Ich war jede Nacht bei Bella und ich tauchte auch jede Nacht in ihren träumen auf. Wie gern ich ihre Gedanken lesen würde, aber sie weiß zu viel über mich und ich darf nicht weiterhin auffallen.
Der Monat nach dem Unfall war geprägt, Bella steht im Mittelpunkt und Tyler Crowley weicht auch nicht mehr von ihrer Seite. Niemand interessierte sich für mich, genau so sollte es sein und auch bleiben. Bella versuchte immer wieder mich als Helden hinzustellen, was ihr nicht geling.Alice, Jasper, Emmett, Rosalie und ich saßen wie immer am selben Tisch, aßen nichts und sprachen mit niemandem. Wir schauten nicht mehr in Bellas Richtung und über die Gedanken von anderen sah ich, dass sie immer wieder einen Blick in unsere Richtung warf. Ich musste sie ignorieren, wir alle.
Wenn wir im Unterricht nebeneinander saßen, rückte ich so weit wie möglich von ihr weg. So ging es Tag für Tag und Woche für Woche. Es gab keinen einzigen Tag, an dem ich nicht an sie denken musste.
Ich saß bereits an meinem Platz, als Bella den Bioraum betrat, den Blick starr nach vorne gerichtet. Sie setzte sich auf ihren platz und aus meinem Blickwinkel sah ich, dass sie mich anschaute.
>>Hallo, Edward<< sagte sie freundlich.
Ich drehte meinen Kopf kaum wahrnehmbar in ihre Richtung, ohne dabei ihren Blick zu erwidern, dann nickte ich einmal und wandte mich wieder ab.
Mike war froh über die eisige Stimmung zwischen Bella und mir. Er hatte befürchtet, dass ich mit meiner mutigen Rettungsaktion sie schwer beeindrucken würde und war nun augenscheinlich erleichtert, dass es den umgekehrten Effekt zu haben schien. Jeden Tag saß er wie selbstverständlich vor Beginn der Biostunde auf ihrer Tischkante, um sich mit ihr zu unterhalten und ignorierte dabei mich ebenso konsequent wie ich sie.
Nach jenem glatten Tag war der Schnee endgültig geschmolzen. Der Frühjahrsball findet bald statt und es ist Damenwahl.
Mike und Bella kamen diesmal gemeinsam zur Biostunde. Seine Gedanken passten zu seinem gequälten Gesichtsausdruck. Als Bella auf ihrem Platz saß, sprach Mike das Thema an und ich wurde tatsächlich neugierig auf ihre Reaktion.
>>Was ich dir sagen wollte<< begann Mike mit gesenktem Blick - >>Jessica hat mich gefragt, ob ich mit ihr zum Frühjahrsball gehe.<< erzählte er Bella.
>>Echt? Toll!<< antwortete sie heiter und enthusiastisch. >>Ihr habt bestimmt einen super Abend zusammen.<<
>>Na ja, die Sache ist ...<< Er drehte sich etwas weg als er ihr erfreutes Lächeln sah. >>Ich hab ihr gesagt, ich weiß noch nicht.<<
>>Warum das denn?<< fragte sie.
Mike wurde knallrot und sah wieder zu Boden. >>Ich war mir nicht sicher ... Also, ob du nicht vielleicht vor hattest, mich zu fragen.<<
Bella hielt inne, meine Neugier war größer als erwartet und ich schaute reflexartig in ihre Richtung.
>>Mike, ich finde, du solltest ihr zusagen<< antwortete sie.
>>Hast du schon jemand anderes gefragt?<< fragte Mike und warf mir einen schnellen Blick zu.
>>Nein<< versicherte sie ihm. >>Ich gehe überhaupt nicht zum Ball.<<
>>Warum denn nicht?<< wollte Mike wissen.
>>Das ist Samstag, an dem ich nach Seattle fahre<< erklärte sie ihm.
>>Kannst du das nicht auf ein anderes Wochenende verschieben?<<
>>Nein, tut mir leid<< sagte sie. >>Und du solltest Jess auch nicht länger warten lassen - das ist unhöflich.<<
>>Ja, du hast Recht<< murmelte er, wandte sich ab und ging niedergeschlagen zu seinem Platz.
Sie schloss ihre Augen und presste ihre Finger gegen die Schläfen.
Mr Banner begann den Unterricht, seufzend öffnete sie die Augen und sah mich an. Es frustriert mich sehr, ihre Gedanken nicht lesen zu können.
Sie erwiderte meinen Blick und schaute erwartungsvoll. Wir schauten uns mit einer Intensität an, die es mir unmöglich machte, den Blick abzuwenden. Ihre Hände begannen zu zittern.
>>Mr Cullen?<< rief mich Mr Banner auf und riss mich aus ihrem Bann.
>>Der Krebs-Zyklus<< antwortete ich und wandte mich widerwillig Mr Banner zu. Es hat schon Vorteile, wenn man Gedanken hören kann.
Bella schaute in ihr Buch und ihr Haar fiel über ihre Schulter vor ihr Gesicht.
Unglaublich wie sie mich aus der Fassung bringt und in einen Bann zieht. Ich durfte nicht zulassen, dass sie eine solche Macht über mich hatte. Es sollte eigentlich andersherum sein. Als es endlich klingelte, drehte sie mir den Rücken zu und packte ihre Sachen ein. Ich hielt es nicht mehr aus, zwar habe ich meiner Familie gesagt, dass ich mich von ihr fern halten werde, aber daraus wird nichts. Ich komme eh in die Hölle, also kann ich auch tun und lassen wonach mir ist.
