Elektrische Spannung

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Als wir gemeinsam den Biologieraum betraten und zu unseren Tisch gingen, waren sämtliche Blicke auf uns gerichtet. In den Gedanken hörte ich nichts anderes. So viel zum Thema, dass wir nicht auffallen dürfen.
Ich stellte meinen Stuhl ganz nah an Bellas Stuhl und rückte so nahe heran, dass unsere Arme sich fast berührten.
Dann betrat Mr Banner rückwärts den Raum - der Mann hatte ein exzellentes Timing - und zog ein großes Metallgestell auf Rädern herein, auf dem ein wuchtiger alter Fernseher stand. Wir schauen einen Film. Der Stimmungsumschwung im Raum war beinahe mit Händen zu greifen.
Mr Banner schob die Kassette in den widerspenstigen Videorekorder und ging zur Wand, um das Licht auszuschalten.
Der Raum verdunkelte sich und plötzlich wurde mir in gesteigertem Maße bewusst, dass Bella nur wenige Millimeter von mir entfernt saß. Benommen registrierte ich die unerwartete elektrische Spannung, die sich in meinem Körper ausbreitete - es war also möglich, ihre Gegenwart noch intensiver zu spüren, als ich es ohnehin schon tat. Der wahnsinnige Impuls, meine Hand zu heben und sie zu berühren, nur ein einziges Mal in der Dunkelheit über ihr perfektes Gesicht zu streichen, war nahezu überwältigend.
Ich verschränkte die Arme fest vor der Brust, ballte die Hände zu Fäusten und verlor fast den Verstand.
Der Vorspann begann und hellte den Raum kaum wahrnehmbar auf. Bella wandte sich mir zu und sie lächelte ihr wunderschönes Lächeln, ich stellte fest, dass ihre Haltung meiner identisch war. Fäuste unter die Arme geklemmt, Blick zu mir. Ich erwiderte ihr Lächeln. Sie schaute weg und achtete wieder auf den Film.
Die Stunde schien eine halbe Ewigkeit zu dauern. Ich konnte mich einfach nicht auf den Film konzentrieren. Das brauchte ich auch nicht, denn ich kannte den Film. Ich unternahm ein paar versuche, mich etwas zu entspannen, doch ohne Erfolg - der elektrische Impuls, der von ihrem Körper auszugehen schien, setzte mich einen Moment lang aus. Von Zeit zu Zeit blickte sie kurz zu mir - sie schien sich ebenfalls nicht entspannen zu können.
Auch die übermächtige Sehnsucht, sie zu berühren, nahm nicht ab und so quetschte ich meine Fäuste an die Rippen.
Bella seufzte, als Mr Banner am Ende der Stunde das Licht anschaltete. Sie streckte ihre Arme aus und bewegte ihre Finger.
Ich lachte leise in mich hinein.
>>Ich würde sagen, das war interessant<< murmelte ich wachsam.
>>Mmmh<< kam von ihr desinteressiert.
>>Sollen wir?<< fragte ich und erhob mich vom Stuhl.
Bella stöhnte, ihr ist wohl eingefallen, dass sie gleich Sport hat. Sie stand vorsichtig auf, bog etwas ihren Rücken durch und es knackte.
Schweigend begleitete ich sie zur Turnhalle und blieb am Eingang stehen. Sie wandte sich mir zu, um sich zu verabschieden.
Ich Rang mit mir selbst und es quälte mich. Es war falsch sie berühren zu wollen und es ist richtig Abstand zu halten. Doch ich hielt es nicht mehr aus. Ich hob meine Hand, zögerte und strich ihr dann flüchtig mit den Fingerspitzen über die Wange. Ihre warme und weiche Haut brannte an meinen Fingerspitzen.
Ohne ein weiteres Wort machte ich kehrt und ging mit schnellen Schritten davon.
Bella hat mich neugierig gemacht als sie sagte, dass ich sie noch nie in Sport gesehen habe. Also machte ich blau und schaute über die Gedanken der anderen zu.
Ich setzte mich in mein Auto, lehnte mich zurück und schloss meine Augen. Mikes Gedanken waren am lautesten.
