Was soll ich sagen? Natürlich nutze ich meine unerwartete Freizeit. Ich bin nicht unzufrieden zu Hause, aber von der wirklichen Welt haben wir noch nicht viel gesehen. Mit Freundinnen shoppen gehen, so etwas gibt es nicht. Jule und ich haben das nur von den Großen gehört, unsere Realität sieht aber ganz anders aus. Sean hat es da schon besser, seine Eltern erlauben ihm eine ganze Menge. Ob Eltern grundsätzlich Unterschiede in der Erziehung zwischen Jungs und Mädchen machen? Ich hab mir mal eine Frage in der Art erlaubt, während wir in Politik unterrichtet wurden. Die Antwort kam prompt: "Angela Shanaia Princess Dariana Decker! Wie kannst du nur so eine Frage stellen?" Äh, mal überlegen, vielleicht weil ich nicht blind bin? "Wir behandeln euch alle gleich! Ihr erhaltet den gleichen Unterricht, bekommt das gleiche zu essen, oder etwa nicht? ..." Das Gemecker ging noch eine Weile weiter, aber ich habe einfach nicht mehr zugehört. Ein Blick nach links in Seans Gesicht sagte mir, das er meiner Meinung war. Er zog eine Grimasse und wurde leider erwischt. "Sean Dougal!" Immer wenn wir uns 'daneben' benehmen werden wir bei unserem vollen Namen angesprochen und ich hasse meinen Namen dann jedes Mal aufs Neue. "Sean Dougal, vielleicht sollten Angela und du einen Aufsatz über die Besonderheiten unserer Kommune schreiben. Drei Seiten sollten genügen." Wir haben ihn zwar geschrieben, ganz brav, genauso wie er erwartet wurde, aber es gab auch eine rebellische Version. Die haben wir abends allerdings verbrannt, bevor wir noch mehr schreiben müssten.
Zwei Stunden wollen gut genutzt werden. Ein letzter Blick auf die Uhr und einen weiteren auf die Karte am Eingang des Zoos (die übliche 'Hier-stehen-Sie'-Karte), auf der ein nahes Einkaufszentrum eingezeichnet ist und weg bin ich!
So viele Geschäfte auf einmal habe ich noch nie gesehen! Mal im Vertrauen, wozu braucht man fünf Klamotten-Läden nebeneinander? Da hinten sind sogar noch mehr. Und was ist das hier? Soll man in den Schuhen etwa laufen können? Ach wäre das klasse, wenn Jule jetzt hier bei mir wäre. Hier gibt es aber auch tolle und interessante Läden, in denen Schmuck, Bücher oder sogar viele verschiedene Teesorten verkauft werden. Das ist die Idee, ich kann Jule ein bisschen Tee mitbringen. Damit sollte mein kleiner Ausflug nicht auffallen - Tee wird doch andauernd bei uns getrunken.
Neben dem Tee-Laden ist ein kleines Tiergeschäft. Im Fenster sind sehr viele Vogelkäfige, in denen viel zu viele arme Vögel sitzen. Durch die offene Türe höre ich ein lautes Gezwitscher und bleibe mitleidig vor dem Schaufenster stehen. Einige Vögel schauen raus und sehen mich, als plötzlich ein grüner Papagei einen lauten Pfiff ausstößt. Sofort sind alle Vögel still. Der Verkäufer kommt nach vorne und schaut ungläubig zu den Käfigen. Mittlerweile sehen alle Vögel nach draußen und als hätten sie sich abgesprochen, fangen sie wieder an zu zwitschern, nur das es diesmal nach einer schönen Melodie klingt. Es dauert nicht lange, bis rund um das Fenster lauter Leute stehen. "So etwas habe ich noch nie gesehen!" "Hast du schon einmal so eine schöne Melodie gehört?" "Ob das echte Vögel sind?" Solche Fragen klingen um mich herum, doch ein Blick auf die Uhr lenkt mich ab und ich schiebe mich aus der Menge und renne zum Zoo zurück. Ups, fast hätte ich die Zeit aus dem Auge verloren.
Am Zoo angekommen stelle ich fest, dass ich noch vor meinem Vater da bin. Ich hole tief Luft und versuche mich zu beruhigen. Gerade als mein Gesicht sich nicht mehr so heiß anfühlt und ich wieder halbwegs normal atme, biegt der Gemeinschaftstruck auf den Parkplatz und mein Vater fährt vor - tolles Timing, Dad!
"Na, hattest du einen schönen Tag?" fragt er. "Gab es etwas Besonderes?" Nun, Nella, das Nilpferd findet mich Klasse und hat mir zugezwinkert. Die Wölfe sind die reinsten Schmusetiere und ein Haufen kleiner Vögel haben unter der Dirigentschaft eines Papageis ein wunderschönes Lied geträllert. Alles ganz normal, oder? Natürlich sage ich das nicht laut, sonst werde ich morgen gewiss nicht noch einmal hier hin dürfen, ich bin ja nicht blöde! "Es war alles super, Dad. Hier kann ich eine Menge lernen." Das sind doch genau die Worte, die Eltern gerne hören und richtig, mein Vater sieht sehr erleichtert aus.
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Zweistein
AcakAngi glaubt zu träumen - wo auch immer sie hin kommt, benehmen sich Tiere plötzlich außerhalb der Norm. Dummerweise hat sie ausgerechnet jetzt mit dem Ferienjob im Zoo begonnen. Und als ihr dann noch ein kleiner Hund einen seltsamen Stein überreicht...