Kapitel 23

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Kapitel 23

„Elizabeth?", fragte ich.

Einige Sekunden lang herrschte Stille. Dann räusperte sie sich, was meinen Verdacht, dass sie weinte, irgendwie nur bestätigte.

„Hey, Gwendolyn", schniefte sie.

Bestürzt tastete ich nach dem Lichtschalter und knipste die Lampe an, bis es mir in den Kopf kam, dass das wahrscheinlich ziemlich unsensibel war. Also machte ich sie schnell wieder aus.

„Was ist los?", fragte ich, ging langsam auf sie zu und knipste statt dem großen Licht nur meine kleine Nachttischlampe an. „Du weinst ja", stellte ich fest.

Elizabeth setzte sich auf, blickte mich aus rot umrandeten Augen an und gab noch ein langgezogenes Schniefen von sich.

„Das tue ich wohl", gab sie zu und wischte sich über die Augen. „Ist nicht so schlimm."

In diesem Moment kam mir ein absurder Gedanke. Was, wenn sie sich tatsächlich ernsthaft in Gideon verliebt hatte und uns gerade durch Zufall gesehen hatte? Oh Gott!

Ich setzte mich neben sie auf die Bettkante und fühlte mich ein wenig hilflos. Ich war nicht wirklich zu gebrauchen, wenn es darum ging, Leute zu trösten. Also strich ich ihr nur beruhigend – das hoffte ich jedenfalls - mit der Hand über den Rücken.

„Erzähl, was ist los?"

Elizabeth atmete tief durch. „Es ist nichts. Ich hab einfach nur ein bisschen Heimweh. Das ist alles. Es ist schon irgendwie komisch, plötzlich in einem anderen Land zu leben und dann noch zu einer anderen Zeit. Natürlich kenne ich das von den Zeitreisen her, aber da konnte ich nach ein paar Stunden immer nach Hause zurück."

Ihre letzten Worte hatte ich nur undeutlich verstehen können und nun schluchzte sie wieder auf. Ich öffnete meine Nachttischschublade, holte eine Packung Taschentücher heraus und reichte sie ihr.

Elizabeth nahm sie dankend entgegen und schnäuzte sich.

Einerseits war ich froh, dass ihr Kummer offensichtlich nichts mit Gideon zu tun hatte. Doch auf der anderen Seite tat sie mir natürlich furchtbar leid und ich kam nicht umhin, mir selbst Vorwürfe zu machen, dass ich überhaupt gar nicht daran gedacht hatte. Natürlich hatte sie Heimweh!

„Du vermisst deine Freunde bestimmt", vermutete ich und seufzte. „Tut mir leid, dass ich so unsensibel bin."

Sie winkte ab. „Du hast selbst genug um die Ohren. Und schließlich war es meine bescheuerte Idee, einfach so und ohne nachzudenken mitsamt dem Chronografen in eure Zeit zu springen. Du hattest völlig Recht, das war wirklich dämlich von mir."

„Nein. Es war dämlich von mir, dir das vorzuwerfen. Der Graf wäre sowieso ausgerissen, egal, ob du nun hierher gesprungen wärst oder nicht."

Elizabeth wiegte den Kopf und ihr Blick wurde ein wenig glasig.

„Es sind nicht nur meine Freunde, die ich vermisse", sagte sie nach einer Weile. „Die ganze . . . Welt ist hier so anders. Ich vermisse das Essen, die Bequemlichkeit, Amerika. Es ist so anders als England."

Ich wusste zwar, dass sich die USA auch in der heutigen Zeit stark von meinem Heimatland unterschieden, doch wie es in der Zukunft aussah, wusste ich nicht.

„Kannst du mir davon erzählen?", bat ich Elizabeth aus diesem Grund.

Sie nickte und begann stockend von ihrer Heimat zu berichten. Nach wenigen Minuten nahm ich erleichtert zu Kenntnis, dass etwas Leben in sie zurückkehrte. Und das, was sie mir erzählte, war wirklich interessant. Und komisch. Zwar hatte ich immer angenommen, dass wir uns im 21. Jahrhundert schon in einer sehr weit entwickelten Gesellschaft befanden und allen nur erdenklichen Komfort genossen, doch das, was ich nun erfuhr, krempelte meine Ansichten ein wenig um.

ObsidianschwarzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt