Nachdem Kyle und ich noch ein bisschen herumgealbert haben, hat er mich schließlich nach Hause gebracht. Erstaunlicherweise wohnt er nur ein paar hundert Meter von mir entfernt. Wirklich seltsam, dass wir uns nicht schon früher begegnet sind.
Gerade als ich meinen Fernseher anschalten will um mir irgendeine lustige Sitcom anzusehen, klingelt das Telefon.
„Schatz, kannst du vielleicht schnell zum Inder laufen und mir eine Packung gebratene Nudeln zur Arbeit bringen? Ich komme hier so schnell nicht weg und habe unglaublichen Hunger."
Meine Mum arbeitet als Hotelmanagerin im Histon und ist deshalb oft länger weg. Normalerweise stört mich das nicht, doch gestern hat sie mir noch erklärt sie wolle etwas für mich kochen und jetzt soll ich ihr das Essen bringen. Aber .... da sie genauso schlecht kocht wie ich sollte ich wohl dankbar sein. Obwohl wir nicht biologisch verwandt sind haben wir wohl doch einige Gemeinsamkeiten.
„Klar doch. In zwanzig Minuten bin ich da." Ein letztes Mal werde ich ihr was vom Inder holen und mir ihr zusammen zu Abend essen. Danach werde ich den Plan umsetzten, der seit gestern in mir reift.
Ich ziehe mir meine Lederjacke an und mache mich auf den Weg zum Inder zwei Straßen weiter. Ich bestelle gleich zwei Portionen, da ich nicht vorhabe meiner Mum beim Essen zuzusehen, ohne selbst etwas zum Knabbern zu haben.
Mit zwei Pappschachteln in der Hand laufe ich bis zum Hotel und betrete die Lobby. Sofort kommt einer der Männer vom Empfang zu mir. Er ist ungefähr 1,80m groß, hat braunes, dichtes Haar und dunkle Augen. Unter seinem schwarzen Anzug zeichnen sich deutlich seine Muskeln ab, sodass ich immer mehr den Eindruck habe, es handle sich nicht um einen Kerl vom Empfang sondern vielmehr um einen der Security Leute. Ob die die männlichen Empfangsdamen vom Militär abziehen? Vorstellbar wäre es.
„Guten Abend Miss, wie kann ich Ihnen helfen?" Als er höflich, aber dennoch sehr künstlich lächelt, kommen seine strahlend weißen Zähne zum Vorschein, mit denen man bestimmt einen ganzen Raum hätte beleuchten können.
„Um ehrlich zu sein, nein. Ich kenne mich aus. Vielen Dank." Ich erwidere sein Lächeln ebenso gezwungen und gehe dann mit festen Schritten an ihm vorbei in die Richtung des Büros meiner Mutter. Doch scheinbar lässt sich der Kerl nicht einfach so abschütteln.
„Warten Sie!" Ich bemühe mich, seine Stimme und seine Schritte so gut es geht zu ignorieren, doch als ich eine Hand auf meiner Schulter spüre sehe ich mich gezwungen stehen zu bleiben. Ich drehe mich zu ihm um und sehe ein weiteres Mal in sein unechtes Gesicht. Ob er von dem ganzen künstlichen Lächeln am Abend Muskelkater im Kiefer hat?
„Sie dürfen dort nicht ohne Termin rein." Er zeigt mir einem seiner kräftigen Finger, die trotz der manikürten Nägel sehr nach Handwerker aussehen – ein weiteres Indiz dafür, dass er mal beim Militär war – auf die Bürotür meiner Mum. Sofort muss ich anfangen zu Lachen. Termin! Was ist mit diesem Hotel passiert? Haben sie einen neuen Hotelführer mit Sicherheitsfimmel oder wie?
Da ich immer noch lache sieht mich der Kerl, dessen Name Mr. Meyer zu sein scheint, wie mir ein kurzer Blick auf sein Namensschild verrät, mit einer fragend erhobenen Augenbraue an.
„Ich brauche keinen Termin um meiner Mum das Abendessen zu bringen, Sir," bringe ich schließlich zwischen zwei Lachern hervor. Daraufhin erscheint auf seinen Wangen ein leichtes Rosa, was ihn wirken lässt wie einen zehn jährigen Jungen – und was nicht unbedingt dazu beiträgt, dass ich aufhören kann zu lachen. Ein attraktiver, großer, muskulöser Mann mit kantigen Gesichtszügen und kräftigen Händen wird rot. Das ist an diesem Abend einfach zu viel für mich.
„E-Es tut mir leid, d-das konnte ich nicht ahnen," stammelt er vor sich hin. Wie alt ist er noch mal? Ich versuche normal zu atmen und das Gekicher, das sich seinen Weg nach draußen bahnen möchte, zu unterdrücken und lächle ihn freundlich an – ein echtes Lächeln.
„Macht ja nichts." Scheinbar hat er nun ebenfalls bemerkt wie peinlich er sich aufgeführt hat, denn er richtet sich kaum merklich etwas auf und strafft die Schultern. Sein Gesichtsausdruck wird wieder hart, doch das künstliche Lächeln kehrt nicht zurück. Das sehe ich als Zeichen, an ihm vorbei zum Büro meiner Mutter zu gehen.
Ich mache mir gar nicht die Mühe, anzuklopfen, sondern reiße einfach die Türe auf. Eine schlechte Entscheidung, wie mir das Bild, das ich nun vor Augen habe, verrät. Meine Mum sitzt auf ihrem Schreibtisch – an sich nichts Weltbewegendes – wäre da nicht dieser Mann im Anzug, der zwischen ihren Beinen steht und seine Hände in ihren Haaren vergraben hat. Mein Mund klappt auf und die Tränen, die vorher noch Lachtränen gewesen sind, brennen plötzlich in meinen Augen. Das indische Essen gleitet mir aus der Hand und fällt nahezu lautlos zu Boden. Das kann entweder am dem roten Teppich im Büro meiner Mutter liegen, oder daran, dass ich mich wieder in diesen Seifenblasenzustand zurückversetzt fühle.
Noch ehe meine Mum realisieren kann, was ich da gerade mit ansehen musste, mache ich auf dem Absatz kehrt und laufe los. Die Tränen verschleiern mir meine Sicht und so bemerke ich den großen schwarzen Gegenstand, der sich mir in den Weg stellt, erst viel zu spät und laufe direkt hinein.
Er entpuppt sich als der ach so freundliche Kerl, der mir einen Termin bei meiner Mutter geben wollte. Hätte ich doch mal lieber einen gemacht.
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Die Vergangenheit ist meine Zukunft
Teen FictionDie 16-jährige Rose Allington muss plötzlich feststellen, dass sie scheinbar eine Doppelgängerin in der Vergangenheit hat. Zusammen mit einem ihr noch fremden Jungen macht sie sich auf die Suche nach Hinweisen über dieses mysteriöse Mädchen - und fi...