>>Bella?<< sprach ich sie an.
Langsam drehte sie sich um. Ihre Miene war wachsam und undurchdringlich.
>>Was ist? Sprichst du wieder mit mir?<< fragte sie bockig.
Ich unterdrückte mein Lächeln. >>Nein, eigentlich nicht<< gab ich zu.
Sie schloss ihre Augen und atmete langsam durch die Nase ein. Sie biss die Zähne zusammen.
>>Was willst du dann, Edward?<< fragte sie mit geschlossenen Augen.
>>Es tut mir leid<< sagte ich. >>Ich weiß, dass ich mich sehr unhöflich verhalte. Aber es ist besser so, wirklich.<<
Sie öffnete ihre Augen.
>>Ich hab nicht die geringste Ahnung, wovon du sprichst<< sagte sie reserviert.
>>Es ist besser, wenn wir nicht befreundet sind<< erklärte ich. >>Glaub mir.<<
Ihre Augen verengten sich.
>>Nur blöd, dass dir das nicht früher aufgefallen ist<< zischte sie durch die zähne. >>Dann müsstest du jetzt nicht alles so schrecklich bereuen.<<
>>Bereuen?<< fragte ich irritiert. >>Was denn bereuen?<<
>>Dass du nicht einfach zugesehen hast, wie der blöde Van mich zermatscht.<<
Ungläubig starrte ich sie an.
>>Du glaubst, ich bereue es, dir das Leben gerettet zu haben?<< sagte ich wütend.
>>Ich weiß es<< fauchte sie.
>>Gar nichts weißt du.<<
Abrupt drehte sie sich weg, griff nach den Büchern, stand auf und ging zur Tür. Doch als sie aus dem Raum rauschen wollte, blieb sie mit ihrer Stiefelspitze an der Türschwelle hängen und ließ die Bücher fallen. Einen Moment lang stand sie einfach nur da und ließ ihren Kopf nach hinten in den Nacken fallen. Dann seufzte sie und bückte sich, um die Bücher aufzuheben.
Ich war bereits zur Stelle und hatte die Bücher aufeinander gestapelt. Ich reichte sie mit unbewegter Miene.
>>Danke<< sagte sie frostig.
>>Keine Ursache.<<
Sie richtete sich abrupt auf, wandte sich von mir ab und stakste davon.
Die nächste Unterrichtsstunde verging sehr schnell, da ich in Gedanken versunken war. Auf dem weg zum Auto bemerkte ich, dass Eric an Bellas Transporter angelehnt da stand. Bella rannte fast schon zum Transporter, abrupt blieb sie stehen und schaute verwundert. Sie hat wohl nicht mit ihm gerechnet und die Gedanken von Eric bestätigten es.
>>Hi, Eric<< rief sie.
>>Hi, Bella<<
>>Was gibt's?<< fragte sie ihn und schloss die Tür auf.
>>Ähm, ich wollte dich fragen ... Ob du vielleicht Lust hättest, zum Frühjahrsball zu gehen ... mit mir.<< Beim letzten Wort versagte seine Stimme.
>>Ich dachte, es ist Damenwahl<< sagte sie.
>>Ja, stimmt<< gab er betreten zu.
>>Danke für deine Einladung, aber ich bin an dem Tag in Seattle<< sagte sie lächelnd.
>>Oh<< sagte er. >>Na ja, vielleicht ein anderes mal.<<
>>Klar<< erwiderte sie.
Ich konnte nicht anders und lachte leise vor mich hin. Ich presste die Lippen zusammen, um mir das Lachen zu verkneifen.
Sie riss die Tür auf, stieg ein und schlug sie krachend zu. Dann ließ sie den Motor aufheulen und parkte rückwärts aus. Ich hörte Tylers Gedanken schreien, parkte ebenfalls schnell aus und blockierte den weg. Sie blickte in den Rückspiegel und verdrehte die Augen.
Tyler stieg aus seinem kürzlich angeschafften gebrauchten Nissan Sentra und klopfte an der Beifahrerseite vom Transporter.
Sie lehnte sich hinüber, um das Fenster runterzukurbeln. Sie schaffte nur die Hälfte. Entweder klemmte das Fenster oder ihre Kraft reichte nicht aus.
>>Tut mir leid, Tyler, aber ich stecke hinter Cullen fest.<< sagte sie genervt.
>>Ja, ich weiß - ich wollte dich nur etwas fragen, solange wir hier festsitzen<< sagte er grinsend. >>Hast du vor, mich zum Frühjahrsball zu bitten?<<
>>Ich bin nicht hier, Tyler<< sagte sie gereizt.
>>Ja, das hat Mike auch gesagt<< gab er zu.
>>Aber warum ...?<<
Er zuckte mit den Schultern. >>Ich hatte gehofft, du wolltest es ihm nur schonend beibringen.<<
>>Tut mir leid, Tyler<< sagte sie >>Aber ich bin wirklich nicht hier an dem Tag.<<
>>Ist schon okay. Wir haben ja noch den Jahresabschlussball<< und bevor sie etwas erwidern konnte, lief er bereits zu seinem Wagen zurück. Fassungslos schaute sie ins leere.
Amüsiert beobachtete ich sie über den Rückspiegel des Volvo. Als sie nach vorne schaute, glitten Alice, Rosalie, Emmett und Jasper gerade auf ihre Sitze. Sie ließ den Motor aufheulen und wir brausten davon.