Mit einem Mal kam es mir ziemlich unpassend vor, dass wir uns zu dritt auf dieses Sofa quetschten. Ich stand auf, um tief durchzuatmen und mir ein wenig die Beine zu vertreten.
„Was, wenn er den Braten riecht?", flüsterte Elizabeth und sprach damit genau meine Gedanken aus. Spätestens, als der Graf seinem Sekretär eben etwas zugeflüstert hatte, war mir ein bisschen bange geworden.
„Ich denke, er glaubt uns", gab Gideon grüblerisch von sich. „Ganz sicher können wir uns natürlich nicht sein, deswegen wollte ich euch auch ungern allein lassen."
Kitschige Gedanken wie „Oh mein Held" begannen, sich in meinem Kopf zu bilden. Energisch schob ich sie zur Seite und tigerte weiter durch den Raum.
„Was machen wir, wenn er gleich eine ganze Brigade an Wachen mitbringt?", fragte ich. Nicht einmal eine kleine Pistole oder ein Kurzschwert hatte ich dabei, nur an Gideons Gürtel baumelte ein Degen. Es wäre aber vermutlich auch nicht zeitgemäß gewesen, wenn ich einfach so ein Ding über mein Kleid gehängt hätte.
Gideons Blick blieb an mir hängen und ich zwang mich dazu, stehen zu bleiben.
„Danke, das hat mich ganz nervös gemacht", sagte er und lächelte kurz.
Ich erwiderte sein Lächeln und erlaubte mir für einen Moment, in seinen grünen Augen zu versinken. Wenn doch Elizabeth nur nicht hier wäre und wir sofort reden könnten. Wie würde er wohl auf meine Erklärungsversuche reagieren? Mich auslachen und mich einweisen lassen? Oder mich vielleicht sogar verstehen?
Hoffentlich konnte er mir jedenfalls die letzten kleinen Zweifel nehmen, die ich bezüglich meiner Beobachtung am Vortag noch hatte. Mir sagen, dass sie sich nicht geküsst hatten.
„Dann werden wir uns etwas einfallen lassen müssen", murmelte Gideon und wandte mit einem merkwürdigen Ausdruck in den Augen den Blick von mir ab.
Bis der Graf wiederkam, sagte keiner von uns mehr ein Wort. Denn falls er mit einer Horde Wachen kommen würde, würden wir deren schwere Schritte so jedenfalls rechtzeitig hören und konnten uns eventuell noch bereitmachen und uns wehren.
Ich nahm wieder auf dem Sofa Platz, um nicht den Verdacht zu erwecken, ich würde herumschnüffeln. Auch beruhigte mich Gideons Nähe ungemein, auch wenn ich mich nicht traute, ihm näher zu kommen.
Doch als sich die Tür schließlich nach einer Ewigkeit wieder öffnete, stand nur der Graf dahiner, selbst von seinem Sekretär war nichts mehr zu sehen. Vielleicht hatte er ihn ja einfach nur darum gebeten, ihm Badewasser einzulassen oder so.
Ohne ein Wort zu sagen, schloss er die Tür hinter sich und ließ sich wieder auf dem Schreibtischstuhl nieder.
„1782, 15. Februar", murmelte er dann und ich fragte mich, ob er durch die ganze Geschichte vielleicht den Verstand verloren hatte. Doch dann räusperte er sich und sein Blick klärte sich, als er ihn auf uns richtete. „Das ist das Datum, an dem ich mich das letzte Mal mit dem Marquis und dem Baron getroffen habe. Ihr werdet uns am Nachmittag im Drachensaal finden."
Ich atmete auf. Genau das war Falks Part gewesen. Er hatte in seinem Brief den Vorschlag gemacht, ein Treffen in der Vergangenheit auszuwählen, um den dreien von dem angeblichen Attentat zu berichten. Wenn der Graf ein Datum in der Zukunft vorgeschlagen hätte, um seine Freunde zusammenzutrommeln, hätten wir ein Problem gehabt, da er uns nach dem Ball nicht mehr trauen würde. Doch sollte es wirklich so einfach gewesen sein? Ich hatte angenommen, dass wir wenigstens noch ein bisschen Überzeugungsarbeit leisten müssten.
Gideon nickte und schaffte es dabei, einen ziemlich teilnahmelosen Gesichtsausdruck beizubehalten. Wenn man sich Elizabeth genauer anguckte, sah man aber, dass sie schwer damit zu kämpfen hatte, ein Lächeln zu unterdrücken. Auch ich war total erleichtert, doch wenn der Graf uns das jetzt anmerken würde, wäre das alles andere als förderlich.
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Obsidianschwarz
Fiksi PenggemarEtwa eine Woche nach Smaragdgrün: Der Graf schmort in den Kerkern Temples, es gibt keine anstrengenden Zeitreisemissionen mehr zu erfüllen und eigentlich wäre alles Friede, Freude, Eierkuchen. Aber eben nur eigentlich, denn eines Tages treffen Gwen...