Die Geschichte Aruvels

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Okay, an der Stelle muss ich ihn jetzt einfach mal unterbrechen. Ich hebe meine Hand, um ihn zu unterbrechen und sage dann: "Stopp! Nicht ganz so schnell. Ich habe in etwa 1000 Fragen!" Er schaut mich erwartungsvoll an. Ich sammele mich und fange dann an. "Also zuerst einmal, woher kennen Sie meinen Namen - und damit meine ich den hinteren, unschönen Teil meines Namens? Wieso nennen Sie mich 'Majestät'? Was ist Arowell?" Hier unterbricht er mich und korrigiert: "Aruvel" "Egal, wieso kann ich überhaupt mit Ihnen reden, warum sehen sie aus wie ein Hund? Wieso reagieren die Tiere so seltsam auf mich? Natürlich nur, wenn ich die Kette nicht trage. Was bewirkt meine Kette überhaupt? Und warum kommen Sie genau jetzt zu mir? Wie haben Sie mich überhaupt gefunden? Was ist ein Zweistein - und bitte - Zwerge? Ehrlich jetzt?" Ich muss Luft holen und die Gelegenheit nutzt er. Ich bitte Euch! Eure Majestät, wenn Ihr mir Gelegenheit gebt, werde ich Euch alles erklären."

Und dann fängt er an. "Aruvel ist das Land Eurer Vorfahren. Oder besser gesagt, die Welt Eurer Vorfahren. Ihr werdet keine Karte in dieser Welt finden, auf der Aruvel eingezeichnet ist. Das gilt umgekehrt natürlich genauso. Die Landschaft bei uns zu Hause gleicht dem hiesigen Irland, oder auch Neuseeland. Vielleicht gibt es noch mehr Ähnlichkeiten, aber ich habe auch noch nicht alles von dieser Welt gesehen. Solche komischen Gefährte ohne Pferde haben wir auch nicht, bei uns ist das allerdings auch nicht nötig, da wir auf anderem Weg von einem an den anderen Ort reisen können. Aber das werde ich Euch später genauer erklären", winkt er ab, als er merkt, dass ich ihn unterbrechen will. "Aruvel ist seit der großen Teilung vor mehr als 100 Jahren geteilt in drei Reiche. Da gibt es zum einen die Jayasen, die Berolen und letztlich noch die Aruvelen. Lange vor der Teilung gab es eine Prophezeiung." Nun kann Jule nicht mehr schweigen: "Was für eine Prophezeiung?"

"Ein falscher Zauber wird zerstören das Reich. Getrennt werden sein Familie, Freunde und Verbündete. Doch wenn im Jahre 3217 ein Kind aus königlichem Geblüt das Leben erblickt, so ist dies unsere einzige Chance auf Heilung des Landes. Möge das Kind sein stets auf der Hut, denn Gefahr lauert überall. Vollenden muss es die Heilung allein, doch braucht es Verbündete - den Krieger, die Künstlerin, den Handwerker, die Hexe und den Verräter. Es kommen nicht alle aus der gleichen Welt, doch wird ihr Bestreben das Geteilte zu vereinen, sie stärker binden, als Blut es je könnte."

Seine Stimme klingt sehr tief bei diesen Worten und mir läuft ein Schauer über den Rücken. Jule, Sean und ich sehen uns an und dann blicken wir wieder zu Sir Jochabad. Er schüttelt sich leicht, dann sieht er uns entschuldigend an und erklärt: "Entschuldigt Prinzessin, dass ich mich habe mitreißen lassen. Doch diese Prophezeiung wird jedem Wächter schon von Klein auf beigebracht und ich konnte mich ihrem Zauber noch nie ganz entziehen." Er lächelt sanft.

"Die Jayasen leben allein für sich, bleiben innerhalb ihrer Grenzen und haben kaum Kontakt zu einem der beiden anderen Reiche. Zu ihrem Reich gehört die ganze Küstenregion. Sie leben vom Fischfang, und nur in der größten Stadt wird Handel mit den anderen Reichen getätigt. Diese Stadt heißt Jaya. Die Jayasen haben kaum Weideland und nur wenige Äcker. Sie haben keine Schmiede, da sie keine Rohstoffe haben. Die findet man ausschließlich in der Gebirgsregion Berol. Das wird wohl auch der Grund dafür sein, dass sie überhaupt Kontakt zu den anderen Reichen aufnehmen. Die Gebirgsregion Berol hingegen ist reich an Bodenschätzen, was jedoch gänzlich fehlt ist jede Art der Nahrungsproduktion. Die Berolen sitzen zwar auf großen Schätzen, aber ohne etwas zu essen nützt auch der größte Schatz nichts. Aruvel ist das Herz des Landes. Reich an Weideland und Feldern, die Bevölkerung ist zufrieden, mit dem, was sie hat. Kaum eine Frau, die sich mit Schmuck behängt, was auf den Feldern oder bei den Tieren ohnehin nur stören würde. Das Land ist weder den Stürmen an der Küste ausgesetzt, noch den harten Wintern, die in den Bergen herrschen. Und genau das führt uns zu unserem Problem. Die Berolen fühlen sich betrogen, man behauptet, der Zauberer, der das Unglück ausgelöst hat, habe für die Aruvelen gearbeitet. Die Berolen begannen Waffen herzustellen, und es wird nicht mehr lange dauern, bis der Krieg offen ausbricht."

