Es ist allgemein bekannt, dass er gestern eine Art zusammenstoß mit der Verwaltungssekretärin gehabt hat. Und heute wurde er ins Büro des Rektors bestellt. Bestimmt hatte es was mit den Papieren zu tun. Doch der Direktor hat ihn wieder in den Unterricht geschickt. Es wurde gemunkelt, ein Ferngespräch mit Rom - oder war es Washington? - hätte alles in Ordnung gebracht. Zumindest, was das amtliche betraf.
Als ich am Nachmittag in die Unterrichtsstunde Europäische Geschichte ging, wurde ich auf dem Flur mit anerkannten Pfiffen begrüßt. Dick Carter und Jayden Masterson hingen vor dem Klassenzimmer herum. Die beiden halten sich für die größten, nur weil sie in der FootballMannschaft Verteidiger und Stürmer sind. Ich blieb auf dem Gang stehen, um mein Make-Up aufzufrischen. Ich habe Jessie genaue Anweisungen gegeben. Der Plan soll sofort in kraft treten, sobald Mario auftaucht. Der Spiegel meiner Puderdose erlaubte mir, den ganzen Flur zu überblicken.
Trotzdem verpasste ich ihn irgendwie. Plötzlich war er neben mir. Ich schloss schnell die Puderdose, als er an mir vorbei ging. Eigentlich wollte ich ihn aufhalten, doch dann kam was dazwischen. Mario wirkte mit einmal angespannt und wachsam. In diesem Moment traten Dick und Jayden vor die Tür des Klassenzimmers und blockierten den Weg.
Volltrottel, dachte Ich. Ich warf den beiden über Marios Schulter hinweg wütende Blicke zu. Sie genossen das Spiel, blieben in der Türoffnung stehen und taten so, als würden sie Mario nicht sehen. >>Entschuldigung.<< Das war derselbe Tonfall, den er den Geschichtslehrer gegenüber benutzt hat. Ruhig und Distanziert. Dick und Jayden sahen erst sich an und dann in der Gegend herum, als würden sie Geisterstimmen hören.
>>'tschuldigung!<<, zwitscherte Tyler mit übertrieben hoher Stimme. Er klimperte mit den Wimpern und beide lachten. Ich beobachtete, wie sich unter dem T-Shirt Marios Muskeln anspannten. Es war total unfair. Die beiden Rüpel waren größer als Mario und Jayden ist außerdem doppelt so breit wie er. >>Gibt es hier ein Problem?<<
Ich war so überrascht wie die Jungen, als hinter mir eine Stimme ertönte. Ich drehte mich um und sah Matt. Der Blick seiner blauen Augen war hart.Ich muss mir ein lächeln verkneifen, als Jayden und Dick langsam und widerwillig den weg Frei machten. Guter alter Matt, dachte ich. Aber jetzt geht der Gute alte Matt neben Mario in die Klasse und ich kann den beiden nur noch hinterher sehen. Als sie sich setzten, glitt ich auf den Platz hinter Mario, von wo aus ich ihn beobachten kann, ohne selbst beobachtet zu werden. Dann muss mein Plan eben bis nach dem Unterricht warten.
Matt klimperte mit dem Kleingeld in seiner Hosentasche, was bedeutet, dass er etwas sagen will. >>Ja, weißt du...<<, begann er schließlich und fühlte sich dabei sichtlich unwohl. >>Diese Typen...<<
Mario lachte. Es klang bitter. >>Wer bin ich schon, um sie zu verurteilen?<<. Seine Stimme ist aufgewühlter, als er mit Mr.Tanner sprach. Bedauern und tiefes Leid sprachen aus ihm. >>Überhaupt, warum sollte man mich hier mit offenen Armen empfangen?<<, beendete er den Satz fast zu sich selbst. >>Und warum nicht?<< Matt hat Mario angestarrt. Jetzt reckte er entschlossen das Kinn vor. >>Hör mal, du hast doch gestern von Football gesprochen. Einer unserer Teamkameraden hat sich einen Bänderriss zugezogen und wir brauchen dringend Ersatz. Die Probespiele für die Auswahl des Neuen sind heute Nachmittag. Willst du nicht mal vorbeischauen?<<.
>>Ich?<< Mario hörte sich überrumpelt an. >>Also...ich weiß nicht, ob ich geeignet bin.<<>>Kannst du rennen?<<
>>Ob ich...<< Mario drehte sich halb zu Matt um, und Ich konnte das kleine lächeln sehen, das um seine Lippen spielte. >>Ja<<.
