Sir Jochabad erklärt

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Ich hole tief Luft und beginne dann: "Nur mal angenommen, ich würde das alles glauben ..." Empört unterbricht Jule mich: "Sag mal, hast du sie noch alle? Oder gebrauchst du sie nicht der Reihe nach? Was brauchst du denn noch? Die Sache mit den Tieren war zwar sehr lustig, aber normal war das doch echt nicht! Und glaub mir, hier hat keiner genug Fantasie, um so etwas aufzuziehen." Ich schlucke und muss ihr innerlich Recht geben. "Na gut. Okay! Es tut mir leid, Sir Jochabad. Ich werde Sie jetzt nicht mehr unterbrechen, hoffe ich zumindest." Er lächelt und spricht weiter.

"Wir mussten überlegen, was wir zu Eurem Schutz machen konnten. Natürlich haben wir Wächter schon seit unzähligen Generationen Euer Familie die Treue gehalten, doch ich war mir nicht sicher, ob das mittlerweile noch für alle Wächter galt. Es gab Gerüchte über Spione, Verräter in den eigenen Reihen. Seit der Spaltung regierte Eure Familie nicht mehr, oder zumindest nur noch über Aruvel. Eure Eltern waren sich bewusst, dass es nur eine Frage der Zeit sei, bis man Euch angreifen würde, sobald die Berolen von den Unfällen im Palast erfuhren. Unter dem Palast befinden sich die Höhlen der Steine, dort graben die Zwerge nach den Zweisteinen, den Zeitsteinen und vielen anderen, deren Geheimnisse sie für sich behalten. Nur die Bearbeitung macht aus dem Rohmaterial die wertvollen Steine. Seit Ewigkeiten ist dies auch der Wohnort der Zwerge." Hier machte er eine kleine Pause. "Wie Ihr Euch denken könnt, sorgte die stete Nähe zwischen der Königsfamilie und den Zwergen für eine tiefe Verbundenheit. Doch auch diese Verbundenheit ist den Berolen ein Dorn im Auge. Auch hier fühlen sie sich benachteiligt. Wobei ich gerecht sein muss. Dies gilt nicht für alle, doch wenn man seit über 100 Jahren erzählt bekommt, dass es nur an den Aruvelen liegt, dass es der Bevölkerung nicht gut geht, dann glaubt man es langsam. Und nicht viele haben die Möglichkeit, die Hintergründe genau zu verstehen. Wer Hunger hat, braucht erst mal einen Schuldigen und die Regierenden in Berol schieben die Schuld auf die Aruvelen. Nur so konnten sie derart viele Berolen zum Krieg überreden."

Sir Jochabad schaut uns ernst an. "Ich denke, es ist Euch bekannt, wie so etwas funktioniert, oder? Da wird Stimmung gemacht mit Parolen, wie: 'Ihr arbeitet hart und verdient Euch ehrlich Euren Lohn. Doch die Aruvelen erkennen nicht an, welch hartes Los wir hier haben. Sie gönnen Euch nicht das kleinste bisschen von ihrem Brot, ihrem Gemüse. Ohne Euren Einsatz hätten weder die Aruvelen noch die Jayasen Werkzeuge. Doch Ihr werdet um Euren Lohn gebracht, niemand zahlt mehr den gerechten Preis für Eure Waren.' Ich könnte Euch noch mehr davon erzählen, aber ich denke, dass ihr das Prinzip verstanden habt, oder? Berol hat drei Herrscher. Und die haben die Ein- und Ausfuhrzölle erhoben, sie fordern Tribut, und dieser wird stetig höher. Die Speicher ihrer Festung sind bis zum Überquellen voll, die Goldtruhen platzen vor Gold und die Herrschenden leben in Saus und Braus, während ihr Volk hungert. Aber das nur am Rande. Um noch einmal auf die Zwerge zurückzukommen und die tiefe Verbundenheit, die sie zu Eurer Familie empfinden. Als feststand, dass König Anatol und seine Gemahlin, Lady Janell, mit Euch fliehen mussten, schenkten die Zwerge ihnen drei Mantelsteine. Diese befinden sich in Euren Ketten. Getragen auf der Haut bewirken sie, dass Ihr für alle anderen 'normal' ausseht und nicht aruvelisch. Bitte, streicht doch kurz einmal für Eure Freunde Eure Haare hinter die Ohren."

Warum ich das machen soll, weiß ich zwar nicht, aber kein Problem. Jule und Sean sehen mich an, als hätten sie mich noch nie gesehen. "Deine Ohren ..." haucht Jule. Und Sean schluckt zwei mal und sagt dann: "Das ist jetzt echt nicht wahr, oder? Habt ihr euch abgesprochen und das Ganze ist ein einziger großer Scherz?" Vorsichtig berührt er meine Ohren. "Nein, die sind echt, aber ich kenne dich doch schon fast mein ganzes Leben lang und du hattest noch nie spitze Ohren." Ich glaube fast, dass die beiden mich auf den Arm nehmen wollen und greife selbst zu meinem Ohr. Vor Schreck lasse ich es aber gleich wieder los. Ein spitzes Ohr, ehrlich jetzt? Was ist das für eine Zauberei? Mit großen Augen sehe ich Sir Jochabad an. "Was genau bewirken die Steine denn noch? Diese ganze Geschichte mit den Tieren scheint doch auch damit zusammen zu hängen, oder?" "Genau. Die Mantelsteine verbergen Euch und Eure Eltern sowohl vor den Diesseitigen, als auch vor den Tieren, die Eure Gaben spüren können."

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