Kapitel 30 - 72 Leute

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Daniel P.o.V

,,Wie viele?",den Blick hielt ich gesenkt.John wartete einen Augenblick bevor er mir antwortete.Ich war mir nicht sicher, was in ihm vorging.Wir kannten uns schon lange.Er war ein guter Freund.Trotz seines kräftigen und einschüchternden Körperbaus konnte er mit einer der liebevollsten Menschen sein, die ich kannte.Der Wind wehte mir stark um die Ohren, bevor John mit seiner tiefen und rauen Stimme antwortete:,,72".
Ich schluckte.72 Tote.
Zum ersten Mal, seitdem wir hier angekommen sind wagte ich es den Blick zu heben.
Wir befanden uns auf einem der Felder, nicht weit vom Angriffsort entfernt, doch weit genug, um keine neugierigen Blicke auf sich zu ziehen.Hier auf dem trockenen Gras lagen 72 Leute.Die toten Körper ehemaliger Dorfbewohner, Freunde, Familienmitglieder, tapferer Kämpfer.Von Männern hergetragen, und vom Bürgermeister befohlen verbrannt zu werden.

,,Das können sie nicht machen!",mein Freund John baute sich neben mir auf und stieß einige Leute um ihn herum zur Seite.,,Diese Menschen gehören immer noch zu uns.Sie sind gestorben weil der da",er zeigte mit seiner Hand auf Henry, der auf der Bühne neben unserem Bürgermeister Platz genommen hatte, ,,nicht stillhalten konnte und sie dazu gezwungen hat gegen wilde Tiere zu kämpfen!".Man hörte zustimmendes Gebrüll, dieses war jedoch deutlich in der Unterzahl.Die meisten lachten.Wie auch Henry.Sogar bei dem Bürgermeister glaubte ich ein Schmunzeln zu sehen.
Nun traute auch ich mich auch mal das Wort zu erheben:,,Seien sie kein schlechter Mensch, Bürgermeister.Diese Leute hatten Familie".
Er schaute mich emotionslos an.
,,Wir haben keine Zeit um so viele Gräber zu schaufeln.Ich werde keine meiner Männer schicken, um sich die Rücken kaputt zu arbeiten".
Meine Wut war unbeschreiblich.
Es sagte nun ein Mann weiter hinten etwas:,,Mein Sohn verdient es so bestattet zu werden wie er es verdient!".
Eine Frau, aus der zweiten Reihe schloss sich uns an:,,Lassen sie uns doch wenigstens die Gräber selber schaufeln.Es sind unsere Kinder, verstehen sie uns doch".
Henry beugte sich zum Bürgermeister und schien ihm etwas ins Ohr zu flüstern.
,,Meine Urteil bleibt gleich.Sie werden verbrannt.Alle".
Ein paar Leute, ungefähr 10, mit ihnen auch der Mann und die Frau, fingen an zu Brüllen.Auch John und ich hielten nicht still.Wir beiden fingen an die Leute vor uns zu Seite zu schupsen und uns dem Bürgermeister und Henry immer mehr zu nähern.Die weiteren 10 schlossen sich uns an.
Doch plötzlich fassten uns Männer und hielten uns fest.Der Blick des Bürgermeisters verhärtete sich:,,Ihr beide",er zeigte auf mich und John, ,,werdet zum Feld gehen, mit einem Kanister Benzin und werdet sie anzünden.Sollte dies nicht geschehen werdet ihr beide, und eure Anhänger eingesperrt.In so schweren Zeiten wie jetzt können wir keine Verräter gebrauchen.

,,John?",nun, wo ich endlich hochsehen konnte, kann ich meinen Blick nicht mehr von den leidenden Gesichtern der Toten wegsehen.Sie hatten Familie.John brummte.
,,Ich kann das nicht",ein Gedanke wollte mir nicht aus dem Kopf weichen.
Was wenn Hanna unter ihnen ist?
Ich habe sie schon seid Tagen nicht gesehen, doch alle in ihrem Alter mussten kämpfen und heute morgen hatten sich alle Überlebenden mit den restlichen Dorfbewohnern an der Bühne getroffen.Und sie war nicht dabei.Genauso wie auch ihre anderen Freunde.
Ich konnte es immer noch nicht fassen, was die kleine Braunhaarige getan hatte.Wegen ihr war der Werwolf weg.Ich war schockiert ja, doch irgendwie konnte ich keinen Wut verspüren.Es war eher...Erleichterung und Stolz.Und ich wusste, dass John das selbe dachte.
,,Ich auch nicht Mann",er kam zu mir und klopfte mir gegen die Schulter.
Es wäre unmenschlich so etwas zu tun.
Zu zweit ließen wir das Benzin und die Streichhölzer auf dem Gras liegen und gingen zurück.