>>Kannst du fangen?<<
>>Ja.<<
>>Das ist alles, was du zu tun hast. Ich spiele Quaterback. Wenn du fangen kannst, was ich werfe, und es dir gelingt, mit dem Ball wie der Wind abzuhauen, bist du dabei.<<
>>Verstehe<<. Marios lächeln wurde breiter. Obwohl Matts miene ernst blieb, funkelten seine blauen Augen fröhlich. Überrascht stellte ich fest, dass ich eifersüchtig bin. Zwischen den beiden Jungen herrschte ein Einvernehmen, das mich total zur Außenseiterin macht.Doch im selben Moment ist Marios lächeln verschwunden.
Wie abwesend sagte er: >>Danke...aber ich muss ablehnen. Ich habe noch andere Verpflichtungen.<<
In diesem Augenblick trafen Jessie und Gina ein und der Unterricht begann. Während des gesamten Geschichtsvortrag von Mr.Tanner wiederholte ich leise für mich: >>Hallo, Ich bin Mandy Cawley. Ich gehöre zum Begrüßungskomitee der Oberstufe und soll dich ein bisschen in der Schule herumführen. Du willst doch bestimmt nicht, dass ich schwierigkeiten bekomme, indem du ablehnst?<< Das letzte wollte sie mit weit aufgerissenen Augen sagen, aber nur, falls er tatsächlich versuchen sollte, mir zu entkommen.Der Plan ist Bomensicher. Mario ist ein Typ, der schwach wird, wenn ein weibliches wesen Hilfe braucht. Die Hälfte der Stunde ist ungefähr vorbei, als das Mädchen, das rechts von mir sitzt, mir einen zettel reichte. Ich erkannte sofort Jessies runde, kindliche Handschrift: >>Ich habe G, solange ich konnte, aufgehalten. Was ist passiert? Hat es geklappt???<<
Ich Blickte auf und sah, dass Jessie sich auf ihrem Sitz in der vorderen Reihe umgedreht hat. Ich deutete auf den Zettel, schüttelte den Kopf und formte mit meinen Lippen lautlos die Worte >>nach dem Unterricht<<.
Es scheint eine Ewigkeit zu dauern, bis Mr.Tanner die letzten Anweisungen für die Referate geben tut und die klasse entlässt. Doch dann tat er es und entließ uns. Alle sprangen gleichzeitig auf. Also los, dachte ich, trat Mario mit klopfendem Herzen entgegen und versperrte ihm den weg.Wie Dick und Jayden, dachte ich und Unterdrückte ein hypothetisches kichern. Ich sah ihn an und stellte fest, dass sich meine Augen genau in der Höhe seiner sinnlichen Lippen befanden. Alle meine Vorsätze waren mit einmal wie weggeflossen. Was wollte ich ihm noch sagen? Ich öffnete den Mund und irgendwie überschlugen sich meine Worte fast: >>Hallo. Ich bin Mandy Cawley. Ich gehöre zum BegrüßungsKomitee der Oberstufe, und ich soll....<<
>>Tut mir leid, ich habe keine Zeit.<< Eine Minute lang kann ich nicht glauben, dass er mich unterbrochen hat. Dass er mir keine Chance gab, meine Rede zu Ende zu führen. Ich redete einfach weiter: >>...dich ein wenig in der Schule....<<
>>Ich bin untröstlich, aber es geht nicht. Ich...ich muss zum Footballtraining.<< Mario drehte sich zu Matt um, der die Szene mit wachsendem Erstaunen verfolgte. >>Du hast gesagt, das ist gleich nach dem Unterricht?<<
>>Ja<<, erwiderte Matt langsam. >>Aber....<<
>>Dann beeile ich mich wohl besser. Vielleicht kannst du mir zeigen, wo das ist.<<
Matt blickte Hilflos zu mir und zuckte mit den schultern. >>Klar...komm mit.<<
Als sie gingen, sah Matt nochmal zurück. Mario nicht.
Ich Bemerkte, dass sich inzwischen ein Kreis interessierter Zuschauer um mich gebildet haben. Unter ihnen ist auch Gina, die ihre schadenfreude natürlich nicht verbergen will. Meine kehle ist wie zugeschnürt. Ein taubes Gefühl breitete sich in meinem Körper aus. Ich kann es nicht ertragen, auch noch eine Sekunde länger hier zu bleiben. Abrupt drehte ich mich um und ging, so schnell ich konnte, aus dem Raum.
