Sir Jochabad lächelt - mit der Reaktion hat keiner von uns gerechnet - und holt aus seiner Tasche zwei Armreifen, die meinem sehr ähneln. Im Inneren befinden sich kleine Steine, die eine andere Verzierung besitzen, als mein Zweistein. Dennoch kommt mir diese Verzierung sehr bekannt vor. Vorsichtig nehme ich meine Kette hoch und vergleiche, ohne den Stein zu berühren, das Muster der drei Steine. "Mantelsteine" hauche ich. Ungläubig sehe ich ihn an. Er lächelt mich anerkennend an und erklärt: "Tanya gab mir den Rat, zwei Mantelsteine einzupacken. Ich wollte ihr zuerst widersprechen, doch ihr Rat ist immer gut und schaden konnte es schließlich auch nicht." Dann sieht er uns an und weist noch einmal auf unsere Kleidung. "Vertraut mir, ihr müsst etwas anderes anziehen." Ich sehe uns alle an und muss ihm innerlich Recht geben. Sean trägt eine alte Jeans und ein neongelbes T-Shirt auf dem ein Affenkopf zu sehen ist, der eine Brille trägt. Jule trägt zwar ein Kleid, doch ich möchte wetten, dass man in Aruvel noch keine Mini-Röcke oder derart kurze Kleider kennt und ich selber trage auch nichts passendes.
Ich denke noch einmal kurz an Aruvel und erkläre dann: "Sean, wenn du deine feine braune Hose trägst und dein weißes Hemd, vielleicht noch eine passende Weste von deinem Vater ..." "Aber die Sachen sind noch nicht gewaschen" fällt er mir ins Wort, "ich wollte sie schon die ganze Zeit rausgeben, aber du kennst meine Mutter. Wenn sie den Zustand der Hose sieht, kriegt sie einen Schlag!" Er wird leicht rot und Jule ebenso. Ich erinnere mich an letzte Woche, als die beiden sich bei der Gründerfeier zuerst um eine Nichtigkeit gestritten haben und dann aus Versehen in den Tümpel gefallen sind, der im Moment fast nur aus Matsch besteht, weil es so lange nicht geregnet hat. Jule, die am meisten abbekommen hatte, beendete das allgemeine Gelächter von uns, indem sie Sean wutentbrannt einen Kuss mitten auf den Mund gab und dann davonrauschte. Wir haben den Vorfall alle bewusst nicht mehr angesprochen. Aber jetzt kommt mir seine Verlegenheit ganz recht. "Sehr gut! Dann sehen sie noch echter aus" erkläre ich ihm. Dann schnappe ich mir Jule am Arm und ziehe sie mit mir mit. "Wir zwei laufen schnell zu mir. Ich habe, was wir brauchen" "Reist mit leichtem Gepäck! Wir können euch in Aruvel alles besorgen, was ihr braucht!" ermahnt uns Sir Jochabad. "Und beeilt euch!"
Jule und ich flitzen zu unserem Haus. Das Abendessen ist noch in vollem Gange und wir gelangen unentdeckt hinein. In meinem Zimmer plündern wir schnell meinen Schrank. Und tatsächlich hängen hier Kleider, die wir nutzen können. Dann reiße ich noch schnell meine beiden Stoffrucksäcke heraus. Die haben wir genäht, als wir noch kleine Mädchen waren. Doch die Verzierungen haben wir erst letztes Jahr darauf gestickt. Ich bin sicher, mit solchen Rucksäcken fallen wir bestimmt nicht auf. Denn Sir Jochabad kann sagen, was er will, es gibt so ein paar Sachen, die ich mitnehmen will. Man weiß ja nie. Jule lacht, als ich auf jeden Rucksack Unterwäsche, eine Ledershorts, unsere Lieblingstops und eine Leggins lege. Aus der Küche besorge ich noch Streichhölzer und für jede von uns ein extrem scharfes Messer - natürlich mit Hülle, ich kenne uns schließlich.
Jule verpackt alles und muss schließlich laut loslachen, als ich mit zwei Paketen Tampons aus dem Bad erscheine. "Die Heldinnen aus unseren Romanen machen sich irgendwie nie die Mühe, solche Sachen einzupacken, wenn sie auf ein Abenteuer losziehen." Ich kann nicht anders, ich muss mit ihr mit lachen. "Vielleicht kennen die ja einen Weg, daran vorbeizukommen! Aber bei allem, was ich von Aruvel gesehen habe, möchte ich doch wenigstens ein bisschen Luxus haben, oder?" Dann werde ich ernst. Mir fällt noch etwas ein. Ich gehe zu meinem Schreibtisch und hole Stift und Papier. Ich überlege eine Weile, dann schreibe ich: 'Macht euch keine Sorgen, uns geht es gut. Bitte folgt uns nicht nach Hause. Angi, Jule und Sean' Die Worte 'nach Hause' streiche ich wieder durch, aber ich bin sicher, dass meine Mutter sie dennoch lesen kann. Mehr Hinweise kann ich nicht geben. Ich hoffe es reicht. Ein Blick in Jules Gesicht zeigt mir, dass sie mit der Nachricht einverstanden ist. Kurz entschlossen packen wir noch Bleistifte und Haarkämme und Gummis für mich und ein wunderschönes Haarband für Jule ein. Dann verlassen wir die Hütte und laufen zur Kinderhütte zurück. Bevor wir die Hütte betreten, sehen wir uns in stillem Einverständnis noch einmal um und betrachten unser Zuhause.