Es gab keine Sekunde in der er Bella nicht anschaute und von ihr schwärmte. Es störte mich gewaltig und ich merkte wie ich tatsächlich Eifersucht empfand. Ich weiß gar nicht mehr, wann ich das letzte mal überhaupt etwas empfunden habe.
Coach Clapp forderte Zweierteams zu bilden und Mike gesellte sich direkt zu Bella.
>>Wie wär's - wir beide?<< fragte er Bella und in mir fing es an zu brodeln.
>>Danke, Mike, das ist nett. Du musst das aber nicht machen.<< sagte sie entschuldigend.
>>Keine Sorge, ich achte auf Sicherheitsabstand.<< sagte er grinsend.
Es ging trotzdem nicht alles glatt. Bella gelang das Kunststück, mit einem Schlag sowohl ihren Kopf zu treffen als auch Mikes Schulter zu streifen. Danach verzog sie sich den Rest der Stunde in den hinteren Teil des Spielfeldes zurück und verwahrte den Schläger sicher hinter ihrem Rücken.
Coach Clapp pfiff die Stunde ab.
>>Und?<< fragte Mike auf dem Weg zu den Kabinen.
>>Was - und?<<
>>Du und Cullen, oder wie?<<
>>Das geht dich nichts an, Mike<< sagte Bella drohend und gereizt.
>>Ich find das nicht gut<< brummelte er trotzdem.
>>Das musst du auch nicht<< fauchte sie zurück und es gefiel mir.
Doch er ließ sich nicht bremsen. >>Er schaut dich an, ich weiß nicht - als wärst du was zu essen.<<
Bella entwich ein kleines Kichern. Sie hat sie nicht mehr alle, dass sie über sowas kichert. Selbst Mike hat es verstanden, dass ich eine Gefahr für sie bin.
Sie winkte Mike zu und verschwand in der Umkleidekabine.
Ich stieg aus, lief zur Turnhalle und wartete angelehnt gegen die Wand auf Bella. Eine Lady lässt man schließlich nicht warten.
Als sie auf mich zuging, erfassten mich wieder Glücksgefühle.
>>Hi<< hauchte sie mit einem strahlend schönen Lächeln.
>>Hallo, wie war Sport?<< fragte ich und lächelte zurück.
Ihre Miene verdüsterte sich ein wenig. >>Okay<< antwortete sie, jedoch klang es nicht überzeugend.
>>Wirklich?<< fragte ich.
Dann wandte ich meinen Blick ein wenig ab und schaute über ihre Schulter. Meine Augen verengten sich als ich Mikes gedanken hörte. Bella drehte sich um und sah Mike weggehen.
>>Was ist?<< fragte sie neugierig.
>>Newton geht mir langsam auf die Nerven.<<
>>Du hast nicht schon wieder zugehört?<< fragte sie entsetzt.
>>Wie geht's deinem Kopf?<< fragte ich mit Unschuldsmiene.
>>Du bist unglaublich!<< Sie drehte sich um und stapfte in ungefährer Richtung des Parkplatzes davon.
Ich hielt mit Leichtigkeit Schritt.
>>Du meintest neulich, dass ich dich noch nie beim Sport gesehen hab - da bin ich neugierig geworden.<< erklärte ich.
Sie ignorierte mich jedoch und versuchte noch schneller zu laufen.
Schweigend gingen wir zu meinem Auto. Ein paar Schritte davor blieb sie stehen und schaute zu einem Pulk Jungs rüber. Dann sah sie, dass es gar nicht der Volvo war, dem ihre Aufmerksamkeit galt - sie bestaunte ebenfalls Rosalies rotes Kabrio. Ich schlängelte mich zwischen ihnen durch zur Fahrertür und stieg ein. Bella stieg kurz danach auf der Beifahrerseite ein.
>>Protzig<< grummelte ich.
>>Was für ein Auto ist das denn?<< fragte sie.
>>Ein M3.<<
>>Die Sprache verstehe ich nicht.<<
>>Es ist ein BMW.<< sagte ich, verdrehte die Augen und parkte aus, ohne einen der Autofans zu überfahren.
Bella nickte.
>>Bist du immer noch sauer?<< fragte ich, während ich den Volvo aus der Lücke manövrierte.