,,Hey!",Henry lief uns auf halber Strecke entgegen.Von hier aus konnte man das Feld nicht mehr sehen.Der Junge kam angelaufen mit so einem Grinsen im Gesicht.Ich merkte John an, dass er nicht versichern konnte still zu halten.,,Ihr habt euch nicht getraut",er lachte auf.John schubste ihn drohend zurück:,,Pass auf was du sagst kleiner Mann!".
Henry schaute John wütend an, packte sich dann aber doch noch und ließ seinen Blick zu mir gleiten:,,Seid froh, dass ich das schon geahnt hab.Das ist erledigt, doch den Gittern entkommt ihr nicht".
Das erste was ich sah war, wie John bewusstlos umfiel und ehe ich realisieren konnte, was hier vorgeht, wurde auch mir alles schwarz vor Augen.Das ersparte mir aber nicht den Anblick, der riesigen Rauchwolke, die sich über dem Feld bildete, welchen John und ich vor Kurzem verlassen hatten.

,,Dan".
Plötzlich nahm ich wieder etwas war.
,,Daniel wach auf!".
Die schwarze Stille wandelte sich in ein leichtes Rauschen um.Als ich schließlich meine Augen öffnen konnte, musste ich mir eine Hand vor die Augen halten, da das Licht mich blendete.Als meine Augen sich endlich an das spärliche Licht, welches die wenigen Lampen im Gang abgaben, gewöhnt hatten richtete ich mich auf.Ein ziehender Schmerz in meinem Kopf ließ mich kurz zurückzucken.
,,Daniel Mann endlich bist du wach.Ich dachte schon die Mistkerle hätten dich ernsthaft verletzt".
Ich lachte auf, als ich John erkannte, der neben mir saß, zwischen uns Metallstäbe.
,,Du warst echt lange weg",eine Stimme links von mir meldete sich zu Wort.Der Mann, der sich eben zu Wort gemeldet hatte saß am anderen Ende meiner Zelle.
Nun merkte ich auch, dass ein anderer in Johns Käfig lag.
,,Mike", der Mann neben mir gab mir die Hand und ich nahm sie lächelnd an.Er war mir sympathisch.,,Der in der Zelle deines Freundes ist Ron.Er kann nicht reden, hat keine Zunge",ich nickte, stellte keine Fragen.
Gegenüber von meiner und Johns Zelle befanden sich noch zwei, in jeder zwei Leute drin.Also waren wir insgesammt 8.
Ganz links die Frau, die gesprochen hatte, mit einem Mädchen.Ich schätzte sie auf 15.Sie war immer noch bewusstlos.,,Wie heißt du?", die Frau zuckte zusammen als ich sie ansprach.
,,Lia".
Neben ihnen saßen zwei Leute.Ein Mann, ungefähr 50.Er stellte sich als Frank vor.
Dann war da noch ein Junge, nicht älter als 20, der uns seinen Namen nicht verraten wollte.Er hatte sein Gesicht hinter einer tief sitzenden Kapuze versteckt.
,,Es tut mir leid".Ich seufzte.
Der alte Mann setzte sich gerade hin:,,Was meinen sie Daniel?".
,,Ich hab es nicht geschafft.Wegen mir sitzen wir jetzt alle hier".
,,Hey Dan",John schaute mir in die Augen, ,,ich bin genauso daran Schuld wie auch du.Ich konnte es auch nicht".
Lia lachte auf.Sie hatte dunkelblonde Haare, diese zu einem hohen Knoten gebunden.,,Ich bin eh froh von den allen weg zu kommen.Alles Heuchler.Sie verstehen doch garnicht um was es geht".
,,Und was sollen wie jetzt tun?",Frank schaute verloren nach vorne.
,,Warten bis die Gelegenheit kommt, und dann abhauen",Mike rieb sich die Hände.Er hatte nur ein kurzarmiges Oberteil an.
Da ich über meinem Pullover noch eine Jacke hatte, zog ich diese aus und hielt sie ihm hin.,,Danke",dankend nahm er sie an.
,,Und wohin dann?", Johns Stimme klang hart.
Der Junge in Franks Zelle knurrte auf.Es klang beinahe wie ein...Wolf.
Erst da fiel mir auf, dass er bloß einen Kaputzenpullover und eine Hose anhatte.Keine Schuhe, keine Socken.
,,Da hin wo deine kleinen Freunde hingelaufen sind".
Er hob den Blick und schaute mich an.
Wen meinte er?
,,Du weißt schon, die vier Mädchen".
,,Hanna?!".Sofort hatte ich mich aufgerichtet.
,,Weißt du wo sie ist?!".
Empört schnaubte er auf.
,,Und wie ich das weiß.Die kleine und eine ihrer Freundinnen waren wenigstens schlau genug um hier vorher abzuhauen.Ein Glück, dass die anderen zwei es auch noch hier rausgeschafft haben".
John schaute ihn verwirrt an:,,Wo sind sie hingegangen?".
Der Junge knurrte noch einmal auf:,,Hoch auf den Berg".
Da legte sich ein Schalter in mir um und ich musste abrupt an Hannas Vater denken.Ich wusste, dass sie so war wie er.Ich wusste, dass auch sie sich früher oder später auf den Weg zu Wolfskin machen würde.

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