Entschlossen betreten wir die Hütte. Sean ist auch schon wieder zurück. Und auch er hatte die gleiche Idee, wie wir. Er hat allerdings den Lederrucksack genommen, den er von seinen Eltern letztes Jahr vor seinem Praktikum geschenkt bekommen hat. Und wirklich, nachdem er die Hose ausgeklopft hat, sieht sie einfach passend aus. Er trägt einfache Lederschuhe dazu, so dass er überhaupt nur noch durch seine Ohren zu unterscheiden sein wird. Jule und ich haben uns für unsere weichen Lederstiefel entschieden. Die sind bereits so eingelaufen von uns, dass wir sie mit oder auch ohne Strümpfe tragen können. Anerkennend nickt Sir Jochabad uns zu.
"Wenn wir im Geheimen reisen, dann sollten Sie aufhören, mich mit Prinzessin anzureden. Ach, und außerdem sage ich jetzt 'du', immerhin bist du mein Onkel, oder?" frage ich dann noch einmal nach. Offenbar habe ich etwas verdammt richtig gemacht, denn er bekommt rote Ohren und strahlt: "Das wäre mir eine Ehre" Er wendet sich an Sean und Jule: "Auch ihr müsst mich duzen. Da hat Dariana" Ich unterbreche ihn sofort: "ANGI" "Gut, Angi Recht. Wenn wir nicht auffallen wollen, müssen wir dabei bleiben. Ich behaupte einfach, ihr seid entfernte Verwandte aus Jaya. Meine Verwandtschaft ist dermaßen über das Land verteilt, niemand wird da argwöhnisch. Ich werde also für euch alle Onkel Hector sein." Das scheint ihn ehrlich zu freuen, denn er strahlt uns alle an. Dann reicht er Sean und Jule die beiden Armbänder. "Bitte legt sie sofort an. Sobald wir Aruvel betreten, werden die Mantelsteine eure Gestalt für alle verändern. Ihr werdet sofort aruvelisch aussehen. An euren Gesichtszügen wird sich eher nichts verändern, die Form ist unserer doch sehr ähnlich. Jedoch Eure Ohren werden sich doch sehr ändern." Er schmunzelt: "Seht euch D- Angi's Ohren an, dann wisst ihr Bescheid!"
Er wendet sich an mich und erklärt: "Dein Stein bewirkt noch etwas mehr. Du hast bereits gemerkt, dass du eine besondere Wirkung auf Tiere hast, das liegt an deinem königlichen Blut. Das wird zu Hause noch ein wenig stärker sein, als hier. Lege die Kette also bitte niemals ab, nicht einmal zum Baden oder Schwimmen. Deinen Schutz übernimmt dein Zweistein. Solange du ihn trägst, wird dein Mantelstein dich also nur 'normaler' wirken lassen. Doch bedenke, solltest du dich von deinem Zweistein für eine kurze Zeit trennen, während du den Mantelstein trägst, kann dich niemand von uns ansprechen. Nur Jule und Sean werden es dann noch können, da sie von hier kommen."
Ich habe keine Ahnung, wann das der Fall sein sollte, aber ich nicke und lege mir den Rucksack auf den Rücken und ziehe meine Kette über den Kopf. Als der Stein auf der Haut liegt, spüre ich eine neue Wärme in meinem Arm. Ich stelle mir vor, wie die beiden Steine miteinander reden, um die Einzelheiten zu besprechen. Jule und Sean folgen meinem Beispiel, sie legen die Armreifen an, die, ich wundere mich schon gar nicht mehr, natürlich perfekt passen. Den Rucksack auf den Rücken und ein fester Blick in meine Richtung. Auffordernd sehe ich Onkel Hector an: "Wir sind bereit!" Er zieht aus seiner Tasche einen blauen Stein. Auch dieser hat wunderschöne Muster. "Ihr müsst euch dicht an mich stellen. Am besten berührt ihr alle meine Hand." Er streckt seine offene Hand aus. Der Stein leuchtet bereits strahlend blau. Ich lege meine Hand darauf, Jule wiederum ihre Hand auf meine und Sean umschließt uns alle mit seinen beiden Händen. So haben wir es schon unzählige Male gemacht, wenn wir mal wieder etwas ausgeheckt haben - natürlich ohne Onkel Hectors Hand dazwischen.
Onkel Hector murmelt nur: "Vier nach Aruvel, Portal 17/03" und unsere Hütte verschwindet. Es kommt mir so vor, als würden wir zwischen den Sternen schweben. Jule, Sean und ich sehen uns staunend um, doch so schnell, wie wir in dem Sternenraum erschienen sind, so schnell verschwinden wir auch wieder daraus. Es ist dunkel und wir stehen in einem Wald. Aus dem Augenwinkel heraus sehe ich ein hellblau schimmerndes Portal, das sich auflöst.
Ein Blick auf Jule und Sean bestätigt mir, wir sind in Aruvel. Sie haben spitze Ohren! "Nette Ohren" murmele ich.
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Zweistein
De TodoAngi glaubt zu träumen - wo auch immer sie hin kommt, benehmen sich Tiere plötzlich außerhalb der Norm. Dummerweise hat sie ausgerechnet jetzt mit dem Ferienjob im Zoo begonnen. Und als ihr dann noch ein kleiner Hund einen seltsamen Stein überreicht...