>>Aber sicher.<<
Ich seufzte. >>Verzeihst du mir, wenn ich mich entschuldige?<<
>>Vielleicht ... wenn du es wirklich ernst meinst. Und wenn du versprichst, es nicht nochmal zu machen<< forderte sie.
>>Wie wär's, wenn ich es wirklich ernst meine und dich am Samstag fahren lasse?<< bot ich ihr im Gegenzug an.
Sie ließ es sich durch den Kopf gehen. >>Abgemacht<< willigte sie ein.
>>Okay, es tut mir wirklich leid, dass ich dich verärgert habe.<<
Ich brachte damit Bellas Herzrhythmus durcheinander. Es schlug sehr schnell und unregelmäßig.
>>Und am Samstag stehe ich dann in aller Herrgottsfrühe vor deiner Tür.<<
>>Ähm, wenn Charlie einen Volvo in der Auffahrt vorfindet, können wir uns die Umstände sparen.<<
Ich lächelte süffisant. >>Ich hatte nicht vor, mit dem Auto zu kommen.<<
>>Wie ...<<
Ich schnitt ihr das Wort ab. >>Zerbrich dir darüber mal nicht den Kopf. Ich werde da sein, ohne Auto.<<
Sie beließ es dabei.
>>Ist es schon später?<< fragte sie bedeutungsvoll.
Ich runzelte die Stirn. >>Ich nehme mal an, es ist später, ja.<<
Bella wartete.
Ich hielt an. Überrascht blickte sie auf und schaute aus dem Fenster.
Als sie ihren Blick zurück auf mich lenkte, sah ich ihr forschend ins Gesicht.
>>Und du willst wirklich wissen, warum du mir nicht beim Jagen zusehen kannst?<< fragte ich ernst und etwas schalkhaft.
>>Na ja, ich war vor allem verwundert über deine Reaktion.<<
>>Hab ich dir Angst eingejagt?<<
>>Nein<< sagte sie unglaubwürdig.
>>Das tut mir leid<< fuhr ich unbeirrt fort. >>Es war nur ... allein der Gedanke, du würdest dort sein, während wir jagen!<< sagte ich mit angespannter Kiefermuskulatur.
>>Das wäre so schlimm?<< fragte sie und legte ihre Stirn in falten.
>>Du ahnst nicht, wie schlimm.<< sagte ich mit zusammengebissenen Zähnen.
>>Wieso denn?<<
Ich holte tief Luft und blickte durch die Windschutzscheibe auf die dichten, niedrig ziehenden Wolken, die so schwer über uns hingen, dass man beinahe die Hände nach ihnen ausstrecken konnte.
>>Wenn wir jagen<< sagte ich langsam. >>hören wir auf, uns mit dem Verstand zu kontrollieren und überlassen uns stattdessen unseren Sinnen. Insbesondere unserem Geruchssinn. Wenn du in einem solchen Augenblick irgendwo in der Nähe wärst ...<< Ich schüttelte den Kopf und blickte weiter missmutig auf die Wolkenmassen. Schnell warf ich einen Blick auf Bellas Gesicht, doch ihre Miene verriet nichts.
Doch dann blieben unsere Blicke ineinander verschränkt und die Stille umhüllte uns. Meine Augen ruhten auf ihren, bis dieselben elektrischen Impulse die Luft durchzuckten, die mich heute während des Unterrichts erfasst hatten. Bella hörte auf zu atmen und schnappte kurz darauf nach Luft und durchbrach so die Stille. Ich schloss die Augen.
>>Bella, ich glaube, du solltest jetzt lieber reingehen.<< sagte ich leise und richtete meinen Blick wieder auf die Wolken.
Sie öffnete die Tür und die arktische Luft, die in das Auto strömte, wehte einen verlockend süßen Duft rein. Ich drehte mich zu Bella und lehnte mich zu ihr rüber. Der Wind wehte mir ihre Haare ins Gesicht. Ich schluckte schwer und verharrte. Bella stieg aus und warf ohne einen Blick zurück die Tür zu.
Ich lehnte mich wieder zurück und ließ die Fenster runter fahren.
>>Ach, Bella?<< rief ich ihr nach.
Sie drehte sich um und ich lehnte mich mit einem Lächeln zum offenen Fenster hinüber.
