leid.<< Ich wartete, doch Bella bewegte sich immer noch nicht.
>>Ich glaub, ich schaff's nicht allein.<<
Ich lachte in mich hinein und löste sanft ihren Würgegriff von meinem Hals. Dann zog ich sie nach vorne und nahm sie in die Arme. So hielt ich sie einen Moment lang, bevor ich sie vorsichtig auf die weichen Farne legte. Ich hatte Medizin studiert und konnte ihr eventuell etwas helfen.
>>Wie geht's dir?<< fragte ich.
>>Ich glaub, mir ist schwindlig.<<
>>Steck den Kopf zwischen die Knie.<< riet ich ihr.
Sie probierte es und es half ein wenig. Langsam atmete sie ein und aus.
Ich saß neben ihr und hatte Schuldgefühle.
Die Sekunden verstrichen und nach einer Weile konnte sie ihren Kopf wieder heben.
>>Das war wohl doch keine so gute Idee<< stellte ich fest.
>>Wieso, war doch interessant.<< Ihre Stimme war zittrig und klang immer noch etwas benommen.
>>Erzähl mir nichts. Du bist so blass wie ein Gespenst. So blass wie ich!<<
>>Ich hätte mal lieber meine Augen zumachen sollen.<<
>>Beim nächsten Mal.<<
>>Beim nächsten Mal?<< sagte sie erschrocken.
Ich lachte.
>>Angeber<< brummelte sie.
Ich lächelte.
>>Nein<< fuhr ich fort. >>Mir kam der Gedanke, dass ich gerne etwas probieren würde.<< Und wieder nahm ich ihr Gesicht in meine Hände.
Ihr Atem stockte.
Ich zögerte und schätzte ihre Reaktion ab, um ihre stumme Zustimmung einzuholen. In vielen Büchern oder Zeitschriften wurde immer davon gesprochen, dass der Augenblick der Erwartung eines Kusses manchmal besser war als der Kuss selber.
Und dann legte ich meine Lippen auf ihre zarten vollen Lippen. Doch es gab etwas, worauf keiner von uns beiden vorbereitet war: ihre menschliche Reaktion.
Unter ihrer Haut kochte das Blut und es brannte in meiner Kehle. Sie atmete keuchend, griff in meine Haare und zog mich an näher zu sich. Ihre Lippen öffneten sich und ich atmete ihren berauschenden Duft ein. Das brennen wurde fast schon unerträglich, ich versteinerte und löste ihren Mund sanft, aber bestimmt von meinem. Sie öffnete ihre Augen und blickte in mein reserviertes Gesicht.
>>Uups<< sagte sie tonlos.
>>Ich würde sagen, das ist noch untertrieben.<<
Mein Kiefer war in gewaltsamer Selbstbeherrschung zusammengepresst. Ich hielt ihr Gesicht nur Zentimeter von meinem entfernt. Ihr Anblick war überwältigend.
>>Soll ich ...?<< Sie versuchte, sich loszumachen.
>>Nein, es ist erträglich. Gib mir nur einen Moment.<< sagte ich freundlich mit kontrollierter Stimme. Ich musste die Kreatur in mir bezwingen. Bella schaute mir weiter in die Augen und in ihren Augen konnte ich mich sehen. Das Funkeln in meinen Augen ließ nach und ich konnte mich etwas entspannen.
>>So<< sagte ich grinsend und zufrieden.
>>Erträglich?<< fragte sie.
Ich lachte laut auf. >>Ich bin stärker, als ich dachte. Gut zu wissen.<<
>>Ich wünschte, das könnte ich von mir auch behaupten. Tut mir leid.<<
>>Na ja, du bist schließlich wirklich nur ein Mensch.<<
>>Schönen Dank auch<< sagte sie bissig.
Ich schwang mich geschmeidig auf die Beine und hielt ihr meine ausgestreckte Hand hin. Sie ergriff sie und verlor das Gleichgewicht beim aufstehen.
>>Ist dir immer noch von unserem Lauf schwindlig, oder liegt es an meinem Talent beim Küssen?<< sagte ich lachend.
>>Weiß nicht genau, ich bin noch ganz benommen<< erwiderte sie. >>Ein bisschen von beidem, würde ich sagen.<<
>>Vielleicht solltest du jetzt mich fahren lassen.<<
>>Hast du sie noch alle?<< protestierte sie.
>>Ich kann jederzeit besser fahren als du an deinen besten Tagen<< zog ich sie auf. >>Deine Reflexe können mit meinen nicht mithalten.<<
>>Das stimmt wahrscheinlich, aber ich glaube nicht, dass meine Nerven oder mein Transporter das aushalten würden.<<
>>Wie wär's mit ein bisschen Vertrauen, Bella?<<
Ihre Hand steckte in der Hosentasche, sie schürzte ihre Lippen und dachte einen Augenblick darüber nach. Grinsend schaute sie mich an und schüttelte den Kopf. >>Nein. Kommt nicht in Frage.<<
Ungläubig hob ich meine Augenbrauen.
Sie wollte sich an mir vorbeischieben und schwankte zur Fahrertür. Ich legte meinen Arm um ihre Hüfte und ließ sie nicht entkommen.
>>Bella, ich hab bereits zu viele Anstrengungen unternommen, dich zu schützen, um jetzt zuzulassen, dass du dich ans Steuer setzt, obwohl du nicht mal gerade laufen kannst. Außerdem: Echte Freunde lassen einen nicht betrunken fahren<< zitierte ich aus der Verkehrserziehung und kicherte.
>>Betrunken?<< fragte sie entrüstet.
>>Meine bloße Gegenwart berauscht dich<< sagte ich und grinste süffisant.
>>Wo du Recht hast ...<< seufzte sie. Sie hielt den Schlüssel hoch und ließ ihn fallen - blitzartig fing ich ihn geräuschlos auf.
>>Lass es ruhig angehen, ja? Mein Transporter ist nicht mehr der Jüngste.<<
>>Sehr vernünftig<< sagte ich zufrieden.
>>Und du? Lässt dich denn meine Gegenwart ganz kalt?<< fragte sie verdrießlich.
Mit weichem Blick schaute ich sie an und anstatt zu antworten, beugte ich mich einfach vor und strich mit meinen Lippen an ihrem Unterkiefer entlang, vom Ohr zum Kinn und wieder zurück.
Bella bekam Gänsehaut.
>>Trotzdem<< murmelte ich schließlich. >>Meine Reflexe sind besser.<
Ich begleitete sie bis zur Beifahrerseite und half ihr beim einsteigen. Anschließend bin ich rüber gehuscht, stieg selber ein und lächelte Bella an.