Während er erzählt, merke ich, wie meine Fantasie wieder einmal rast. Ich stelle mir einen kleinen Markt in Jaya vor, Stände, die allerlei Meerestiere anbieten, auf einer Seite werden Wolle, Wäsche, Getreide und allerlei Gemüsesorten verkauft. Die Wäsche erinnert an die Bilder im Geschichtsbuch beim Thema Mittelalter und das Gemüse - hier merke ich mal wieder meine reiche Fantasie - das meiste habe ich noch nie gesehen und wir bauen hier ja unser Gemüse selber an, so viel unbekanntes Gemüse sollte es eigentlich nicht geben. An anderen Ständen werden Werkzeuge oder Schmuck angeboten, doch hier gibt es nicht viele Kunden. Freundlich sehen diese Menschen aus, mit brauner Haut, die vom Aufenthalt im Freien spricht und spitzen Ohren. Ich sag's ja - meine Fantasie. Ich sehe in einer Mine, wie sehr hellhäutige Menschen vorsichtig Edelsteine herausschlagen. In einer anderen Mine wird irgendein Metall herausgearbeitet. Ich kann die langen rot leuchtenden Streifen im Gestein erkennen. Auch diese Menschen haben spitze Ohren (wenigstens bleibe ich meiner Vorstellung treu). In Aruvel sehe ich ein Mädchen, so etwa in meinem Alter, das schlicht gekleidet ist. Sie hat ihre Haare hochgesteckt und ist auf dem Weg zu einer Weide mit sehr vielen Pferden. In der Ferne ernten viele Männer und Frauen ein Feld ab. Ich kann hören, wie sie dabei lachen und singen. Das Mädchen hebt einen Arm und winkt zu den anderen herüber. Doch dieses Bild wird überlagert von einer Schmiede, in der viele sehr hellhäutige Menschen Waffen schmieden. Ich schüttele mich. Wie aus der Ferne hören wir den Ruf für das Abendessen, doch ohne uns abzusprechen ignorieren wir ihn. Es wird uns so schnell keiner vermissen, Jule hat im Moment morgens Küchendienst, Sean arbeitet auf dem Feld und ich bin freigestellt.

Sir Hector Jochabad spricht weiter. "In Aruvel befindet sich auch der Palast des Königs. Einen schöneren Palast kann man sich nicht vorstellen. Der Palast wurde im Jahre 1500 von den Zwergen aus dem gleichen Material gefertigt, aus dem Euer Zweistein ist. Die Zwerge versprachen Königin Anjali - der damaligen Königin - ihre Blutlinie werde nicht erlöschen, bis zumindest das prophezeite Kind geboren sei. Seitdem beschützt der Palast seine Bewohner. Jeder, der den Palast zu Recht seinen Wohnsitz nannte, starb allenfalls an Altersschwäche. Es gab innerhalb der Mauern auch keine Verletzten." In meinen Gedanken sah ich einen wahrhaft traumhaften Palast in dem lauter glückliche - natürlich spitzohrige - Menschen wohnten. Er räusperte sich und sprach dann weiter: "Und jetzt kommen wir dann wohl zu dem Teil, warum ich Euren Namen kenne, und zwar Euren richtigen. Ich war zum Zeitpunkt Eurer Geburt im Palast. Und ich war es auch, der die schreckliche Entdeckung machte."

Er muss schwer schlucken und macht eine Pause. Jule, die wie ich bisher an seinen Lippen gehangen hat, beugt sich nach vorne und fragt neugierig: "Okay, was ist denn so schreckliches passiert?" Sir Jochabad fasst sich ein Herz und spricht weiter. "Linna, die Küchenmagd, schnitt sich bei der Nachricht, dass Ihr geboren seid, in den Finger." Jule, Sean und ich sehen uns an und Sean fragt verständnislos, ob das alles gewesen sei. Sir Jochabad räusperte sich und entgegnet: "Ja, aber ihr dürft nicht vergessen, dies war seit 1717 Jahren nicht mehr passiert! Es gab noch einen weiteren Zwischenfall. Die kleine Tochter des Stallmeisters fiel auf ihre Knie und verletzte sich schwer. Und obwohl wir versuchten, das alles geheim zu halten, funktionierte es natürlich nicht. Der seit über tausend Jahren dauernde Schutz war gebrochen." Okay, das war wohl wirklich etwas schlimmer, als ein kleiner Schnitt in die Finger.

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