Die Vergangenheit ist meine Zukunft

Kapitel 1

1.

RIIING!

Wie ich diesen Wecker hasse. Nie lässt er einen ausschlafen. Ich weiß, dass das eigentlich der Nutzen dieser Dinger ist, trotzdem könnte ich ihn jeden Morgen gegen die Wand schmeißen.

Mit immer noch geschlossenen Augen schiebe ich die Decke von mir und setze mich auf. Mein Zimmer wird bereits von der Sonne hell erleuchtet, sodass man die dort herrschende Unordnung deutlich sehen kann.

Auf meinem Schreibtisch türmen sich die alten Schulhefte und beschriebenen Blätter, auf einem Stuhl in der Ecke liegen haufenweise schmutzige Klamotten und mein Schminktisch mit angebautem Spiegel ist hinter lauter Nagellackfläschchen und Haarbändern kaum noch auszumachen. Zwar benutze ich eher selten etwas von diesem ganzen Schminkzeugs, aber für den Notfall sollte man das als Mädchen
immer zur Hand haben. Der Teppich, der früher den Fußboden bedeckt
hat, steht jetzt im Keller neben meinem alten Schreibtisch, wodurch
man den Laminat Boden zwischen den herumliegenden Sachen aufblitzen
sieht. Stöhnend schwinge ich meine Beine über die Bettkante um
aufzustehen. Doch als meine nackten Füße den kalten Boden berühren,
würde ich mich am liebsten sofort wieder im Bett verkriechen.

Aber heute steht diese elende Prüfung an, also werde ich nicht drum herum
kommen, in die Schule zu gehen. Mühsam stehe ich also auf und begebe
mich an meinen Kleiderschrank. Nach einem Blick nach draußen
entscheide ich, eine dünne Strumpfhose unter den Rock meiner
Schuluniform anzuziehen, da der Wind sehr stark zu wehen scheint.

Als ich mich fertig geduscht und angezogen nach unten begebe, ist von
meiner Mutter bereits nichts mehr zu sehen. Nur eine Nachricht auf
dem Küchentisch: Guten Morgen, Schatz! Toll.
Mal wieder hat sie vergessen, mir Geld zum Mittagessen hinzulegen.
Wie nahezu jeden Morgen nehme ich mir einen Apfel und einen Müsli
Riegel, damit ich Mittags nicht ganz verhungere.

Mit einer Schüssel Müsli in der Hand setze ich mich auf einen der
Barhocker an der Kücheninsel und schalte den Fernseher, der iMitLdirekt angrenzenden Wohnzimmer steht, an. Doch dort läuft nur irgend
eine schwachsinnige Verkaufsshow, also entscheide ich mich dafür,
lieber Radio zu hören. Zu der Musik tanzend beginne ich meine schwarzen Haare zu bürsten und sie danach mit einem Haargummi zu bändigen. Lange lockige Haare sind nicht einfach zu frisieren. Und da ich meistens keine Zeit finde, um etwas Anständiges aus ihnen zu machen bleiben sie entweder offen oder werden zu einem Zopf
zusammengebunden.

Als ich meine Jacke und meine Boots anhabe schalte ich das Radio aus und
schließe die Wohnungstür hinter mir. Mit Kopfhörern in den Ohren
mache ich mich auf den Weg zur Hölle.

Sobald ich das Schulgebäude betreten habe, begebe ich mich zum Prüfungsraum. Ich halte wenig von Freundschaften. Ich bin bis jetzt auch prima allein zurecht gekommen, da muss ich mich nicht zusätzlich mit platonischen zwischenmenschlichen Beziehungen belasten, die einen nur Zeit und Nerven kosten. Aber vielleicht lebe ich auch einfach nur unter den falschen Leuten.

Wie zu erwarten bin ich die erste am Raum. Also beschließe ich, mich an die Wand zu lehnen und noch ein wenig meiner Musik zu lauschen. Ich schließe die Augen und beginne gerade, im Kopf mitzusingen, als ich von der Seite angerempelt werde. „Na, wie geht's unserer süßen Rose denn heute?"

Wie jede Schule verfügt auch meine über ein paar besonders behinderte Deppen. Sie machen sich einen Spaß daraus, mich zu ärgern. Wahrscheinlich glauben sie, es würde mich verletzen. Was mich in Wirklichkeit verletzt, ist ihre bis zum Himmel stinkende Dummheit. „Hallo Maxx. Hast du deine Pillen heute noch nicht genommen oder warum lässt du dein vor Dämlichkeit triefendes Gesülze ausgerechnet an mir aus?" Genervt widme ich mich wieder meiner Musik. Warum ist er eigentlich allein? Wo ist der Rest seines behinderten Rudels? Haben sich deren Leinen verheddert?!