>>Ja?<<
>>Morgen bin ich an der Reihe.<<
>>Womit?<<
Mein Lächeln wurde breiter. >>Mit den Fragen.<< Und dann gab ich Gas, raste die Straße hinunter und war um die Ecke verschwunden, bevor sie überhaupt etwas sagen konnte. Im Rückspiegel sah ich noch wie sie schmunzelte und sich zum Haus umdrehte.
Ich fuhr gemütlich nachhause, um den Duft der sich noch im Auto befand im Gedächtnis zu speichern.
Ich parkte meinen Volvo in der Garage und sah Jaspers kaputtes Auto. Ich ging ins Haus und Alice kam mir entgegen.
>>Hallöchen, wie war's?<< fragte Alice neugierig.
>>Hi, ganz nett.<< antwortete ich mit einem breiten grinsen.
>>So, so. Ganz nett, ja<< sagte sie, packte mich am Arm und zog mich ins Wohnzimmer. >>Willst du mit uns zu Abend essen?<< fragte sie kichernd.
>>Wo diniert ihr denn?<< Aus den Gedanken wusste ich bereits, dass sie Jasper und Emse mit >uns< meinte.
>>Hier in der nähe. Damit wir wieder zu Kräften kommen.<<
>>Ich komme mit.<< sagte ich und ließ mich mitziehen.
>>Hi Edward.<< begrüßte mich Jasper.
>>Hi, was ist mit deinem Auto passiert? Das sieht schlimm aus.<<
>>Das war ich.<< gestand Alice.
Ich lachte laut auf als ich die Gedanken von Alice hörte. >>Du hast es nicht kommen sehen? Ist das dein ernst?<<
Jasper verstand es und platze ebenfalls vor lachen. Wir kugelten uns vor lachen zusammen.
>>Ich weiß auch nicht wie das passieren konnte.<< sagte Alice beleidigt und streckte uns die Zunge raus.
>>Was ist denn passiert?<< fragte Esme besorgt.
>>Ich bin gegen einen Baum gefahren.<< erklärte Alice. >>Wollen wir jetzt los? Es wird langsam dunkel.<< fragte Alice und versuchte das Thema zu wechseln.
>>Na gut. Lasst uns los gehen.<< sagte Jasper lachend, nahm Alice' Hand und gab ihr einen Handkuss.
Es wurde immer dunkler draußen und der Wald war in dichtem Nebel eingehüllt. Wir rannten alle in den Wald und trotz dichten Nebel erkannten wir alles bis ins kleinste Detail. Das ist das faszinierende an unserem Wesen.
In der Atmosphäre sehe ich präzise jedes einzelne Wassertröpfchen, die um mich herum fein verteilt sind.
Alice blieb abrupt stehen und bekam einen starren Blick. Aus den Gedanken gerissen, hörte ich ihre Gedanken und nahm noch weitere Gedanken aus der Ferne wahr.
>>Siehst du dich jetzt selber gegen einen Baum laufen?<< fragte Jasper lachend und ich stimmte in sein lachen ein. Emse schüttelte wegen uns ihren Kopf und ging näher zu Alice. >>Was siehst du?<<
>>Wir müssen entweder nach links oder rechts.<< sagte Alice mit ruhiger Stimme.
>>Sind etwa Jäger unterwegs?<< fragte Jasper.
>>Bin mir nicht sicher. Ich habe ein Lagerfeuer gesehen.<< antwortete sie immer noch mit ruhiger Stimme.
>>Camper.<< warf ich ein. >>Ich höre ihre Gedanken.<<
>>Dann geht's jetzt nach links, da rechts Wald endet.<< sagte Emse lächelnd.
>>Dann los.<< sagte ich und rannte los.
Plötzlich kam aus einem Gebüsch eine Hirschfamilie gesprungen und kreuzten unseren Weg.
Jeder von uns schnappte sich instinktiv, fast schon synchron, einen Hirsch oder Reh. Die restlichen sind weggerannt.
Ich biss mich bei einem Hirsch am Hals fest und überließ mich dem Rausch. Es befriedigte mich nicht vollständig, doch es stillte meinen Durst nach Blut.

Edward und BellaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt